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Daniel lächelte. »Dasselbe könnte ich Sie auch fragen.«

      »Keine Frechheiten bitte! Das hier ist immerhin meine Klinik.« Dann musterte er die Frau in Dr. Daniels Begleitung. »Wer sind Sie?«

      »Das ist die Mutter von Leandra Schütz«, antwortete Dr. Daniel, bevor Inge etwas sagen konnte. »Die leibliche Mutter.«

      Professor Thierschs Stirn zog sich in bedrohliche Falten. »Sieh an, die Prinzessin, deren Ruf nicht geschädigt werden sollte.«

      »Nein, Herr Professor, das ist ein Irrtum«, entgegnete Inge gelassen. »Ich bin keine Prinzessin. Inge Herzog ist mein Name.«

      Mit einem Ruck wandte sich der Professor Dr. Daniel zu. »Sie haben mir doch erzählt, daß…«

      »Ich weiß, Herr Professor«, fiel Dr. Daniel ihm ins Wort. »Frau Herzog hat recht. Es handelte sich wirklich um einen Irrtum.«

      Noch tiefer gruben sich die Falten in Professor Thierschs Stirn. »Ich sag’s ja – Nachlässigkeiten. Als Sie noch bei mir waren, wäre Ihnen das nicht passiert.« Dann wandte er sich Inge wieder zu. »Kommen Sie mit. Wir machen gleich eine Blutprobe, damit wir wissen, ob Sie sich als Spenderin eignen. Wenn nicht, dann war die ganze Suche umsonst.«

      »Wie geht es meiner Tochter?« fragte Inge in banger Erwartung.

      Und plötzlich war der barsche Ton in Prof. Thierschs Stimme verschwunden. »Nicht sehr gut, Frau Herzog. Sie steht an der Kippe zwischen Leben und Tod. Wir kämpfen mit dem Rücken zur Wand, weil Ihre Tochter nicht mehr leben will. Sie hat sich ein Kind gewünscht, und nachdem ihr dieses Glück versagt blieb, hat sie ihren Lebenswillen verloren.«

      Inge schwieg einen Moment, dann stellte sie die Frage, die ihr am Herzen lag, doch, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete.

      »Und wenn ich als Spenderin nun nicht geeignet sein sollte?«

      »Dann gute Nacht«, antwortete Professor Thiersch. »Was das für Ihre Tochter bedeuten würde, wage ich mir nicht vorzustellen.«

      Unwillkürlich schluchzte Inge auf, doch Dr. Daniel legte ihr eine Hand auf den Arm.

      »Bitte nicht, Inge. An so etwas dürfen Sie gar nicht denken, und außerdem…« Er wandte sich dem Professor zu. »Leandra hat auch noch einen Bruder.«

      Professor Thiersch nickte. »Das sagten Sie schon einmal.« Er sah Dr. Daniel mit strengem, prüfendem Blick an. »Haben Sie den etwa auch gefunden?«

      »Ja, und er ist bereits auf dem Weg hierher. Ich schätze, er wird morgen eintreffen.«

      Auf Professor Thierschs Gesicht zeigte sich die Andeutung eines Lächelns. »Damit stehen unsere Chancen natürlich schon wesentlich besser.« Dann nahm er mit sanftem Griff Inges Arm. »Kommen Sie. Wir machen jetzt die Blutprobe, und wenn alles in Ordnung ist, können wir morgen damit anfangen, die Vorbereitungen für die Knochenmarktransplantation in Angriff zu nehmen.«

      »Aber… morgen ist Sonntag«, warf Inge ein. »Da haben Sie doch frei.«

      Der Professor zuckte die Schultern. »Na und? Wenn es um ein Menschenleben geht, ist mir der freie Sonntag herzlich egal.«

      *

      Während Professor Thiersch mit Inge Herzog eines der Untersuchungszimmer betrat, suchte Dr. Daniel Leandras Zimmer auf. Völlig apathisch lag das junge Mädchen im Bett und starrte blicklos vor sich hin.

      Ohne große Umstände setzte sich Dr. Daniel auf den Bettrand und griff nach Leandras schmaler, fast durchsichtig wirkender Hand.

      »Frau Schütz, können Sie mich hören?« fragte er leise.

      Langsam wandte Leandra ihm ihr Gesicht zu.

      »Herr Doktor«, flüsterte sie, dann traten Tränen in ihre Augen. »Warum durfte ich kein Baby haben? Verstehen Sie das? Ich muß mein Leben hergeben und durfte nicht einmal ein Baby haben.«

      Sehr sanft drückte Dr. Daniel ihre Hand. »Sie werden ein Baby haben, Frau Schütz, da bin ich ganz sicher.« Er lächelte. »Ich habe nämlich eine Überraschung für Sie. Dazu muß ich Ihnen aber eine kleine Geschichte erzählen. Ich war noch ein sehr junger Arzt, als ich zu einer Frau gerufen wurde, die in den Wehen lag.« Er zögerte kurz, entschloß sich dann aber, die Tatsache, daß es sich um eine Adlige gehandelt hatte, unter den Tisch fallen zu lassen. Die genauen Umstände waren für Leandra ja gar nicht so wichtig. »Diese Frau… nein, eigentlich war es noch ein junges Mädchen, hatte einen sehr strengen Vater, der nicht duldete, daß sie ihr Kind behielt. Er machte ein Ehepaar ausfindig, das das Baby adoptieren sollte.«

      Leandras Augen weiteten sich. »Sprechen Sie… von meiner Mutter?«

      Dr. Daniel nickte. »Ja, Frau Schütz. Ihr ausgefallener Vorname war es, der mir die Erinnerung zurückbrachte. Das junge Mädchen bekam nämlich nicht nur ein Kind, sondern Zwillinge. Sie als Erstgeborene kamen zu den Krenns, die als Adoptiveltern bereits ausgewählt waren. Aber es dauerte etwas länger, den Jungen zu vermitteln, und auf diese Weise bekam Ihre Mutter seinen Aufenthaltsort heraus. Und jetzt habe ich durch einen glücklichen Umstand beide gefunden – Ihre Mutter und Ihren Zwillingsbruder.«

      Tränen liefen über Leandras blasse Wangen, dann versuchte sie sich aufzurichten, doch dazu war sie viel zu schwach.

      »Heißt das…, ich darf sie kennenlernen? Ich darf sie noch sehen, bevor ich…, bevor ich sterbe?«

      Da schüttelte Dr. Daniel den Kopf. »Sie werden nicht sterben, Frau Schütz. Jetzt, nachdem wir Ihre Mutter und Ihren Bruder kennengelernt haben, kann eine Knochenmarktransplantation durchgeführt werden. Sie werden leben, Frau Schütz, und Sie werden dann auch ein Baby bekommen können.«

      »Herr Doktor…«, stammelte Leandra, während noch immer Tränen aus ihren Augen kullerten. Dann streckte sie beide Arme aus. »Herr Doktor…, ich…, ich möchte Sie umarmen.«

      Bereitwillig beugte sich Dr. Daniel zu ihr hinunter, und voller Innigkeit schlang Leandra beide Arme um seinen Nacken.

      »Na, na, na!« ertönte in diesem Moment die barsche Stimme Professor Thierschs. »Das scheint mir aber doch der verkehrte Mann zu sein.«

      Mit Tränen in den Augen sah Leandra ihn an. »Nein, Herr Professor, das ist schon der richtige. Er hat mir nicht nur meine Muter und meinen Bruder zurückgebracht – er hat mir auch mein Leben geschenkt.«

      Professor Thiersch bedachte Dr. Daniel mit einem kurzen, scharfen Blick, dann öffnete er die Tür ganz.

      »Ihre Mutter steht draußen«, er klärte er. »Darf ich sie hereinschicken?«

      Leandra nickte eifrig. »Natürlich!«

      »Bitte, Frau Herzog«, meinte der Professor, dann wandte er sich Dr. Daniel zu. »Und Sie kommen mit mir hinaus.«

      Kaum standen sie sich auf dem Flur gegenüber, da fragte Professor Thiersch­ in barschem Ton: »Wissen Sie, was ich mit meinen Klinikärzten mache, wenn sie Patienten gegenüber so gewagte Prognosen stellen, wie Sie es eben getan haben?«

      Dr. Daniel nickte. »Diese Ärzte bekommen Strafdienst aufgebrummt, daß ihnen die Rippen krachen.«

      Professor Thiersch nickte bekräftigend. »Genauso ist es! Sind Sie denn auch schon in den Genuß gekommen?«

      Wieder nickte Dr. Daniel. »Ja, ein einziges Mal.«

      »Und trotzdem lassen Sie sich zu einer solchen Leichtsinnigkeit hinreißen? Sie versprechen diesem armen Mädchen Heilung und dabei…« Der Professor unterbrach sich und fügte leiser hinzu: »Die Mutter ist als Spenderin nicht geeignet, und wenn wir mit ihrem Bruder nicht verdammtes Glück haben, dann wird Leandra Schütz in spätestens drei Wochen tot sein, denn dann ist ihr Lebensmut endgültig gebrochen.«

      Dr. Daniel schloß sekundenlang die Augen.

      »Es tut mir leid, Herr Professor«, brachte er mühsam hervor. »Aber ich dachte…«

      Professor Thiersch nickte. »Ich weiß schon, Daniel. Wir alle wünschen

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