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Читать онлайн.Zu einer Antwort kam Herbert nicht mehr, denn jetzt trat Luigi Mangano mit einem prachtvollen Grauschimmel zu ihnen.
»Livia, du bist gleich dran«, erklärte er, dann lächelte er Ricky und Herbert zu. »Nun, was würdet ihr sagen, wenn euch ein junges Mädchen überrunden würde, das noch dazu schwanger ist?«
Herbert winkte ab. »Bei mir ist das nicht allzu schwer.«
»Und mich stört es nicht, solange es sich um Livia handelt«, fügte Ricky mit einem liebevollem Lächeln hinzu, dann trat er zu seiner Freundin und half ihr in den Sattel ihrer Stute. Mit besorgtem Blick sah er zu ihr hinauf. »Geht es dir wirklich gut, Liebling? Du kannst immer noch auf den Start verzichten.«
Livia schüttelte den Kopf. »Mir geht es blendend. Von der Schwangerschaft merke ich gar nichts.«
Dabei wurden die Schmerzen von Minute zu Minute schlimmer, so daß Livia das Gefühl hatte, sich nicht mehr im Sattel halten zu können. Trotzdem lenkte sie ihre Stute jetzt zum Anfang des Parcours und wartete auf das Zeichen, daß sie Iosreiten durfte.
»Mir scheint, daß du dieses Jahr Konkurrenz bekommst«, meinte Herbert, während er und Ricky Livias Ritt verfolgten.
Ricky nickte. »Sieht ganz so aus.« Er lehnte sich an seinen Rappwallach und kraulte ihn hinter den Ohren. »Ich glaube, wir müssen uns für ein Stechen bereithalten, mein Junge.«
In diesem Moment fiel Livia vom Pferd, als wäre sie ein lebloses Bündel. Ricky stieß einen Schreckenslaut aus, dann lief er auf den Parcours und beugte sich über seine Verlobte.
»Hilf mir, Ricky!« stöhnte sie. »Es tut so weh.«
Im selben Moment bemerkte Ricky, wie sich Livias beigefarbene Reithose rot färbte.
»Einen Arzt! Schnell!« rief er, und seine Stimme überschlug sich dabei fast.
»Dr. Sommer.« Fast unhörbar kam Livias Stimme. »Die Klinik von Dr. Sommer.«
Luigi Mangano, der inzwischen ebenfalls herbeigeeilt war, hörte Livias Worte und gab sie sofort an den Nächststehenden weiter. Es dauerte keine fünf Minuten, bis das Martinshorn eines Krankenwagens ertönte. Dann liefen Sanitäter mit einer Trage auf den Parcours und hoben Livia darauf.
»Ich komme mit«, stieß Ricky hervor.
Der eine Sanitäter nickte nur. Hier war höchste Eile geboten, da wurde auf nutzloses Gerede verzichtet.
Als der Krankenwagen vor der Notaufnahme der Klinik hielt, eilten sofort zwei Pfleger mit einer fahrbaren Trage heraus. Und dann war auch schon Dr. Sommer zur Stelle. Der große, breitschultrige Mann warf nur einen kurzen Blick auf die Patientin, dann wandte er sich Ricky zu.
»Was ist passiert?«
Es fiel Ricky schwer, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Sie ist schwanger«, stammelte er. »Sie ist gerade vom Pferd gestürzt.«
Dr. Sommers Stirn zog sich in bedrohliche Falten. »Vom Pferd? Meine Güte, wie konnte sie denn in diesem Zustand reiten?«
»Aber… es lief doch alles bestens und… und Dr. Daniel hat selbst gesagt…«
»Darüber reden wir später, junger Mann«, fiel Dr. Sommer ihm ins Wort, dann verschwand er hinter der fahrbaren Trage im Operationssaal.
Wie betäubt blieb Ricky stehen. Was sollte er jetzt tun?
»Wo ist sie?«
Luigi Manganos dröhnender Baß ließ ihn herumfahren. Hilflos schluchzte Ricky auf.
»Sie wird wohl operiert«, brachte er mühsam hervor, dann schlug er die Hände vors Gesicht. »Wenn sie das Baby verliert… o Gott, daran geht sie zugrunde.«
Luigi Mangano seufzte. »Das fürchte ich auch. Sie hat sich so darauf gefreut.«
Kraftlos ließ er sich auf die Kunststoffbank fallen, die hier im Flur stand, während Ricky unruhig auf und ab ging. Es schien ihm eine Ewigkeit zu verstreichen, bis Dr. Sommer endlich wieder auf den Flur trat. Mit teilnahmsvoller Miene ging er auf Ricky zu.
»Es tut mir leid«, meinte er. »Ich konnte den Abgang nicht mehr verhindern.«
Aufstöhnend schlug Ricky die Hände vors Gesicht.
»Und… wie geht’s meiner Tochter?« wollte Luigi Mangano wissen.
»Den Umständen entsprechend«, antwortete Dr. Sommer. »Sie hat viel Blut verloren, und ich mußte die Gebärmutter ausschaben. Aber bis in ein paar Tagen wird sie sich zumindest körperlich wieder besser fühlen.«
Luigi Mangano nickte. »Kann ich… ich meine, können wir zu ihr?«
»Sie ist noch nicht aus der Narkose erwacht«, entgegnete Dr. Sommer. »Aber Sie können gern zu ihr hineingehen und warten, bis sie zu sich kommt.« Dann wandte er sich Ricky zu. »Mit Ihnen hätte ich allerdings gern noch gesprochen.«
Ricky nickte ergeben. Wortlos folgte er dem Chefarzt zu seinem Büro und nahm auf seine Aufforderung hin Platz. Seine Bewegungen waren eckig… mechanisch – wie bei einer Puppe, die man aufgezogen hatte.
»Sie erwähnten vorhin Dr. Daniel«, begann Dr. Sommer das Gespräch. »War Ihre Verlobte bei ihm in Behandlung?«
»Ja«, flüsterte Ricky. »Sie… sie wollte zu keinem anderen Arzt.« Und plötzlich flackerte es in seinen Augen auf. »War es sein Fehler, daß Livia das Baby verloren hat?« Er beantwortete sich seine Frage gleich selbst. »Ja, so muß es gewesen sein. Schließlich hat er behauptet, das Reiten würde ihr nicht schaden. Ich hatte immer Bedenken, aber…«
»Augenblick mal, junger Mann«, fiel Dr. Sommer ihm energisch ins Wort. »Ich kenne Dr. Daniel seit vielen Jahren, und ich würde einen Besen fressen, wenn er tatsächlich gesagt hätte, daß Reiten in ihrem Zustand ungefährlich sei. Außerdem verliert man ein Baby nicht einfach so. Eine Fehlgeburt kündigt sich an. Wann war Ihre Verlobte zum letzten Mal bei Dr. Daniel?«
Ricky überlegte, doch sein Gehirn weigerte sich, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Ich… ich weiß nicht mehr«, stammelte er. »Dienstag oder Mittwoch. Es war jedenfalls in dieser Woche.«
»Gehen Sie jetzt zu Ihrer Verlobten«, riet Dr. Sommer. »Ich werde die Sache mit Dr. Daniel persönlich klären.«
*
Dr. Daniel hatte gerade ein Buch zur Hand genommen und wollte es sich im Wohnzimmer gemütlich machen, als das Telefon klingelte. Mit einem tiefen Seufzer legte er das Buch zur Seite, zögerte noch einen Moment, meldete sich dann aber doch. Es konnte ja immerhin etwas Dringendes sein.
»Grüß dich, Robert, hier ist Schorsch«, gab sich Dr. Sommer zu erkennen.
Dr. Daniel erschrak. »Ist etwas mit Frau Kampe?«
»Nein, nein, keine Sorge«, beruhigte Dr. Sommer ihn sofort. »Der HCG-Wert ist in den letzten beiden Tagen gesunken. Es sieht aus, als würde die Schwangerschaft verkümmern. Allerdings…, seit heute habe ich eine andere Patientin von dir aufgenommen. Livia Mangano.«
»Wie bitte?« fragte Dr. Daniel überrascht. »Aber… sie hat am Freitag noch angerufen und gesagt, es wäre alles wieder in Ordnung.«
»Was heißt das, Robert?« hakte Dr. Sommer nach.
»Frau Mangano hatte Blutungen, und ich habe ihr daraufhin strikte Bettruhe verordnet«, erklärte Dr. Daniel. »Eigentlich wollte ich sie ja zu dir in die Klinik schicken, aber das hat sie abgelehnt.«
»Genauso habe ich es mir vorgestellt.« Dr. Sommer seufzte. »Frau Mangano hatte vor wenigen Stunden eine Fehlgeburt.«
»O nein!« stöhnte Dr. Daniel auf.
»Als sie zu mir in die Klinik kam, war es schon zu spät. Ich konnte nur noch die Gebärmutter ausschaben, damit