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Daniel. Wenn Sie nicht gewesen wären…« Sie winkte ab. »Ach, daran mag ich lieber gar nicht denken.«

      »Bleiben Sie noch zum Kaffee?« wollte Gertraud Kufner wissen, und Dr. Daniel nahm dankbar an.

      Beim belanglosen Geplauder mit den beiden Damen verging die Zeit wie im Flug, und so brach die Abenddämmerung schon herein, als er sich auf den Heimweg machte. Zufrieden ging er durch den Ort, der ihm damals – nach der Heirat mit Christine – so rasch zur Heimat geworden war. Wie oft war er mit seiner Frau durch diese Gassen spaziert. Rasch schüttelte Dr. Daniel diese Gedanken ab. Sie wurden ihn nur schwermütig machen, und das sollte gerade heute nicht geschehen, nachdem er gesehen hatte, welch ein Glück er Johanna Köster und Gertraud Kufner mit Dr. Breuers Hilfe verschafft hatte.

      *

      Die Sprechstunde war eigentlich schon zu Ende, als Dr. Daniel noch überraschenden Besuch von Sandra Köster bekam.

      Mit einem herzlichen Lächeln ging der Arzt um seinen Schreibtisch herum und reichte der jungen Frau die Hand.

      »Frau Köster, ich freue mich, daß Sie mal bei mir vorbeischauen«, erklärte er, dann betrachtete er sie genauer. »Sie sehen sehr glücklich aus.«

      Sandra lächelte. »Das bin ich auch, Herr Doktor. Noch nie ist es mir so gut gegangen wie jetzt.«

      Mit einer einladenden Geste bot Dr. Daniel ihr Platz an, dann setzte auch er sich wieder.

      »Es gefällt Ihnen also bei uns in Steinhausen.«

      Sandra nickte. »Horst und ich möchten gar nicht mehr weg.« Sie senkte den Kopf. »Wenn ich daran denke, mit welchem Widerwillen ich hierher gezogen bin.« Dann sah sie den Arzt wieder an, und ihr Gesicht schien dabei von innen heraus zu strahlen. »Herr Doktor, mein heutiger Besuch bei Ihnen hat einen besonderen Grund. Ich glaube, ich bin schwanger.«

      »Das wäre schön, Frau Köster!« erklärte Dr. Daniel voller Überzeugung. »Und darüber werden wir uns auch gleich Gewißheit verschaffen.«

      Er stand auf und begleitete Sandra ins Labor hinüber.

      »Frau Kaufmann, darf ich Sie noch einen Augenblick vom verdienten Feierabend abhalten?« fragte er seine Sprechstundenhilfe.

      »Natürlich, Herr Doktor, worum geht’s denn?«

      »Machen Sie bei Frau Köster doch bitte einen Schwangerschaftstest«, bat Dr. Daniel, dann wandte er sich an Sandra. »Nachher kommen Sie wieder zu mir ins Sprechzimmer, ja?«

      Es dauerte kaum zwei Minuten, bis Sandra wieder zu Dr. Daniel kam, und wenig später brachte Lena Kaufmann das Ergebnis des Schwangerschaftstest. Und wie immer ließ sie es sich nicht nehmen, die freudige Nachricht selbst zu verkünden.

      »Positiv«, erklärte sie und strahlte dabei, als würde sie selbst das Baby bekommen.

      Sandra lachte glücklich auf. »Wie wird sich Horst freuen! Und Mutter erst! Sie wünscht sich doch schon so lange ein Enkelkind.«

      Dr. Daniel schmunzelte. Es war schön, daß die junge Frau im ersten Glück über ihre Schwangerschaft auch an ihre Schwiegermutter dachte, und das war für ihn ein weiterer Beweis dafür, wie sehr sie Johanna liebte.

      Auch die körperliche Untersuchung, die Dr. Daniel ebenfalls durchführte, gab keinen Anlaß zur Besorgnis.

      »Die Gebärmutter hat sich schön vergrößert«, meinte Dr. Daniel, und während sich Sandra wieder ankleidete, errechnete er den ungefähren Geburtstermin.

      »Ende Januar können Sie mit Ihrem Baby rechnen«, erklärte er, dann ergriff er Sandras Hand. »Ich freue mich sehr für Sie.«

      Da wurde die junge Frau plötzlich ernst. »Daß ich jetzt schwanger bin, ist vor allem Ihr Verdienst, Herr Doktor. Wenn Sie meiner Schwiegermutter nicht ins Gewissen geredet hätten…«

      »Ich bin froh, daß alles so gut abgegangen ist«, fiel Dr. Daniel ihr ins Wort. »Durch ein kleines, ehrliches Gespräch ist es mir gelungen, vier Menschen glücklich zu machen, und das ist für mich der schönste Lohn.«

      Sandra sah ihn an, dann meinte sie: »Sie sind nicht nur ein Arzt, Herr Dr. Daniel, Sie sind vor allem auch ein Mensch – der beste Mensch, der mir jemals begegnet ist… von Horst einmal abgesehen.«

      Dr. Daniel lachte. »Das will ich aber auch meinen.« Er zögerte, dann stellte er die Frage, die ihm am Herzen lag, doch, obwohl er sich die Antwort schon denken konnte. »Und wie ist Ihr Verhältnis zu Ihrer Schwiegermutter, seit sie ausgezogen ist? Ich frage nicht aus Neugier, sondern…«

      »Für diese Frage müssen Sie sich gewiß nicht entschuldigen, Herr Doktor«, entgegnete Sandra. »Sie haben das größte Recht zu erfahren, wie es jetzt bei uns läuft. Allerdings kann ich Sie beruhigen. Meine Schwiegermutter und ich verstehen uns besser als je zuvor. Wir sind richtige Freundinnen geworden, und das ist etwas, was ich mir noch vor drei Monaten nie und nimmer hätte vorstellen können. Sicher, ich hatte sie schon immer irgendwie lieb, aber jetzt ist sie für mich wie eine zweite Mutter.«

      Dr. Daniel nickte zufrieden. Das hatte er nur hören wollen. Es war für ihn eine Bestätigung, daß es sich lohnte, sich Tag für Tag für seine Patientinnen einzusetzen – und manchmal sogar für Menschen, die eigentlich nicht zu seinen Patientinnen zählten.

      Sandra stand auf und riß Dr. Daniel damit aus seinen Gedanken.

      »Nun will ich Sie nicht mehr länger aufhalten«, erklärte sie. »Sie haben sich Ihren Feierabend redlich verdient.«

      Mit einem herzlichen Händedruck verabschiedete sich Dr. Daniel von der jungen Frau, dann trat er ans Fenster und sah ihr noch nach, wie sie die Praxis verließ und in ihr Auto stieg.

      »Da haben wir ganze Arbeit geleistet.«

      Die Stimme des Pfarrers Klaus Wenninger ließ Dr. Daniel herumfahren.

      »Hochwürden, ich habe Sie gar nicht hereinkommen hören.«

      Der Pfarrer grinste. »Ich bin aber nicht wie ein Geist durch die Wand gekommen – ganz im Gegenteil. Ich habe sogar noch angeklopft.«

      Dr. Daniel lächelte. »Wahrscheinlich war ich in Gedanken.« Dann sah er den Pfarrer an. »Mir scheint, Sie wissen schon, daß Steinhausen einen neuen Erdenbürger erwartet.«

      Klaus Wenninger nickte, dann schränkte er ein: »Ich konnte es mir denken. Es gibt für eine junge Frau zwar eine Menge Gründe, einen Gynäkologen aufzusuchen, aber wenn sie seine Praxis mit einem so glücklichen Lächeln verläßt, dann kann das nur einen Grund haben.«

      »Sehr gut kombiniert«, meinte Dr. Daniel. »Sie hätten Detektiv werden sollen, Hochwürden.«

      Pfarrer Wenninger lachte. »Da haben Sie recht, und wer weiß – vielleicht verwandle ich mich noch in einen zweiten Pater Brown. Er hat ja die schwierigsten Kriminalfälle spielend gelöst – zumindest im Fernsehen.« Dann blickte er auf den inzwischen leeren Patientenparkplatz. »Ich wäre gern Mäuschen, wenn Johanna erfährt, daß sie Großmutter wird.«

      »Ich auch«, gestand Dr. Daniel. »Allerdings kann ich mir ihre Reaktion schon vorstellen. Sie wird überglücklich sein.«

      »Ja, das Leben der ganzen Familie verläuft jetzt in glücklichen Bahnen«, stimmte der Pfarrer zu. »Johanna hat eine Freundin gefunden, die sie nach Strich und Faden verwöhnen kann. Horst und Sandra dürfen endlich ihr eigenes Leben führen und werden bald Eltern. Was will man mehr vom Leben?«

      Dr. Daniel nickte. Liebe, Glück und Harmonie. Ja, was wollte man mehr vom Leben? Und die Gewißheit, daß er dieser Familie zumindest einen Teil ihres Glücks verschafft hatte, ließ eine tiefe Zufriedenheit in sein Herz ziehen.

Livia – eine Frau ohne Gewissen

      Dr. Robert Daniel war gerade im Begriff, das Untersuchungszimmer zu verlassen, als ihm seine Sprechstundenhilfe noch eine Patientin ankündigte.

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