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…! Ich zog, keuchte, stand wieder auf, klemmte die Flasche zwischen die Schenkel …

      Endlich …

      Und soff drei lange Schlucke reinen Rum. Hustete … Aber Feuer kroch mir vom Magen in mein durchkältetes Fleisch … Und der Sprit rumorte in meinem Hirn, feuerte mein Denken an …

      Knatternd schlug der Hagel gegen die straff gespannten Felle, deren wasserdichte Nähte auch nicht ein noch so winziges Tröpfchen durchließen.

      Dann plötzlich Stille …

      Nur der Wind fauchte noch in dem Kessel der Bucht … Irgendwoher kam das bellende Heulen brünstiger Robben … Noch etwas kam – seltsame Laute …

      War ich etwa betrunken?!

      Ich reckte den Kopf näher zum Eingang … Das Fell flatterte träge …

      Dann riß ich die Büchse hoch … Hinaus … Klares Mondlicht … Sternenschein … Die Gräser glashart gefroren …

      Da – wieder die helle Kinderstimme …

      »Mammi – – Mammi!!«

      Kläglich, verzweifelt das dünne Stimmchen.

      Bei Gott, dort am Fuße der einen Buche, die wir vorhin aller Äste beraubt hatten, kauerte ein kleines Wesen … gehüllt in eine helle Wolldecke, auf dem Kopf eine dicke Flauschmütze mit Ohrklappen …

      Ich hin …

      Der Mond beleuchtet das runde, rotwangige, tränenfeuchte Gesicht eines blonden Bürschchens von vielleicht acht Jahren. Große, verängstigte Augen starrten mich an …

      »Junge, wie kommst du denn hierher? Wer bist du?!« – Ich hatte mich meiner Heimatsprache bedient …

      Keine Antwort … Wiederhole dasselbe auf englisch …

      Da leuchten die tränentrüben Sterne des Knaben auf.

      »Allan Mangrove,« erwiderte er halb schluchzend … »Ich … fürchte mich so, Mister … Ich fürchte mich so …«

      Ich nahm ihn und trug ihn ins Zelt.

      Vier Kameraden hatte ich in dieser Nacht verloren, hatte dafür – – ein Kind gefunden. Ein Bürschlein, das in einem tadellosen blauen Samtanzug von Matrosenschnitt steckte, Schuhe trug, die ebenso fein waren. Alles an Allan Mangrove war fein. Ein kleiner Prinz in seidener Wäsche. Und – hier ausgesetzt im wilden, unberechenbaren Magelhaens-Archipel …!!

      Als der Morgen heraufdämmerte, hatte mir der kleine Allan erzählt, was er erzählen konnte. Es war wenig, sehr wenig. Es war ein neues dunkles Ereignis wie ein Felsblock in meinen breiten Pfad der Abenteuer gerollt, kein Hindernis, aber etwas, das Beachtung verlangte.

      4. Kapitel

       Magelhaens-Nebel

       Inhaltsverzeichnis

      Dann wickelte ich den armen kleinen Kerl in seine Wolldecke ein und bewachte seinen festen Schlummer.

      Der eiskalte Wind blies durch die Ritzen des Eingangs, und draußen lauerte die ungewisse Dämmerung des neuen Tages, des ersten, den ich in Wahrheit als Robinson verbringen sollte. Manches war mir schon widerfahren, manches Außergewöhnliche hatten mir meine Berufsreisen eingetragen, als ich noch Kulturmensch, Ingenieur war und die neuesten Errungenschaften der Zivilisation durch Eisenbahnbauten, durch Hafenanlagen und romantische Serpentinenstraßen in bisher öden Gebirgsgegenden weiter verbreiten half. Nichts Menschliches war mir fremd geblieben. Das Leben hatte mich reich beschenkt, denn Erleben ist Leben. Und jetzt – ein Ausgestoßener, ein Außenseiter, ein Menschenverächter, ein Flüchtling vor alledem, das ich einst selbst gefördert hatte: Kultur! Zivilisation, Fortentwicklung des Menschengeschlechts! – Dieses Geschlecht war’s nicht wert, seinetwegen auch nur noch einen Finger zu rühren. Kläglich war das Ende meiner hoffnungsfrohen Laufbahn gewesen: Jeder hatte mir eine große Zukunft prophezeit. Und – gestrauchelt war ich über den Meineid eines Weibes … Olaf Karl Abelsen, Weltentramp: das war das Ende und der Anfang! Nun – kein schlechter Anfang! Wenn ich an Kamerad Boche Boche denke, der diesen Anfang mitmachte, wird mir das Herz weit und leicht.

      Ein Mann war’s …

      Mann!

      Und Joachim Näsler desgleichen, nicht minder Coy Cala und die beiden anderen Braunen. In keine Schablone hineinpassen, mit dem Tode spielen, mit dem Tode scherzen – das heißt Mann! Ihr, die ihr in weichen Sesseln vor dem rollenden Bildstreifen sitzt – der Film heißt vielleicht »Die Insel der Begrabenen« oder so ähnlich –, euch hämmert das Herz, so lange Sensation nach Sensation sich jagt … Und ihr ahnt dunkel, daß es jenseits eures Eselstrotts des Alltags ein wundervolles Land der Verheißung geben mag, – daß auch ihr euch danach sehnt. Aber eine Stunde später sitzt ihr, elende Spießer, ihr alle, hinter einem Glase Wein oder Bier und sagt zu der treuen Gattin: »Verrückt war der Film eigentlich!«

      Eigentlich … eigentlich! – Oh, man kann viel anfangen mit diesem eigentümlichen Eigentlich.

      Eigentlich war ich ganz froh, daß ich nun wieder einmal ganz allein auf mich angewiesen war und mir die Eselskrücken kühner Begleiter fehlten. Nur so, auf sich selbst angewiesen, rollt das Abenteurerblut sprühend bis in die Fingerspitzen. Man fühlt sich Herr über jeglichen Entschluß. Rücksichten fallen fort. Es gibt keinen Meinungsaustausch … Man berät nur mit sich selbst. Und handelt, was einem gereifte Überzeugung eingibt. –

      Draußen der neue Tag. Wenn mein kleiner Allan – und der rechnete wahrlich als Mann nicht mit – erwachte, mußte er etwas Eßbares vorfinden. Und das mußte erst beschafft werden. Joachims Riesenappetit hatte mit den Vorräten, die wir aus dem Nachen ins Zelt geschafft hatten, gründlich aufgeräumt. Nicht einmal ein einziger Zwieback war mehr vorhanden. Und Boot und Nachen und vier Gefährten ebenso gründlich dahin! Falls sie nur durch irgend welche Umstände von den Terrassen weggelockt worden wären, – längst hätten sie zurück sein müssen! Nein – sie waren geschnappt. Vielleicht nicht von den Turidos nebst Anhang, vielleicht von [… …] und ausgesetzt hatten.

      Essen … Auch mein Magen meldete sich. Ich nahm die Büchse, verließ das Zelt, kletterte zum steinigen Strande hinab. Der Himmel leicht dunstig, unheildrohend, das gefrorene Gras knirschte wie Frostschnee. Die Felsen zeigten gefrorene Regenlachen. Die Szenerie ringsum fast winterlich. Dunkel das stille Wasser der hochumrandeten Bucht. Granitwände – – eine Felsenschüssel …

      Das Zwielicht zeigte mir unten zwischen zwei Riffen ein bleiches, entstelltes Gesicht, eine Leiche, die sich in den Felsnadeln festgeklemmt hatte. Aus der linken Augenhöhle ragte ein Messer hervor. Also Chuburs Opfer.

      Die Riffe waren vier Meter vom Strandstreifen entfernt. Kleinere Klippen bildeten einen Steig bis dorthin. Ich balancierte von Stein zu Stein, zog den Toten ans Ufer, einen jüngeren Europäer mit bartlosem Gesicht in einem derben Touristenanzug, braunen Schuhen und Wickelgamaschen.

      In den Taschen fand ich einiges, was ich brauchen konnte, nur keine Papiere, nichts, wodurch ich über die Person dieses Schwarzhaarigen Aufschluß erhalten hätte.

      Tote brauchen keinen tadellos neuen praktischen Anzug und so gutes Schuhzeug. In Unterkleidern versenkte ich den mit Steinen beschwerten Toten.

      Das Wasser der Bucht zog leichte Wellenkreise, als ob es sich vor Abscheu schüttelte, diesen Menschen beherbergen zu müssen. Und ich stand noch auf dem einen Riff, neben mir die Büchse auf der flachen Kuppe. Spielend zog ein armlanger Lachs seinen Weg durch die grünen Algen, die am Gestein hafteten. Lachse gibt es in allen Weltteilen, – ein internationales Fischgeschlecht, und dieser fette Vertreter kam mir gerade recht. Ein Pistolenschuß genügte, und mit dem Büchsenkolben angelte ich den Burschen in Greifnähe. Die Magenfrage war gelöst.

      Als mein kleiner Allan um elf Uhr vormittags erwachte, konnte ich ihm ein derbes Stück Kochfleisch vorsetzen.

      Er aß, und der Schlaf hatte ihn völlig umgemodelt. Sein klägliches

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