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den Clarence-Inseln an Land geworfen sei und, da es eine Walmama gewesen, auf dem Trockenen ein Junges geboren habe, das er, Coy, dann gezähmt habe, so daß es sein Fischerboot wie ein Schleppdampfer zog … »Du mußt mich nicht für zu dumm halten, Coy … Das würde dir Enttäuschungen einbringen und …«

      Er lächelte mild …

      »Mistre, wenn ich nun sagen, es kommt feines kleines Boot mit feinen Mistre angerudert – he, was Sie dann antworten, he?!«

      Da sowohl er als auch die beiden anderen Araukaner starr an mir vorbei nach Süden schauten, fürchtete ich nicht, daß der kecke Coy sich etwa mit mir einen Spaß erlauben wollte. Ich drehte den Kopf. Wahrhaftig, aus einer der drei noch schmaleren Gabelungen unseres Kanals nahte ein kleines, hellgelb gestrichenes Boot. Darin saß ein Gentleman in einem weißen Flanellanzug, blauem Sporthemd mit weichem Kragen, weißem Binder, dessen lange Enden im Luftzuge lustig flatterten, und mit einer weißen Mütze auf dem rotblonden Schädel, einer Mütze, wie sie die Köche auf manchen Dampferlinien zu tragen pflegen.

      Der Gent hatte sich halb umgewandt, beäugte uns offenbar mißtrauisch aus dreißig Meter Entfernung, ließ die tadellosen Blattriemen seines Diggys schleifen und zog sie dann ein, bückte sich, ergriff einen kurzen Karabiner, legte ihn über die Knie und wartete, bis die Strömung sein Boot noch näher herangeführt hatte.

      Es war jetzt fünf Uhr nachmittags. Vorhin hatte ich nach der Uhr gesehen. Ein wichtiger Tag, eine wichtige Stunde. Denn sie vermittelte mir die Bekanntschaft mit einem Manne, im Vergleich zu dem die rätselhafte Persönlichkeit meines Kameraden Boche Boche (Gerhard Dorner) ein alltägliches Männlein gewesen.

      Als das Boot auf zehn Meter heran war, faßte der weiße, bartlose, sonngebräunte Gent in die Tasche seines Sportgürtels.

      Sollte man’s für möglich halten: er brachte ein Monokel ohne Rand zum Vorschein, klemmte es mit ungeheuer lässiger Selbstverständlichkeit ein und rief mir dann zu:

      »Gestatten: Näsler ist mein Name, Joachim Näsler, zurzeit Vergnügungsreisender auf meiner Miniaturluxusjacht »Alexandra« …«

      Englisch rief er’s. Aber mit so ausgesprochen deutschem Beiklang, daß ich, dessen Mutter Berlinerin war, sofort deutsch erwiderte, indem ich auf seinen humoristischen Ton einging:

      »Gestatten: Abelsen mein Name, Olaf Karl Abelsen, zurzeit Vergnügungsreisender auf meiner Miniaturjacht »Feuerland« …«

      Aber dieser halbe Landsmann von mir, dessen abschreckend mageres Gesicht trotzdem so etwas wie aristokratische Linien zeigte, schien die Situation noch nicht für genügend geklärt zu halten und meinte jetzt gleichfalls in deutscher Sprache, wobei er mit erstaunlicher Fertigkeit in den mir von meiner Charlottenburger Studienzeit her so wohlvertrauten Berlinschen Jargon verfiel:

      »Weshalb liejen Se denn da am selben Lokus wie verankert fest, Herr Abelsen? Fischen Sie Perlmuscheln?! Oder sind Se etwa aufjelaufen?«

      »Perlmuscheln gibt es hier nicht, Herr Näsler. Also aufjelaufen …«

      »So … so! Pech!!«

      Er war nun mit seiner »Alexandra« dicht neben uns, sah die Felsnase, das Wasser in unserem Nachen und fügte kopfschüttelnd hinzu:

      »Ihre Jacht hat ’n unbejabten Kapitän, Herr Abelsen … Und Ihre Besatzung, – was sind denn det for Erfindungen? Einjeborene? – Entschuldijen Se schon, Herr Abelsen, aber ick stehe auf dem Standpunkt, man soll in diesen jottverlassenen Jewässern doppelt Porzellanladen sein – vorsichtig, Sie verstehen woll …«

      »Natürlich begreife ich das vollkommen, Herr Näsler … Sie können Ihren Porzellanladen aber getrost aufgeben … Wir vier hier im lecken Boot sind weder Menschenfresser noch Großfinanziers … Was dasselbe ist … Ich beabsichtige diese Inseln zu erforschen. Vielleicht finde ich Kohlenlager, Erz, Gold, Silber, Diamanten. Ich bin auf alles vorbereitet. Im übrigen haben wir vor rund vier Stunden von unseren Freunden Abschied genommen, die weiter östlich nach Punta Arenas gedampft sind.«

      Er hatte sein Boot mit einem kurzen Bootshaken Bord an Bord mit unserem Kahn gebracht. Sein Mißtrauen war offensichtlich geschwunden.

      »Woher kommen Sie denn, Herr Näsler?« fragte ich, da er nur noch Interesse für meine drei Gefährten hatte, besonders für Coy Calas wildes, kühnes, verschmitztes Gesicht.

      »Prächtiger Bursche, der da …« sagte er und schaute mich wieder an. »Alle drei nicht schlecht … Und Sie, Herr Abelsen, jefallen mir desjleichen … Ick bin so ’n bißchen Menschenkenner … Ihre Augen verraten deutsche Treue, Ihr Name Vetternschaft mit Sven Hedin, dem größten Schweden aller Zeiten, noch berühmter als die schwedischen Streichhölzer … – Also: mein Dampfer liegt an der Westspitze der Clarence-Insel, und ich selbst lieje hier neben Ihnen …«

      »Hm, da haben Sie sich etwas sehr weit von Ihrem Schiffe entfernt, Herr Näsler …«

      »Stimmt … Kann nicht mehr an Bord … Paddele seit drei Tagen hier in der Jejend rum und suche Männer …«

      »Männer?«

      »Ja – Männer, richtig jehende Männer, etwa wie euch vier …«

      »Entschuldigen Sie, Ihre Angaben sind etwas verworren. Weshalb können Sie nicht mehr an Bord?«

      »Weil ich meine Stellung als Koch jekündigt habe und weil ich keinen Taucheranzug nebst Zubehör nich besitzen tun tue, Herr Abelsen?«

      »Taucheranzug?«

      »Ja … Det Schiff liejt nämlich in zwanzig Meter Tiefe zwischen den Klippen auf dem Meeresjrund, und mehr Jrund wie icke hat wohl noch keen Schiffskoch jehabt, von eenem Dampfkahn heimlich abzumustern. Es jab nämlich erstens keene Seele mehr zum Bekochen, und zweetens und drittens – na, davon später …«

      »Der Dampfer ist also gestrandet?«

      »Nee – explodiert … Hatte eene Höllenmaschine im Bauch …«

      »Unmöglich!«

      »Jestatten Se – das weeß ich nu zufällig wirklich besser, denn ick sah den »Starost«, so hieß das Schiff, wegsacken, und von den fünfzehn Leuten bin ick der allereenzigste, der mit dem Leben davonkam … Das heeßt, andere hatten sich noch früher als ick jedrückt …«

      »Wie – und Sie haben die Besatzung nicht gewarnt?!«

      Er blickte mich merkwürdig an …

      »Besoffene lassen sich nich warnen, Herr Abelsen … Waren alle besoffen, vom Kapitän herab bis zum schwarzen Kajütboy … – Aber ich denke, Sie klettern nu mal erst hier in meine »Alexandra« rüber, und wir machen Ihre Barke flott … Nachher reden wir eingehender, Herr Abelsen. Ich habe Ihnen etwas anzuvertrauen, was wie ein tolles Märchen klingt …« Er sprach plötzlich in ganz anderem Tone. »Nein – Märchen ist nicht der richtige Ausdruck … Es handelt sich um eins der ungeheuerlichsten Geschehnisse … Auch das besagt zu wenig. Es ist mir da eine Reihe von Erlebnissen aufgedrängt worden, die in ihrer Gesamtheit fraglos für jeden Durchschnittsverstand ein außerordentliches Geheimnis darstellen. So, nun bitte … Rüber zu mir, und dann an Land … Ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen und getrunken, und Ihre Konservenbüchsen und Ihr Trinkwasserfaß dort bereiten mir Pein … Vorwärts!«

      Eine halbe Stunde drauf lagen Joachim Näsler und ich an einem lustig knatternden Feuer am Ufer einer kleinen Bucht. Die drei Araukaner flickten unseren Nachen aus. Näsler aß … Aß mit dem beherrschten Anstand des Gebildeten und erzählte … Er war unser fünfter Mann geworden.

      2. Kapitel

       Was Joachim erzählte …

       Inhaltsverzeichnis

      Ob diese schmale gewundene Bucht, in der wir den lecken Kahn ohne große Mühe hineinbugsiert hatten, bereits zur Hauptinsel Santa Ines gehörte, konnten wir vorläufig nicht feststellen. Es gab hier nur eine

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