Скачать книгу

daß sie ein Baby erwartete…

      Nur am Rande hörte Marina noch, wie die Empfangsdame ihr Verschiedenes mitteilte. In Gedanken war sie schon zu Hause und stellte sich vor, wie sie es Gerhard sagen würde. Doch vorher mußte sie noch in die Boutique. Frau Neumeister erwartete sie ab mittags.

      Noch nie war Marina ein Tag so endlos lang erschienen. Die Zeit im Laden wollte und wollte einfach nicht vergehen. Natürlich hätte sie Gerhard im Geschäft anrufen können, aber am Telefon wollte sie ihm die gute Nachricht nicht erzählen.

      Und dann war es endlich soweit, Frau Neumeister schloß den Laden ab. Strahlend stand Marina zehn Minuten später in dem überfüllten Bus – um sich herum lauter mißmutig dreinblickende Menschen, die vermutlich erst wieder lachen konnten, wenn sie das stickige Gefährt verlassen hatten.

      Eine halbe Stunde später war Marina zu Hause und wartete ungeduldig auf Gerhard. Er kam ein wenig später, als sie es gestern verabredet hatten, und war alles andere als gut gelaunt.

      Macht nichts, dachte Marina. Ich werde ihn gleich aufmuntern.

      »Liebling, ich habe…«, begann sie, doch Gerhard fiel ihr ungeduldig ins Wort: »Nun laß mich doch erst mal richtig hereinkommen. Hast du für mich ein Bier im Kühlschrank?«

      Während Marina das Gewünschte holte, ließ sich Gerhard mit einem tiefen Seufzer auf das Sofa fallen.

      »Mann, hatte ich heute einen Streß!« stöhnte er. »Du machst dir keine Vorstellung…« Er fuhr sich mit einer Hand durch das dichte dunkelblonde Haar. »Mein alter Herr versteht es hervorragend, mich zu schikanieren.«

      Marina stellte das Bier vor ihn auf den Tisch, dann machte sie einen zweiten Versuch.

      »Liebling, ich habe eine tolle Neuigkeit für dich.«

      Gerhard brachte ein Lächeln zustande, dann zog er Marina liebevoll in seine Arme. Vergessen war der Streß, von dem er noch kurz zuvor gesprochen hatte.

      »Eine tolle Neuigkeit?« wiederholte er fragend. »Das ist immer gut. Also, heraus damit.«

      »Ich bekomme ein Baby!« rief sie glückstrahlend aus. »Stell dir vor, Gerd, wir werden Eltern!«

      Entsetzt starrte Gerhard sie an.

      »Und das nennst du eine gute Neuigkeit?« brachte er nach Minuten des Schweigens endlich hervor. »Ich glaube, du bist verrückt, Marina. Ein Baby ist das Letzte, was ich… was wir brauchen können.«

      Marina fühlte sich wie in Eiswasser getaucht.

      »Wie bitte?« konnte sie nur mühsam fragen. »Aber… Gerd, wir lieben uns doch. Und nach allem, was du in den letzten Tagen gesagt hast… das ist… das kann doch nicht dein Ernst sein!« Und dann kam ihr ein neuer erschreckender Gedanke. »Klappt es mit der Scheidung nicht? Will Veronika dich nicht freigeben?«

      Gerhard zögerte. Sollte er das als Grund angeben?

      »Nein«, antwortete er schließlich. »Das ist es nicht. Wie ich dir vor zwei Wochen schon gesagt habe – die Scheidung ist nur noch eine Formsache, wobei… na ja, die Regelung der Vermögensverhältnisse gestaltet sich ein wenig schwierig, aber das soll nicht deine Sorge sein.«

      »Und warum freust du dich dann nicht über das Baby?« bohrte Marina weiter. Sie verstand Gerhards Reaktion einfach nicht.

      »Hör mal, Marina, du bist doch erst zweiundzwanzig«, versuchte sich Gerhard herauszureden. »Und mit unserer Hochzeit… na ja, das kann schon noch ein bißchen dauern. Wie gesagt, die Regelung der Vermögensverhältnisse…« Er seufzte. »Liebes, ich möchte nicht, daß unser erstes Kind unehelich geboren wird.«

      »Und was soll ich dagegen tun?« zwang sich Marina zu fragen. Sie ahnte Gerhards Antwort schon.

      »Tja…« Er wand sich sichtlich. »Weißt du… ich meine…, wir leben doch im zwanzigsten Jahrhundert. Heute muß man ein Baby nicht unbedingt bekommen, wenn man es nicht haben möchte.«

      »Du willst also, daß ich es abtreiben lasse.« Ihre eigene Stimme klang fremd in ihren Ohren.

      Gerhard stand auf und nahm sie liebevoll in den Arm. Marina ließ es geschehen, als wäre sie eine Puppe, die keinen eigenen Willen mehr hatte.

      »Marina, Liebling, sei vernünftig«, bat er leise. »Schau, ich tue doch alles, um die Scheidung voranzutreiben, aber so schnell geht das einfach nicht. Willst du vielleicht, daß unser Kind uns später einmal Vorwürfe macht, weil es unehelich geboren wurde?« Er küßte Marina sehr zärtlich. »Wir können doch später auch noch ein Baby haben.«

      In diesem Augenblick löste sie sich von Gerhard und trat einen Schritt zurück. Mit Augen, in denen ihre ganze Entschlossenheit geschrieben stand, sah sie ihn an.

      »Irrtum, Gerd«, erklärte sie fest. »Ich habe bereits ein Baby. Hier ist es.« Sie deutete auf ihren Bauch, dem man eine Schwangerschaft natürlich noch nicht ansah. »Und wenn du es nicht haben willst, dann geh. Wir beide kommen auch ohne dich zurecht.«

      Gerhard sah ein, daß er Marina verlieren würde, wenn er weiterhin auf einer Abtreibung bestehen würde. Wieder zog er das junge Mädchen in seine Arme.

      »Also schön, Liebes«, meinte er. »Wenn du dieses Baby unbedingt haben willst, dann soll es so geschehen. Vielleicht klappt es mit der Scheidung ja noch, bevor das Kleine geboren wird.«

      Tränen des Glücks stiegen Marina in die Augen.

      »Gerd«, stammelte sie. »Oh, Gerd, ich bin ja so froh! Einen Augenblick lang dachte ich schon, daß du…« Sie schob diese bedrohlichen Gedanken, die sie ergriffen hatten, rasch beiseite.

      Gerhard nahm sie in die Arme und drückte sie an sich. Auf diese Weise konnte sie nicht sehen, was sich in seinem Gesicht abspielte. Er war über diese Lösung nämlich alles andere als glücklich. Und er fragte sich, wie sein Leben jetzt weitergehen sollte. Schließlich hatte er niemals vorgehabt, sich von Veronika scheiden zu lassen.

      *

      »Du bist mit dem Taxi gekommen?« fragte Ricky bestürzt. »Ist etwas nicht in Ordnung, Livia? Gibt es Probleme mit der Schwangerschaft?«

      »Unsinn«, wehrte Livia ab. »Mit dem Baby läuft alles bestens. Ich war nur ein wenig schwindlig, und da habe ich gedacht, es wäre besser, nicht selbst zu fahren.«

      »Das war vollkommen richtig«, stimmte Ricky zu. »Und das nächste Mal begleite ich dich doch.«

      Ein nächstes Mal wird es nicht geben, dachte Livia und verspürte dabei wieder den dringenden Wunsch, sich zufrieden die Hände zu reiben.

      »Stell dir vor, Ricky, Dr. Daniel hat gesagt, daß ich sogar am Springturnier teilnehmen darf«, fuhr sie strahlend fort.

      Ricky runzelte die Stirn. »Wirklich? Also, ich weiß nicht… Nach allem, was ich gehört habe, soll Reiten während der Schwangerschaft nicht gerade ungefährlich sein. Du könntest stürzen und…«

      »Unsinn«, wehrte Livia entschieden ab. »Ich reite seit siebzehn Jahren, und meine Stürze kann ich an einer Hand abzählen. Keine Sorge, Ricky, es wird ganz bestimmt nichts passieren.«

      Trotz dieser beruhigenden Worte hatte Ricky ein ungutes Gefühl, schob es aber beiseite, als er zwei Tage später sah wie sicher Livia im Sattel ihrer Stute saß. Wahrscheinlich hatte sie recht. Solange die Schwangerschaft normal verlief, konnte wohl wirklich nichts passieren.

      *

      Marina Kampe erschien am Donnerstag abend pünktlich zu dem vereinbarten Termin bei Dr. Daniel. Und mit einem seligen Lächeln saß sie ihm gegenüber, als sie von ihrer beginnenden Schwangerschaft erzählte.

      »Ach, Herr Doktor, ich kann es schon gar nicht mehr erwarten, mein Baby endlich zu sehen«, erklärte sie zum Schluß.

      Dr. Daniel schmunzelte. »Damit werden Sie sich wohl noch eine Weile gedulden müssen, Frau Kampe. Wann war denn Ihre letzte Monatsblutung?«

      Marina nannte das Datum, und Dr. Daniel rechnete den ungefähren

Скачать книгу