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Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch. Walther Kabel
Читать онлайн.Название Science-Fiction-Romane: 33 Titel in einem Buch
Год выпуска 0
isbn 9788075835246
Автор произведения Walther Kabel
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
»Sie war häßlich und verblüht,« sage ich nochmals. »Es muß irgendeine Verbrecherin gewesen sein, Steenpool erklärte sich nicht näher … Mehr kann ich dir nicht mitteilen, Gowin. Die Sache ist ja auch durchaus gleichgültig.«
Ein Zug höhnischer Überlegenheit erscheint auf seinem Gesicht, das so sehr den Abbildungen des Golem gleicht, jenen aus schöpferischer Phantasie geborenen Bildern eines Rätselwesens, um das sich die Handlung eines der tiefsten deutschen Romane rankt, gegen den selbst der berühmte Saure Zwerg des wandelfähigsten aller Romanfabrikanten nur Literatenkaffeegewäsch bleibt.
Er schiebt den Teller mit einem Ruck von sich, er steht plötzlich auf, in seinen Zügen verdichtet sich der ungläubige Hohn zu offener Feindseligkeit. Seine Handbewegung ist unmißverständlich, sie besagt: Du lügst!
Es ist das erste Mal, daß zwischen uns ein ernsterer Zwist das Behagen stört. Gowin ist ärgerlich, er zeigt es mir, Heucheln widerstrebt ihm, könnte er sprechen, würde er mir sicherlich Dinge sagen, die mich erröten lassen.
Ich beginne meinen üblichen Verdauungsgang, während Gowin das Geschirr säubert. Nachher wird er die drei Fuchsbälge auf Bretter spannen und mit dem Schabemesser bearbeiten. Ich wandere nach links herum um die weite Bucht zum Vorgebirge. Das Meer hat sich völlig beruhigt, es ist Ebbezeit, und auf dem nun trockenen Strandstreifen liegen Seetangbänke, Muscheln, Riesenquallen, tote Fische, sogar ein riesiger Lachs, und Krebstiere in allen Formen eilen krabbelnd wieder ihrem zurückgewichenen heimatlichen Element zu. Die Krähen, Raben, Dohlen, Möwen und Albatrosse finden reiche Beute. Ein Tier frißt das andere, – es ist genau wie im Daseinskampf der Menschen, nur daß das Ebenbild Gottes die brutalste Bestie bleibt.
Ich fühle nach der Innentasche der Jacke, aber meine Zigarren habe ich neben meiner Schreiberei liegen lassen, und ohne Zigarre wäre dieser Gang im Mittagssonnenschein eine halbe Erholung. Ich kehre um, und ich komme am Fenster vorüber. Das Gras hier macht meine Schritte unhörbar. Ich stutze …
Gowin sitzt an dem selbstgezimmerten Schreibtisch und liest meine Notizen, die ich flüchtig mit Bleistift auf das Papier warf.
Ich trete schnell zurück. Er hat mich nicht gesehen, er glaubt mich längst weit weg.
Gowin ahnt nicht, daß ich erst in dieser Stunde erfahre, daß er lesen kann. Er hat mich bisher getäuscht, – ich sehe es an der Veränderung seiner Züge, daß er jetzt den Namen Zubanoff gefunden hat. Seine rechte Faust ballt sich, sein Gesicht wird zur drohenden Maske besinnungslosen Hasses, und die Faust trifft den Zettel, als ob das Papier der Kopf der schönen Wera wäre.
Ich schleiche wieder davon, aber nur bis zu den Büschen, verberge mich und warte.
Ich wußte: Eine Frau, und schon ist es vorüber mit der Kameradschaft, schon beginnen die Heimlichkeiten … Als Gott die erste Eva schuf, hätte er sie unbedingt nicht als Trägerin des Prinzips des großen Triebes in die Welt setzen sollen. Bei den Tieren sind zumeist die Männchen die schöneren Exemplare. Weshalb mußte das Weib in der Mehrzahl so begehrenswert gestaltet werden?!
Ich warte, und was ich erwarte, geschieht. Gowin erscheint bewaffnet um die Hausecke, auf dem Rücken den Tragsack aus Seehundsfell, – er äugt mit verkniffenen Lidern zum Vorgebirge, und dann schlägt er flüchtigen Schrittes die Richtung nach jenem Tale ein, in dem ich Wera sah und Wera nicht half.
Mein Entschluß steht fest. Ich gönne Gowin einen Vorsprung, dann rüste ich mich aus wie er, nehme Lebensmittel, Rauchfleisch, Büchsen, Hartzwieback und eine halbe Flasche Whisky und Zigarren, fünfzig Patronen …
Weiß ich, wie lange ich wegbleibe?
Weiß ich, ob ich diese Bucht je wiedersehe?!
Und der Hund?
Er liegt auf weichem Fellager und beobachtet mich. Die Haarzotteln hängen ihm über die Augen, und er scheint traurig zu sein. Das Auge des Hundes ist so ausdrucksfähig.
Dann erhebt er sich, hinkt zu mir, reibt seinen Kopf an meinem Knie und winselt leise.
Einen Moment nur kam mir der Gedanke, daß es unter diesen Umständen besser gewesen wäre, Chedee hätte ihn erschossen.
Ich schämte mich. Wrangel wird auch auf drei Beinen neben mir her humpeln. Vorhin hat er so gierig seine Mahlzeit verschlungen, krank ist er nicht, und eine solche Wunde wird ihn kaum weiter behelligen, diese halbwilden Giljakenhunde, dem Eskimohund halb verwandt, sind keine verzärtelten Salonhündchen. – Ich streichele ihn, und er … leckt mir die Hand … – –
… Er hat mir damals die Hand geleckt, und heute, jetzt schiebt er sich unter dem Tische meiner Mönchszelle hervor und sitzt neben mir und mahnt, daß auch er sein Frühstück gewöhnt sei. Er hat noch nie umsonst gemahnt. Er ist mir die einzige Erinnerung an die Frau geblieben, die ich so heiß begehrte und die mir doch entglitt …
Ich habe meinen Wrangel lieb. Sein gesträubter Schnurrbart, den ich ihm zurechtgestutzt habe, erinnert an die berühmte Fliege Papa Wrangels. – –
… Wrangel und ich werden jetzt Gowin folgen.
3. Kapitel
Nacht im Urwald
Wenn mir einmal irgendwie Zeitungen in die Hände geraten – hier auf Sachalin habe ich seit fünf Monaten nichts neu Gedrucktes gesehen, –, lese ich stets mit vielem Vergnügen gerade die Berichte jener Tintenfische, die heutzutage mit Flugzeug, Zeppelin, Auto und Luxuszug und Schnelldampfer ferne Gegenden abgrasen. Schade nur, daß die Herren zumeist jene Gebiete meiden, in denen nicht viel zu holen ist. Wer kennt Sachalin?! Es sind ein paar ausführliche Werke über diese langgestreckte Insel geschrieben worden. Der eine Autor bestreitet entschieden, daß auf Sachalin Tiger vorkommen. Der andere hält es für möglich. Keiner erwähnt die Wolfsmeuten, die Scharen verwilderter Hunde und die heißen Quellen mit ihrem überreichen Natrongehalt. In einem dieser siedenden Brunnen, die oben mit einer Salzkruste, Sand und Steinen bedeckt sind, versanken Margrit Jossis Gegner. Nie wieder hatte ich jene Stelle besucht.
Ich folgte Gowin, und das war nicht ganz leicht bei der Unübersichtlichkeit des Geländes und bei Gowins Fertigkeit, jede Spur hinter sich zu verwischen. Ich durfte mich nicht darauf verlassen, daß er nun wirklich als Ziel jenes Tal wählte. Gowins Heimlichkeiten vor mir konnten sich nicht nur auf die Anlage dieser Menschenfalle beschränken, nein, er mochte noch weit mehr auf einsamen Jagdzügen erspäht oder vorbereitet haben. Er hatte mich bisher so grob hintergangen, er hatte zweifellos all meine Notizen gelesen, und die bezogen sich zum Teil auch auf ihn. Ich zweifelte nicht, daß er auch schreiben konnte, vielleicht gar sprechen. Leute mit verstümmelten Zungen lernen es mit der Zeit sehr gut, Worte zu bilden, wenn es ihnen auch natürlich schwer fällt. Und das Schlimmste: Meine Notizen über ihn waren nicht eben schmeichelhaft für seinen Charakter, wiederholt hatte ich betont, daß Gowin mir innerlich niemals näherkommen würde, daß ich vieles an ihm fast abstoßend fand. Er war nicht gerade roh, aber als Jäger besaß er jene Kaltherzigkeit gegenüber wehrlosen Geschöpfen, die vielleicht dem Naturmenschen eigen sein mag, die man jedoch bei Halbgebildeten in gemilderter Form eines Fünkchens von Mitleid fordert. Nicht einmal Coy Cala hatte es fertig gebracht, ein angeschossenes Stück Wild sich selbst zu überlassen, damit es nicht elend unter Qualen verrecke. Oft hatten wir einen vollen Tag gebraucht, das waidwunde Stück zu finden, und nie werde ich vergessen, wie Coy, diese urwüchsige Kraftnatur, das Junge eines von einem Puma gerissenen weiblichen Pampashirsches vor sich in den Sattel nahm und es nachher daheim auf der Gallegos-Bucht mit der Flasche großzog und nachher laufen ließ. Er hatte ein Herz, er war vornehm trotz seines Trangestanks und seiner beispiellosen Tollkühnheit.
Gowin aber?! – Und doch: Tat ich Gowin nicht vielleicht unrecht, war er nicht vielleicht doch ganz anders geartet, als er sich mir gegenüber zeigte?! Was wußte ich von ihm?! Nichts!!