Скачать книгу

mit der Pille gewesen war. Und nun stand sie also vor dem Problem, daß sie ein Baby erwartete, das sie nicht gewollt hatte und nicht abtreiben durfte, weil ihr Verlobter Richard Schermann, der allgemein nur Ricky genannt wurde, sich wirklich ein Kind wünschte.

      Überhaupt war Ricky ein ziemlicher Familiennarr – eine Tatsache, die Livia von Anfang an bei ihm gestört hatte. Ständig sprach er von Heirat, und dann wollte er viele Kinder, weil er selbst als Einzelkind aufgewachsen war und sehr darunter gelitten hatte.

      Viele Kinder! Livia schnaubte verächtlich. Sie wollte überhaupt kein Kind. Kinder ruinierten nur die Figur, und später waren sie quengelnde Anhängsel, die an den Nerven ihrer Eltern zerrten.

      Jetzt bog Livia in die Villeneinfahrt der Manganos ein und hielt den schnittigen Sportwagen vor dem Portal an. Dienstbeflissen eilte der Chauffeur herbei, um Livia sofort die Wagenschlüssel abzunehmen. Er würde das Auto in die Garage fahren.

      Diesen Service war Livia so gewohnt, und sie würdigte weder den Chauffeur noch ihr Auto eines weiteren Blickes. Sie lief die Stufen hinauf und klingelte Sturm, denn wie immer hatte sie keinen Hausschlüssel mitgenommen.

      Der Butler Karl kannte das anscheinend gar nicht anders, denn ohne eine Miene zu verziehen, öffnete er die schwere eichene Haustür und deutete eine Verbeugung an, als Livia an ihm vorbeirauschte. Mitten in der Eingangshalle blieb sie stehen und drehte sich zu dem Butler um.

      »Ist mein Verlobter schon hier, Karl?« fragte sie, und ihre Stimme klang dabei befehlsgewohnt.

      Wieder deutete der Butler eine Verbeugung an. »Herr Schermann wartet im Blauen Salon, gnädige Frau.«

      Livia drehte sich auf dem Absatz um, ging auf eine der kunstvoll verzierten Türen zu und trat ein. Im selben Moment änderte sie sowohl ihr Auftreten als auch ihren Gesichtsausdruck. Mit einem strahlenden Lächeln ging sie auf den jungen Mann zu, der sich bei ihrem Eintreten umgewandt hatte.

      »Ricky, stell dir vor, wir werden ein Baby haben!« rief sie. »Ist das nicht wunderbar?«

      In Rickys Augen leuchtete es auf, dann schloß er seine Verlobte zärtlich in die Arme.

      »Eine größere Freude könntest du mir gar nicht machen, Liebling«, murmelte er in ihr Ohr. »Wann wollen wir heiraten?«

      Livia löste sich geschickt aus seiner Umarmung. »Aber, Ricky, wer wird denn gleich von Heirat sprechen. Wir sind doch noch so jung.«

      Rickys Stirn umwölkte sich. »Ich möchte aber nicht, daß unser Kind unehelich geboren wird.«

      Wenn es nach mir geht, dann wird es überhaupt nicht geboren werden, dachte Livia, laut jedoch sagte sie: »Ach, bis dahin ist noch eine Menge Zeit. Und außerdem möchte ich nicht mit dickem Bauch heiraten. Wir werden Hochzeit feiern, wenn das Baby hier ist.«

      Ricky wußte, daß es keinen Sinn hatte, ihr zu widersprechen. Wenn Livia einen Entschluß gefaßt hatte, dann war das meistens endgültig.

      »Gut, wie du meinst«, stimmte er zu, dann trat er an die Bar, um sich einen Cognac einzuschenken. »Möchtest du auch etwas, Liebling?«

      »Nein, danke, im Moment nicht«, lehnte sie ab, während sie zusah, wie Ricky zur Bar ging. Er bewegte sich dabei ohne Hast und so geschmeidig, daß man unschwer den Sportler erkennen konnte.

      »Livia, da bist du ja!«

      Der dröhnende Baß gehörte Luigi Mangano – Livias Vater. Jetzt trat er zu seiner Tochter und umarmte sie so herzlich, als hätte er sie seit Jahren nicht mehr gesehen. Und als er sich endlich von ihr löste, legte er mit geradezu besitzergreifender Geste einen Arm um ihre Schultern.

      In diesem Augenblick wurde Ricky wieder einmal bewußt, wie sehr Livia ihrem italienischen Vater glich – die dunklen Augen, das blauschwarz schimmernde Haar, das sie heute in einem kunstvollen Knoten hochgesteckt hatte. Es war eine ausgesprochen strenge Frisur, die durch die kleinen Löckchen, die sich über der Stirn ringelten, ein wenig aufgelockert wurde. Dazu das fast klassische Gesicht mit der schmalen, geraden Nase und dem feingeschwungenen sinnlichen Mund. Livia war der fleischgewordene Traum eines jeden Mannes, und Ricky war glücklich, daß es ihm vergönnt sein würde, dieses wunderschöne Mädchen eines Tages zum Altar führen zu dürfen. Daß damit gleichzeitig der Industriekonzern Luigi Manganos mit dem Unternehmen von Rickys Vater verheiratet wurde, stand für ihn dabei erst an zweiter Stelle. Vielleicht, weil er ein Leben lang reich gewesen war und es für ihn keinen Anlaß zu der Befürchtung gab, er könnte es irgendwann einmal nicht mehr sein.

      »Was hat Dr. Daniel gesagt?« fragte Luigi Mangano jetzt und riß Ricky damit in die Wirklichkeit zurück.

      Nur mit Mühe unterdrückte Livia einen Seufzer. Sie wußte, wie sehr sich ihr Vater nach Enkelkindern sehnte.

      »Meine Vermutung war richtig«, erklärte sie und brachte dabei wieder ein glückliches Lächeln zustande. »Ich erwarte ein Baby.«

      Luigi Mangano lachte auf. »Wunderbar! Meine Güte, wie freue ich mich, wenn hier erst mal ein halbes Dutzend kleine Manganos herumsausen.«

      »Schermanns«, berichtige Ricky schmunzelnd. »Schließlich wollen Livia und ich irgendwann heiraten.«

      »Richtig.« Luigi Mangano lachte dröhnend. »Aber ob Schermann oder Mangano – das ist doch völlig gleichgültig, solange die Babys hier der Reihe nach eintrudeln.«

      »Vorerst erwarte ich nur eines«, warf Livia verdrossen dazwischen.

      Und wenn alles so klappt, wie ich es mir vorstelle, dann wird nicht einmal das zur Welt kommen.

      *

      »Ich muß jetzt gehen, Frau Kampe«, erklärte Gesine Neumeister. »Sie kommen die letzten beiden Stunden doch sicher ohne mich aus.«

      Marina Kampe nickte. »Natürlich, Frau Neumeister. Sehr viel Betrieb herrscht heute sowieso nicht.«

      »Stimmt. Also dann, bis morgen.«

      Damit verließ sie die kleine Kinderboutique im Herzen von Bad Tölz. »Große Mode für kleine Leute« stand auf der alten Schiefertafel, die im Schaufenster lehnte.

      Marina sah ihrer Chefin nach, dann atmete sie auf. Heute war sie wirklich froh, Gesine Neumeister los zu sein. Normalerweise arbeiteten die beiden Frauen trotz des enormen Altersunterschiedes sehr gut zusammen, doch in den letzten Stunden hätte Gesine Neumeister ihre Angestellte beinahe auf die Palme gebracht. Ständig hatte sie etwas herumzunörgeln gehabt.

      »Wahrscheinlich Krach mit ihrem Alten«, murmelte Marina, dann mußte sie lachen. Solche Ausdrücke waren ihr normalerweise fremd, und außerdem kannte sie Herrn Neumeister ja gar nicht. Vielleicht war er ein gutaussehender Mittfünfziger mit grauen Schläfen und markantem Gesicht. Wieder mußte Marina lachen, dann entschloß sie sich, die neuen Kinderjeans auszupacken, die mit der letzten Lieferung gekommen waren. Jetzt hatte sie gerade Zeit, und die wollte sie nutzen.

      Marina war noch keine fünf Minuten im Lager, da hörte sie von draußen die zarte Melodie zu »Alle meine Entchen«, mit der sich die Ladentür öffnete.

      »Komme gleich!« rief sie, während sich die Tür mit »schwimmen auf dem See« wieder schloß.

      »Laß dir nur Zeit!«

      Marina erkannte die Stimme auf Anhieb, ließ die roten Jeans Größe 86 fallen und lief in den Laden hinaus.

      »Annemarie! Das ist aber eine Überraschung!«

      Am liebsten wäre sie ihrer Freundin um den Hals gefallen. Immerhin hatten sie sich ja seit fast einem Jahr nicht mehr gesehen.

      Auch Annemarie Klein strahlte über das ganze Gesicht.

      »Bad Tölz hat mich wieder«, erklärte sie. »Und ich kann dir gar nicht sagen, wie froh ich bin, endlich zu Hause zu sein.«

      »War’s nicht schön in Kanada?«

      Annemarie verdrehte schwärmerisch die Augen. »Traumhaft, Marina. Ich sage dir, diese Landschaft – einfach umwerfend.« Dann lachte sie. »Aber es geht eben nichts

Скачать книгу