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mit ihren Hundegespannen angetroffen, im übrigen keine menschliche Seele, bis – – auf die klaren Anzeichen des Vorhandenseins des »Fremden«. Unter diesen Giljaken, die man als Ureinwohner Sachalins zu betrachten hat (sie sind als rein arktischer Volksstamm anzusprechen und mit den Ainos aus Nordjapan eng verwandt) hatten wir einen einzigen näheren Bekannten, der immer wieder um Tabak betteln kam, einen älteren Mann, der, obwohl er fertig englisch sprach, von verdächtiger Zurückhaltung blieb und zweifellos als Eigenbrödler eine etwas dunkle Vergangenheit zu verheimlichen hatte. Er nannte sich Chedee, und das war kein Name, sondern nur eine Bezeichnung für sein eigenes Volk, die sich auch Manguni, Flußmenschen, nennen. –

      Die Antwort auf meinen zweiten Anruf in die Grube hinab kam von rückwärts. Eine eigentümlich metallisch klingende Stimme sagte nicht einmal mit besonderem Kraftaufwand: »Lassen Sie Ihre Büchsen fallen!«

      In dieser Stimme lag trotzdem etwas Zwingendes, etwas nicht näher zu Bezeichnendes, das unbedingt Gehorsam forderte.

      Ich drehte langsam den Kopf, Gowin, temperamentvoller, suchte in der Grube auf dem Plankendeckel durch einen kühnen Sprung sicheren Schutz.

      Armer Gowin! Der Mann war flinker. Irgend etwas, das ich erst später als eine höchst primitive Waffe erkannte, flog Gowin gegen den Hinterkopf. Sein Sprung wurde ein Sturz, und unter dem Gewicht seines muskelstrotzenden Körpers brach die Falltür nach unten ein, und die durch biegsame, federnde Weidenstöcke gestützten Klappen schnellten wieder empor. Zuletzt sah ich Gowins Stiefel auf diese Weise verschwinden, – die Sohlen hatten mehr Flicken, als ein anständiger Stiefel haben darf. Dann erst wandte ich mich dem Fremden wieder zu, der zehn Schritt hinter uns in aller Stille auf einem Steine Platz genommen hatte und nunmehr, da ich meine Büchse preisgegeben, freundlich winkte …

      »Setzen Sie sich zu mir, Mr. Abelsen … Ich glaube, daß ohne Ihren Gowin die Unterhaltung zwischen uns in kultivierteren Formen sich abspielen wird. Er hat sich in seiner eigenen Wolfsgrube gefangen, – meine Schuld ist es nicht, der Mensch begann mir lästig zu werden. Wenn man auf Schritt und Tritt den Boden prüfen muß, ob nicht vielleicht darunter ein Loch sich befindet, hört jede Freude an meinem Beruf auf.«

      Es gibt Augenblicke im Leben, in denen selbst die besten Nerven und die erprobteste Schlagfertigkeit versagen.

      Ich hatte mir von dem Unbekannten längst ein Bild in meiner Phantasie entworfen, gestützt auf das Wenige, was von ihm bisher als unumstößliche Eigenschaften aus seinem Verhalten festzustehen schien. Noch niemals hatte ich mich so gründlich geirrt.

      Der Mann war klein, breitschultrig, hatte lange Affenarme, kurze Beinchen, einen runden, vergnügten, glatt rasierten Kürbiskopf und war in einen Sportanzug aus braunem Manchester gekleidet, trug sogar Kragen und sauber gebundene Krawatte mit einer Perle als Nadel, hatte tadellos saubere Hände, machte überhaupt einen sehr gepflegten Eindruck bis auf sein braunrotes borstiges Haupthaar, das zur Zeit trotz reichlicher Pomade die Scheitellinie nicht ganz einhielt.

      Ein Paar blaßgraue, eigentlich nichtssagende Augen musterten mich mit gutmütigem Spott, und die vorher so metallische Stimme fügte in zartestem Piano hinzu:

      »Mein Beruf ist nämlich Massieren, Pediküren, Maniküren, und ich kann wohl sagen, daß ich hier auf Sachalin glänzende Erfolge aufzuweisen habe. Setzen Sie sich doch.«

      Gowin in seiner Grube meldete sich durch einige schreckliche Töne, die entschieden dem Gebrüll kämpfender Kamelhengste glichen.

      Ich zögerte. Ein Blick nach dem Kleinen hin, und ich bückte mich … Ich wollte mich vor diesem Zwerg doch nicht allzusehr blamieren und griff nach meiner Büchse. Im selben Moment flog mir etwas mit unfehlbarer Sicherheit gegen den rechten gesenkten Arm, und ich konnte froh sein, daß ich nur mit einer blaugrünen Stelle davonkam.

      Das Etwas, das auch schon Gowin erledigt hatte, war eine Robbenkeule, also eine Holzkeule mit einem dicken Eisenring dicht unter dem Schlagende.

      »Lassen Sie das doch, Mr. Abelsen,« meinte der Manchestermann ein wenig nachdrücklicher. »Ich habe noch vier von diesen Dingern vor mir liegen, und ich verachte geradezu jede Schußwaffe, die nur unnötigen Lärm macht. Verzeihen Sie, – tut der Arm sehr weh?«

      Ich mußte lachen, ob ich wollte oder nicht. Der Kleine war ein besserer Komiker, als ich ihn je auf der Bühne gesehen habe. Sein Gesicht besaß eine unglaubliche Fähigkeit, sich den Worten anzupassen. Es hatte die Beweglichkeit und Dehnbarkeit von Kautschuk, und seine Miene, tief betrübt und mitleidig, gab dem kleinen Mund die Form eines abwärts gekehrten Halbkreises.

      Dann lachte auch er vergnügt und streckte mir die Hand hin. »Nichts für ungut, Mr. Abelsen …! Jeder ist sich selbst der Nächste, und eine Büchsenkugel als Visitenkarte schätze ich durchaus daneben.«

      Der Händedruck war meinerseits etwas flau.

      »Ich glaube, Sie sind Jongleur,« sagte ich nur und ließ mich auf einen Grasbüschel nieder. »Nur Jongleure schleudern eine Keule mit solcher Sicherheit – oder auch einige Indianerstämme der Pampas …«

      »Ich bin Jongleur,« meinte er durchaus ernst. »Ich bin alles … Als ich noch in Cambridge Medizin studierte, war ich der beste Golfspieler, als ich im Zuchthaus von Battersea saß, rühmte man meine Kunst als Ausbrecher. – Mein Name ist Howard Steenpool.«

      Er zog ein schwergoldenes Zigarettenetui und hielt es mir hin. »Bitte, echte Ägypter, direkt von Frafer u. Co. aus Kairo, ein Geschenk des Herzogs von Morgarde. Bedienen Sie sich …«

      Der Mann beunruhigte mich allmählich.

      Er reichte mir Feuer. Sein Feuerzeug war entschieden ebenfalls Gold, und an seinem linken Finger blitzte ein Brillant in Platinfassung von anderthalb Karat.

      Er rauchte drei Züge und schaute seitwärts nach dem Rabenschwarm hinüber.

      »Dort liegt ein totes Renn,« erklärte er. »Es war ein altes Stück, und es starb schmerzlos und lockte Sie beide hierher. Gowin ist ein Anfänger.«

      Was sollte ich sagen?!

      Ich schwieg. Die Zigarette war gut. Gowin meldete sich immer lebhafter.

      »… Trotzdem bin ich ihm zu Dank verpflichtet, Mr. Abelsen. Seine Falle fing mir ein kostbares Wild. Kennen Sie die Fürstin Zubanoff, Wera Zubanoff, geborene Baronin Ginnström ans Stockholm? – Nicht!? Sehr schade … Es lohnt. Sie ist blendend schön, nur etwas gefährlich. Ich kenne keine gebürtige Schwedin außer Selma Lagerlöff, die ein so umfassendes Wissen besitzt. Kluge Weiber werden entweder Schriftstellerinnen oder Abgeordnete oder Hochstaplerinnen mit einem Beigeschmack von Blut …«

      Er legte sein goldenes Etui auf seinen braunen großen Filzhut.

      »Wera Zubanoffs Hut war das zweite Lockmittel, Mr. Abelsen.«

      »Es scheint so,« – mehr wußte ich wirklich nicht zu erwidern.

      »Sie hat mir viel Mühe gemacht, Mr. Abelsen … Ich bin nun genau drei Monate hier, und Sie wissen, noch der April war verteufelt kühl. Überhaupt ein scheußliches Land, dieses Sachalin. So viel Nebel wie hier haben wir nicht mal in London.«

      Ich raffte mich zu einer entscheidenden Frage auf.

      »Sind Sie etwa Polizeibeamter, Mr. Steenpool?«

      Er lächelte erfreut. »Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen, Mr. Abelsen. Ich bin Oberinspektor bei der Abteilung D des Auswärtigen Amts und jage nur Edelwild. Die Zubanoff ist Edelwild. Es hätte keinen Zweck gehabt, etwa meinen Kollegen Emmerson auf ihre Spur zu setzen, denn Isaak Emmerson ist ein Mann mit zu viel Gefühl, und die Zubanoff weckt sehr leicht Gefühle. Bisher hat sie drei Kollegen in den Ruhestand wegen grober Pflichtverletzung verholfen. Liebe, sagen die Dichter. Blödsinn, sage ich. Ich habe nie geliebt. – Weiß der Teufel, weshalb die Zubanoff ausgerechnet hier nach Sachalin flüchtete!«

      Ich blickte ihn an. »Mr. Steenpool, so interessant Ihr Geplauder auch ist, – entschuldigen Sie schon: Wollen wir nicht klar und offen miteinander reden?«

      Seine verwaschenen Augen blinzelten ironisch.

      »Dann

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