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üppig zu nennende Vegetation aufzuweisen, hohes Gras, Krüppelbuchen, dünne Birken, zahllose Dornendickichte und – das Schönste – ganze Teppiche prächtiger bunter kleiner Orchideen: eine Oase in dieser Steinwildnis!

      Wir beide lagen auf der obersten Terrasse, und über dem Feuer hing am Eisenstock der dampfende Aluminiumkessel: Teewasser! Wir lagen auf weichen Gräsern, und der Duft der Orchideen, der Qualm des Feuers und der Rauch unserer Zigarren gaben ein köstliches Gemisch von unverfälschter Natur und grandioser Weltenferne. Die untergehende Sonne bestrahlte nur noch den oberen Teil der Felswände jenseits des Wasserstreifens. Zwölf Meter unter uns hämmerten die drei Araukaner an den Bodenplanken herum, und Coy Calas rauhe schrille Stimme war unermüdlich im Kommandieren, Schimpfen und Mahnen. Er fühlte sich als Vorgesetzter seiner Freunde Chico und Chubur. Letzterer ordnete sich ihm auch willig unter, war ein stiller, melancholischer Mensch – ganz entsprechend seinem milden Namen Chubur, der einen Vogel bezeichnet ähnlich der Schwarzdrossel, nur größer. Chico dagegen, eine lange dürre Latte von ganz dunkler Hautfarbe und verdächtig gekräuseltem Haar (Negerblut hatte er bestimmt in den Adern, wenn auch nur in Tropfen noch) machte sich zumeist über Coy lustig und … gehorchte schließlich doch.

      Joachim Näsler erzählte … Mal in Berliner Dialekt, mal in tadellosem Hochdeutsch, mal in sehr drastischen Ausdrücken, mal in gewähltester Form.

      Erzählte über sich selbst nichts. Und ihn hierüber auszufragen, das ging nicht an, weil er mich schon dreimal abgeblitzt hatte. »Meine eigene Person ist bei alledem so unwichtig, Herr Abelsen …« – so und so ähnlich hatte er sein Ich gegen meine Angriffe verschanzt. Und als ich einstreute, wir sollten doch das lächerliche »Herr« weglassen, erklärte er kühl: »Wir wissen voneinander noch zu wenig, Herr Abelsen … Wollen auch gar nicht die Masken lüften … Wozu?! Ich halte Sie für einen anständigen Menschen, und ich – ich habe nur ein einziges Mal in meinem Leben eine große Lumperei begangen, für die ich bitter genug bestraft worden bin. Heimat, Familie, Freunde – alles habe ich verloren. Ich heiße nicht Näsler, um es Ihnen gleich zu sagen. Ich nenne mich so, weil es zu mir paßt.«

      »Stimmt – Sie näseln wie ein Gardeleutnant in einem Lustspiel von ehedem …« und ich blickte ihn forschend an.

      Ein pfeilscharfer Blick traf mich aus graubraunen Augen. »Die meisten näselten, Herr Abelsen … Und trotzdem starben sie vor dem Feinde mit jener großen Selbstverständlichkeit, die Erbteil vieler Ahnen ist. Auch das Sterben will gelernt sein. Leute, die im Zivilberuf Leuchten der sogenannten Wissenschaft waren, benahmen sich wie Kinder vor dem Rohrstock …« Dann verstummte er jäh, machte ein unzufriedenes Gesicht und blinzelte in das Feuer. Er hatte für seinen Geschmack wohl schon zu viel verraten. – Ich dachte an meine tote Mutter, an die vergnügte Berlinerin – vergnügt vor der Ehe, als sie noch im Hause des Erbgrafen von Schleitz Erzieherin gewesen, als sie meinen Vater noch nicht kennengelernt hatte. Näslers letzte Sätze erinnerten mich so sehr an meiner Mutter Ansichten über alte Familien, Tradition und Vererbung. Auch wir Schweden haben unsere berühmten Geschlechter, und wenn bei uns auch das Volk, die Sozialisten, regieren, so wird es doch niemandem einfallen, Schwedens große Vergangenheit aus den Zeiten Gustav Adolfs, wo unsere Heere Berlin bedrohten und Pommern noch unser war, in den Schmutz zu ziehen. –

      Näsler nahm sein Monokel aus dem Auge und sprach weiter … »In Valparaiso kam ich auf den »Starost«. Das war ein jämmerlicher Rattenkasten aus Holz mit einer Maschine aus Olims Zeiten. Gehörte einem Sennor Garzia Turido, dieser »Starost«. Hatte Rohrteile für ein Wasserkraftwerk jeladen, Stücke von vier Meter Länge und drei Meter Durchmesser, Stahl, innen noch Patentbetonring, sehr druckfest. Im ganzen waren’s zehn solche Rohrstücke. Fünf waren oben an Deck festgezurrt. Hatten unten keenen Platz mehr. Die Besatzung alles Farbige außer mir und Turido und dessen Familie, – Frau, Sohn, zwei Töchter, alle erwachsen. Wollten Spanier sein, die Familie. Stimmte nicht. Was sie waren, mag der Deibel wissen. Aber jebildete Leute, Herr Abelsen, ohne Frage … Sehr jebildet und mal janz obenan jewesen – abjerutscht irgendwie … Nun hatten sie den »Starost« und machten Frachtfahrten, anjeblich. – Der alte Turido war ein unheimlicher Kerl. Der Sohn Leon noch mehr, und die Sennora ein Hochmutswrack. Auch mit Olga Turido war nicht warm zu werden. Die jüngste Tochter, Tatjana, hatte noch das beste Herz. – Nach Puerto de Corro sollten die Rohrteile – angeblich. Corro kennen Sie wohl, Herr Abelsen.«

      »Ja … Bei Valdivia …« und ich brühte den Tee auf.

      »Angeblich Corro … Alles angeblich, Herr Abelsen. Die Turidos logen wie gedruckt. Alle. Der Tatjana fiel’s am schwersten. Als der Äppelkahn, südwärts kriechend, die Höhe von Corro erreicht hatte, dachte der Kapitän nicht daran, die Bai von Valdivia anzulaufen. Dieser famose Kapitän war ein kleiner dicker Mestize, der der Signorita Olga auf Tod und Leben den Hof machte … Und sie spielte mit ihm wie die Katze mit der Maus. Nun liegt der gelobe Fettwanst gleichfalls ersoffen bei der Clarence-Insel, – erst besoffen, dann ersoffen. Ja – es jab überreichlich Alkohol auf dem »Starost«, und Freund Coy Cala wäre dort all seine Spulwürmer bestimmt losgeworden, hätte sich freilich auch das schöne Delirium Tremens geholt, genau wie der Niggerboy, der Kajütjunge, der … – doch davon später. – Bitte, füllen Sie mir den Becher, Herr Abelsen … Und bitte nur halb. Oben nauf dann Rum. Ich bin nämlich aus jener Jejend, wo der Mops die Kenigsbarjer Klops nich fressen wollte. Kennen Sie den ostpreußischen Vortragskünstler Robert Johannes? – So, vom Namen nach … War ein Verwandter von mir, das heißt: jeistig – auf dem Jebiet der Untugenden. Er trank und jeute, und ich hab’ beides auch mal aus dem ff gekonnt, besonders das Jeuen. In Monte verjuckste ich auf die Art mal ’n halbet Ritterjut … – So, der Maitrank schmeckt … Ihr Wohl, Herr Abelsen … Ick bin jetzt wahrhaftich wieder ick selbst jeworden. Was doch so ’n bißken Essen und Trinken macht! Übrijens – die Zijarren Ihres Freundes Holger Jörnsen sind rauchbar. An Bord des »Starost« jab’s pro Tag und Kopp dreißig Zijaretten, alle mit Opium präpariert … Ich sage Ihnen, als diese Zijarettenspende auf der Höhe von Valdivia bejann und als dazu noch die Rumration verdoppelt wurde, kamen die farbigen Halunken – es war das reinste Korps der Rache! – überhaupt nich mehr zu Verstand. Schon damals merkte ick wat, Herr Abelsen … Und von da an hielt ich die Augen doppelt gut offen, zumal meine kleine Freundin Tatjana gleichzeitig angeblich erkrankte – alles angeblich! – und nich mehr an Deck erschien …«

      Joachim Näslers Art zu erzählen machte mich langsam nervös. Er näselte tatsächlich, dieser Näsler, der nicht Näsler hieß, und ich hätte ihn bestimmt für einen verkrachten deutschen Offizier gehalten, wenn sein Benehmen nicht so ungeheuer widerspruchsvoll gewesen wäre. Jedenfalls: wenn er zu jener Sorte von internationalen Abenteurern gehörte, die jederzeit bereit sind, auch als Hochstapler sich zu betätigen, so war dieser talentierte Komödiant ohne Zweifel ein Meister seiner Zunft. Ihm das, was er mir hier jetzt als Erlebnis auftischte, ohne weiteres zu glauben, war von mir nicht gut zu verlangen. Ich wollte erst den Knalleffekt seiner Geschichte abwarten.

      »Weiter!« mahnte ich ungeduldig, denn wie sein Aufenthalt auf dem »Starost« ausgehen würde, interessierte mich tatsächlich, mochte er nun schwindeln oder nicht.

      »Jeduld, Herr Abelsen, Jeduld …« Und er schaute träumerisch zu den östlichen Uferhöhen hinüber, die jetzt im Abendrot wie blankes Kupfer leuchteten. »Ich könnte ja stundenlang reden, Herr Abelsen, wenn ich mich auf Einzelheiten einlassen wollte. Aber diese Einzelheiten fördere ich besser allmählich zutage. Der Gesamteindruck entscheidet. Ich weiß, daß Sie über meine Person noch nicht im klaren sind. Recht so von Ihnen. Allzu vertrauensselig ist dumm. Anderseits: Sie haben mir offen erklärt, daß die sogenannte Kulturwelt hauptsächlich wejen des hinter Ihnen erlassenen Steckbriefes für Sie erledigt ist … – Wenn der Coy dort unten nur nicht so brüllen wollte, der Prachtkerl! Das lenkt mich ab … – Coy, etwas piano, mein Sohn!« rief er dem Araukaner mit heller Stimme auf englisch zu …

      Coy verstand, winkte uns zu und schlug einen neuen Nagel ein …

      »… Daß der alte Garzia seine Jüngste zu Stubenarrest verurteilt hatte, gab eigentlich den Ausschlag, Herr Abelsen. Ich hütete mich vor den verdammten Zigaretten genau so wie vor dem Rum, und so kam’s denn, daß ich außer den Turidos auf dem »Starost« der einzige blieb, der seine fünf Jroschen beisammen behielt … Jroschen gleich

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