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Mal erzählen.«

      Karl nickte zustimmend, dann geleitete er seine Tochter in das fremdartig eingerichtete, aber trotzdem sehr gemütliche Haus. Und im Laufe der nächsten zwei Stunden erfuhr Lean­dra, auf welch abenteuerliche Weise das Leben ihrer Eltern verlaufen war.

      »Dann sind Ahilleas und ich eigentlich Prinz und Prinzessin«, meinte Leandra nachdenklich.

      Inge schüttelte den Kopf. »Nein, mein Kind, den Adelstitel haben wir endgültig abgelegt, und ich kann dir nur raten – sei froh, daß du niemals eine Prinzessin sein wirst.«

      »Und wenn überhaupt, dann nur meine Prinzessin«, warf Christian dazwischen.

      Alle mußten lachen, und dieses Lachen vertrieb endgültig die Schatten der Vergangenheit. Sie wollten nichts anderes mehr sein als eine ganz normale Familie.

      *

      Die Wochen auf Kreta vergingen wie im Flug. Leandra blühte förmlich auf. Sie spürte eine Kraft in sich, die sie in den Wochen ihrer Krankheit immer mehr verloren hatte. Auch ihr Haar begann jetzt endlich wieder zu wachsen. Im Augenblick waren es nur kurze Stoppeln, aber die kamen so dicht, daß man ihre spätere Haarpracht schon ahnen konnte.

      Und dann, wenige Tage vor der Abreise nach Deutschland, fühlte Lean­dra zum ersten Mal dieses eigenartige Ziehen in der Brust. Auch ihre Tage waren überfällig, doch das hatte sie zunächst der Klimaveränderung zugeschrieben. Jetzt sah sie dieses Ausbleiben plötzlich in einem völlig anderen Licht. Sollte es bedeuten, daß sich ihr größter Wunsch endlich erfüllen würde?

      Sie wagte es nicht, Christian von ihrem Verdacht etwas zu sagen. Erst mußte sie sicher sein.

      Dann war es soweit. Die Abreise nach Deutschland stand unmittelbar bevor, und der Abschied von ihren Eltern und ihrem Bruder fiel Leandra sehr schwer, doch sie versprachen sich gegenseitig immer wieder, sich nie mehr aus den Augen zu verlieren. Inge, Karl und Ahilleas hatten insgeheim gehofft, Leandra würde Kreta ebenfalls zu ihrer Heimat machen, doch sie fühlte sich in Deutschland doch mehr zu Hause. Außerdem hatte Christian dort seine Arbeitsstelle, und als Hoch- und Tiefbauingenieur hätte er es auf Kreta vermutlich nicht leicht gehabt, eine Stellung zu finden.

      »Bereust du deinen Entschluß nicht?« wollte Christian wissen, als das Flugzeug von der Startbahn abhob. »Immerhin läßt du deine Eltern und deinen Bruder hier zurück.«

      Leandra blickte aus dem Fenster, dann wandte sie sich ihrem Mann zu und lächelte. »Nein, Chris, ich bereue es nicht. Ahilleas kam als Dreizehnjähriger nach Kreta. Er verbindet mit diesem Land einen Teil seiner Kindheit. Ich aber bin in Deutschland aufgewachsen, und jetzt bin ich dort mit dir verheiratet.« Zärtlich drückte sie seine Hand. »Ich freue mich auf zu Hause.«

      Am späten Freitagnachmittag kamen sie in ihre kleine Wohnung, und am Montag – Christian war gerade zur Arbeit gefahren – machte sich Lean­dra auf den Weg nach Steinhausen. Natürlich hätte sie genausogut zu jedem anderen Frauenarzt in München gehen können, doch sie wollte unbedingt zu Dr. Daniel. Immerhin verdankte sie ihm ihr Leben. Hätte er nicht nach ihrer Mutter und ihrem Bruder gesucht, dann wäre sie jetzt wahrscheinlich schon längst tot.

      *

      Der Montagvormittag verlief ausgesprochen ruhig – eine Seltenheit in Dr. Daniels Praxis. Jetzt trat Lena Kaufmann ein und legte eine neue Karteikarte auf seinen Schreibtisch.

      »Die Patientin ist nicht angemeldet«, erklärte sie lächelnd. »Aber ich glaube, Sie werden sich trotzdem freuen, sie zu sehen.«

      Erstaunt sah Dr. Daniel seine Sprechstundenhilfe an, dann warf er einen Blick auf die Karte. Leandra Schütz. Rasch stand er auf.

      »Bringen Sie sie herein«, bat er, konnte es aber nicht mehr erwarten, die junge Frau zu sehen, und trat deshalb gleich auf den Flur.

      Was er dann sah, ließ ihm den Atem stocken. Leandra Schütz hatte nicht die geringste Ähnlichkeit mehr mit dem blassen jungen Mädchen, das einst in seine Praxis gekommen war.

      »Meine Güte, haben Sie sich aber verändert«, entfuhr es ihm.

      Leandra lachte. »Hoffentlich zu meinem Vorteil.«

      »Sie verstehen es ausgezeichnet zu kokettieren«, meinte Dr. Daniel, dann wies er auf die beiden Sessel, die vor seinem Schreibtisch standen. »Bitte, Frau Schütz, nehmen Sie Platz.«

      Leandra kam seiner Aufforderung nach, dann zog sie ihre Langhaarperücke herunter. »Schauen Sie mal, bald kann ich auch ohne gehen.« Sie fuhr mit einer Hand über ihre dunklen Stoppeln. »Und ich glaube, sie werden noch dichter, als sie früher waren.«

      Mit einem erleichterten Seufzer lehnte sich Dr. Daniel auf seinem Ledersessel zurück. »Es ist eine Wohltat, Sie so zu sehen, Frau Schütz. Und ich finde es unheimlich nett, daß Sie mich besuchen, um mir zu zeigen, wie gut es Ihnen geht.« Er wurde ernst. »Ich habe seit Ihrem ersten Besuch hier mit Ihnen gelitten.«

      »Ich weiß, Herr Doktor«, entgegnete Leandra. Auch sie war jetzt ernst geworden. »Und ich verdanke Ihnen mein Leben.« Dann lächelte sie wieder. »Aber ich bin nicht nur gekommen, um Ihnen zu zeigen, daß ich wirklich geheilt bin, sondern…« Sie machte eine geheimnisvolle Pause. »Ich glaube, ich bin schwanger.«

      Dr. Daniel sprang auf. »Wirklich? Na, das werden wir gleich feststellen.« Mit einer sanften Geste nahm er Leandra am Arm. »Kommen Sie, Frau Schütz, wir gehen rasch ins Labor. Dort wird Frau Kaufmann einen Schwangerschaftstest vornehmen. Anschließend kommen Sie wieder zu mir zur Untersuchung.«

      Leandra hatte das Sprechzimmer des Arztes gerade wieder betreten, als Lena Kaufmann auch schon mit strahlendem Gesicht hereinkam.

      »Positiv«, verkündete sie.

      Leandra preßte vor Aufregung beide Hände vor den Mund.

      »Ein Baby«, brachte sie hervor. »Ich bekomme endlich ein Baby.«

      Dr. Daniel begleitete sie ins Nebenzimmer hinüber, doch auch die Untersuchung ergab keinen negativen Befund. Die Gebärmutter hatte sich bereits vergrößert.

      »Sie ahnen nicht, wie sehr ich mich für Sie freue«, erklärte Dr. Daniel, bevor er sich von ihr verabschiedete. »Der Weg nach Steinhausen ist zwar ein bißchen weit, aber ich würde mich trotzdem freuen, wenn Sie zu den Vorsorgeuntersuchungen zu mir kommen würden.«

      »Natürlich komme ich!« bekräftigte Leandra. »Schließlich war Ihnen für mich auch kein Weg zu weit.«

      *

      Leandra hielt ihr Versprechen und kam vier Wochen später zur nächsten Vorsorgeuntersuchung.

      »Nun, was hat Ihr Mann zu der freudigen Nachricht gesagt?« fragte Dr. Daniel, nachdem Leandra ihm gegenüber Platz genommen hatte.

      »Er weiß es noch nicht«, gestand sie. »Wissen Sie, Chris hat morgen Geburtstag, und das Baby, das ich erwarte, soll mein Geschenk für ihn sein.«

      Dr. Daniel senkte für einen Augenblick den Kopf. »Ein solches Geschenk habe ich auch einmal bekommen.« Dann schüttelte er die schmerzlichen Gedanken an seine verstorbene Frau ab und lächelte Leandra an. »Das ist eine sehr gute Idee. Ich bin sicher, daß Ihr Mann sich riesig freuen wird.«

      Leandra nickte. »Davon bin ich überzeugt.«

      Und dann hatte Dr. Daniel eine Idee.

      »Wissen Sie was, Frau Schütz, ich gebe Ihnen heute etwas mit, damit Sie Ihrem Mann das Geschenk auch einpacken können«, erklärte er mit einem spitzbübischen Lächeln.

      Verständnislos starrte Leandra ihn an. »Wie bitte?«

      »Wir machen eine Ultraschallaufnahme, und die können Sie mit nach Hause nehmen. Erfahrungsgemäß sieht man als Laie auf diesen Fotos nicht sehr viel, aber allein die Tatsache, daß es sich dabei um das eigene Kind handelt, macht ein solches Bild schon fast zu einem Wertgegenstand.« Er erhob sich und begleitete Leandra in das Untersuchungszimmer.

      »Sie kennen das Spielchen ja schon«, meinte er.

      Leandra nickte

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