Скачать книгу

Chefarzt ließ nicht mit sich reden.

      »Kommen Sie mit«, verlangte er nur, steuerte aber nicht Leandras Zimmer an, sondern das von Silvia Burgner.

      »Tut mir leid, wenn ich störe«, meinte er, dann sah er die Patientin an. »Man sagte mir, daß Sie ein bißchen Angst haben.«

      Silvia errötete. »Nicht so schlimm, Herr Professor. Dr. Daniel hat mich schon beruhigt. Es…, es war nur wegen der…, der Narben.«

      »Ach so. Das sollte Ihnen aber der Stationsarzt schon erklärt haben.«

      Silvia nickte hastig. »Hat er auch, Herr Professor, aber…, nun ja…, wie soll ich sagen… Dr. Scheibler ist sehr nett, aber…«

      »Zu Ihrem Arzt haben Sie halt mehr Vertrauen.« Professor Thiersch nickte. »Verständlicherweise.« Er warf Dr. Daniel einen kurzen Blick zu, bevor er Silvia wieder anschaute. »Dr. Daniel ist ein guter Arzt – er hat bei mir gelernt.« Dann stand er auf und reichte Silvia die Hand. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Burgner. Es kommt alles in Ordnung.«

      Er verließ das Zimmer. Dr. Daniel nickte dem Ehepaar Burgner kurz zu, bevor der dem Chefarzt folgte.

      »Was hatte das jetzt zu bedeuten?« wollte er wissen. »Dieser Besuch hier war doch völlig unnötig. Ich hatte die Patientin ja schon vorher beruhigt.«

      Der Professor nickte. »Weiß ich, aber ich will Sie zappeln lassen – so lange wie möglich.«

      Dr. Daniel seufzte. »Na schön, was haben Sie noch alles vor, ehe Sie mir das Ergebnis der Blutuntersuchung mitteilen?«

      Der Ansatz eines Lächelns huschte über Professor Thierschs Gesicht. »Gar nichts mehr. Wir gehen jetzt zu Frau Schütz, dann werden Sie von Ihrer Folter erlöst.«

      Inge Herzog, Ahilleas und auch Christian Schütz saßen bei Leandra am Bett, und Dr. Daniel konnte nur staunen, welche Veränderung innerhalb eines Tages mit dem jungen Mädchen vorgegangen war. Ihre Haut war zwar noch immer von fast durchscheinender Blässe, und sie mußte liegen, weil sie zu schwach war, um in aufrechter Position zu sitzen, aber ihre Augen leuchteten, und ein glückliches Lächeln lag auf ihrem Gesicht.

      Christian Schütz sprang auf, als er Dr. Daniel sah, und drückte ihm voller Herzlichkeit die, Hand. »Herr Doktor, ich danke Ihnen. Ich…, ich weiß nicht, was ich sagen soll…« Er senkte den Kopf. »Ich habe nicht mehr daran geglaubt.«

      Professor Thiersch unterbrach diese Szene.

      »Wir wollen nicht lange darum herumreden«, erklärte er in seiner strengen Art. »Die Blutproben haben gezeigt, daß Frau Herzog als Spenderin nicht in Frage kommt.« Er sah das Entsetzen auf Leandras Gesicht und hob eine Hand. »Langsam, langsam, kleine Frau, ich bin noch nicht fertig. Ab morgen werden wir Ihr gesamtes Knochenmark funktionsunfähig machen, und sobald das geschehen ist, kommt Ihr Bruder auf den Operationstisch. Sein Gewebetyp ist dem Ihren so ähnlich, daß man fast denken könnte, es wäre dasselbe.«

      In Leandras Augen leuchtete es auf. »Heißt das…, ich werde… gesund?«

      Professor Thiersch warf Dr. Daniel einen provozierenden Blick zu.

      »Für solche Prognosen ist der Kollege Daniel zuständig«, meinte er, dann nickte er allen Anwesenden knapp zu. »Einen schönen Sonntag noch.« Er war bereits an der Tür, da drehte er sich noch einmal um. »Frau Schütz, morgen früh werden wir Sie auf die Isolierstation verlegen, um einer möglichen Infektion vorzubeugen.«

      Damit verließ er das Zimmer endgültig.

      »Puh«, stöhnte Ahilleas auf. »Der hat aber eine ganz besondere Art, mit Menschen umzugehen.«

      Dr. Daniel lächelte. »So ruppig, wie er tut, ist er nicht, und das Wohl seiner Patienten liegt ihm sehr am Herzen, obwohl er es sich nicht anmerken läßt. Mit seinen Ärzten ist er allerdings entsetzlich streng. Das habe ich am eigenen Leibe erfahren. Ich habe meine Assistenzzeit hier an der Klinik absolviert, und ich kann Ihnen versichern, das waren zwei harte Jahre.«

      »Das glaube ich Ihnen unbesehen«, meinte Ahilleas, dann wandte er sich seiner Schwester zu und berührte sanft ihre Hand. »Wir beide werden also bald noch mehr sein als nur Geschwister.«

      Leandra nickte mit einem glücklichen Lächeln. »Ja, Ahilleas, durch dich darf ich weiterleben.«

      *

      Als Silvia Burgner aus der Narkose erwachte, stand Dr. Scheibler neben ihrem Bett.

      »Nun, wie fühlen Sie sich?« fragte er in freundlichem Ton.

      »Ich…, ich weiß nicht«, krächzte Silvia. Sie räusperte sich, doch ihre Stimme wurde deswegen nicht klarer. »Ich fühle mich…, ich weiß nicht.«

      Dr. Scheibler lächelte. »Das ist nicht gerade eine erschöpfende Auskunft. Ihre Stimme wird übrigens bald besser werden. Der rauhe Hals kommt von der Narkose. Aber die Operation ist gut verlaufen.«

      Dann wandte er sich um und rief eine Schwester heran.

      »Bringen Sie Frau Burgner auf die Station«, erklärte er.

      Mehr bekam Silvia nicht mehr mit. Ihre Augenlider wurden wieder schwer, und kurz darauf war sie fest eingeschlafen. Als sie zum zweiten Mal erwachte, saß Anna Deichmann an ihrem Bett. Die vierjährige Tanja stand mucksmäuschenstill neben ihr, während der zweijährige Stefan auf Annas Schoß ein wenig zu quengeln begann.

      Mit einem strahlenden Lächeln versuchte sich Silvia aufzurichten, doch das war ein wenig schwierig, weil sie von der Narkose immer noch ziemlich benommen war. Und auch ihre Kinder konnte sie nur liebevoll streicheln, obwohl sie sie liebend gern in die Arme genommen hätte.

      »Dr. Scheibler hat mir erlaubt, mit den Kindern zu warten, bis Sie aufwachen«, erklärte Anna. »Und die Kleinen waren dann auch mustergültig brav. Allerdings…, lange dürfen wir nicht bleiben. Am Operationstag sind Besuche eigentlich überhaupt nicht gestattet.«

      »Frau Deichmann, ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich Ihnen bin«, beteuerte Silvia wieder. »Sie haben meinen Mann und mich buchstäblich gerettet.«

      Bescheiden winkte Anna ab. »Nicht der Rede wert, Frau Burgner. Ich habe Ihnen doch schon gesagt, daß ich froh bin, wenn ich mal gebraucht werde. Außerdem…«

      »Oma! Komm! Spielplatz!« rief Stefan fordernd.

      »Oma?« wiederholte Silvia erstaunt. »Aber, Stefan, du kannst doch zu Frau Deichmann nicht einfach Oma sagen.«

      »Oma hat es uns aber erlaubt!« bekräftigte Tanja. »Sie hat gesagt, sie wäre gern eine Oma.«

      Annas glückliches Lächeln bewies, daß die kleine Tanja die Wahrheit sagte.

      Jetzt stand Anna auf. »Ich glaube, wir müssen uns verabschieden. Ich habe den beiden versprochen, daß wir noch zum Spielplatz gehen, wenn sie recht brav sind. Und außerdem tut es Ihnen sicher gut, wenn Sie noch ein bißchen Ruhe haben.«

      Silvia lächelte. »Danke, Frau Deichmann. Sie sind wirklich ein herzensguter Mensch.«

      *

      Anna Deichmann war so glücklich wie nie zuvor. Jedesmal, wenn Tanja oder Stefan »Oma« zu ihr sagten, flog ein glückliches Leuchten über ihr Gesicht. Und mit Richard Burgner hatte sie sich auf den Vornamen geeinigt. Sie fand das persönlicher, und Richard war ganz ihrer Meinung. Außerdem hatte er die gütige Frau in den vergangenen Tagen sehr lieb gewonnen, was durchaus auf Gegenseitigkeit beruhte.

      Um so besorgter sah Anna der baldigen Entlassung Silvias entgegen. Sie wußte, wenn Silvia erst wieder zu Hause war, dann würde sie bald nicht mehr gebraucht werden, und ihr eintöniges, freudloses Leben würde wieder von vorn beginnen.

      »Anna, was bedrückt Sie denn so?« wollte Richard schließlich wissen. »Wird Ihnen die Arbeit zuviel? Sind Tanja und Stefan zu anstrengend?«

      »Aber nein, ganz im Gegenteil«, antwortete Anna hastig, dann senkte sie den Kopf. »Es ist vielmehr…, ach, machen Sie sich keine Gedanken. Das ist allein mein Problem.«

Скачать книгу