Скачать книгу

die hier von einem Jungen entbunden wurde. Mit dieser Frau soll ich Kontakt aufnehmen und mein Baby gegen ihr Kind tauschen. Sollte ich mich weigern, dann wird mein Schwiegervater dafür sorgen, daß ich Rainer nie wieder zu Gesicht bekomme. Und er sagte, er hätte die Macht dazu. Herr Doktor, das war nicht falsch zu verstehen. Martin Bergmann will mich zwingen, mein Kind herzugeben.«

      »Das ist doch Irrsinn!« rief Dr. Daniel fassungslos. »Wie, um Himmels willen, kommt er nur auf einen solchen Gedanken?«

      Anke versuchte, sich an die Worte zu erinnern, die Martin Bergmann gebraucht hatte.

      »Er sagte, wir hätten einen Sohn bestellt und versehentlich eine Tochter bekommen. Und eine falsche Lieferung könnte man umtauschen.«

      Das alles war so ungeheuerlich, daß Dr. Daniel Mühe hatte, die ganze Geschichte für wahr zu halten.

      »Meine Güte, was ist das nur für ein Mensch?« stieß er hervor, doch dann zwang er sich zur Ruhe. »Haben Sie keine Angst, Frau Bergmann. Ich werde die Sache in Ordnung bringen.«

      Doch da wurde Anke wieder unsicher. »Mein Schwiegervater ist ein mächtiger Mann, und wenn er einen Enkelsohn will, dann…«

      »Hören Sie, Frau Bergmann«, fiel Dr. Daniel ihr mit sanfter Stimme ins Wort. »Was Ihr Schiegervater da vorgeschlagen hat, ist weit von aller Realität entfernt. In seinem Kopf mag ein solcher Tausch vielleicht funktionieren, aber glauben Sie allen Ernstes, diese andere Frau würde sich auf ein derartiges Geschäft einlassen? Sie liebt ihr Kind doch sicher ebenso wie Sie Ihre Claudia.«

      Dr. Daniels Argument war einleuchtend, aber einen Zweifel gab es für Anke noch.

      »Mein Schwiegervater hat gesagt, Geld würde dabei keine Rolle spielen«, erklärte sie, und Dr. Daniel begriff sofort.

      »Nicht alles auf der Welt läßt sich erkaufen«, entgegnete er ruhig.

      »Sie haben recht, Herr Doktor«, meinte sie nach einer Weile. »Eine Mutter, die ihr Kind liebt, gibt es für keinen noch so hohen Betrag her. Und jetzt, da ich mit Ihnen gesprochen habe, sieht auch alles gar nicht mehr so schlimm aus.«

      Dr. Daniel drückte ihre Hand. »Na, sehen Sie. Es kommt alles in Ordnung, verlassen Sie sich darauf. Ich werde gleich mit Rainer sprechen, und ich glaube, Sie kennen ihn gut genug, um sich seine Reaktion vorstellen zu können.«

      Ankes Lächeln erlosch. »Er liebt mich, aber… durch die Firma ist er von seinem Vater so abhängig. Wer weiß, ob er…«

      »Frau Bergmann, glauben Sie nicht, daß Sie und Claudia für Rainer tausendmal wichtiger sind als die CHEMCO?«

      Mit großen Augen sah Anke ihn an. »Ich weiß es nicht, Herr Doktor.«

      »Aber ich«, entgegnete Dr. Daniel voller Sicherheit, dann stand er auf. »Machen Sie sich keine Sorgen, Frau Bergmann. Noch heute abend wird Rainer Ihnen meine Worte bestätigen.«

      *

      Als Dr. Daniel die Eingangshalle betrat, glaube er seinen Augen nicht zu trauen.

      »Karina!« rief er erstaunt, als er seine Tochter erblickte. »Was tust du denn hier?«

      Ein wenig verlegen kam Karina auf ihn zu. »Ich habe in der Praxis angerufen, und Fräulein Meindl sagte mir, daß du hierher gefahren bist.« Sie zuckte die Schultern. »Ich wollte mit dir sprechen, Papa. Hast du Zeit?«

      Dr. Daniel kämpfte mit sich. Normalerweise nahm er sich für seine Kinder immer Zeit, aber gerade im Augenblick hatte er es eilig, nach Steinhausen zurückzukommen.

      »Ich sehe schon, du bist in Eile«, stellte Karina ein wenig traurig fest. »Wir können ja auch am Wochenende sprechen.« Damit drehte sie sich um und wollte die Klinik verlassen.

      »Karina, warte!« rief Dr. Daniel ihr nach, dann folgte er ihr und legte einen Arm um ihre Schultern. »Natürlich habe ich Zeit für dich. Wollen wir in das kleine Café vorn an der Ecke gehen?«

      Karina nickte lächelnd. »Ja, Papa, gern.«

      Wenig später saßen sich Vater und Tochter an einem verschwiegenen Nischentischchen gegenüber. Karina hatte den Kopf gesenkt und rührte angelegentlich in ihrem Cappuccino.

      »Na, Karinchen, was ist denn los?« fragte Dr. Daniel behutsam.

      Jetzt blickte Karina auf. »Papa, ich glaube, ich habe mich verliebt.«

      Dr. Daniel runzelte die Stirn. »Das klingt nicht so, als würde es sich um Markus handeln.«

      Karina schüttelte den Kopf. »Es geht nicht um Markus.« Sie zuckte die Schultern. »Die Beziehung zwischen Markus und mir hat sich sowieso ein wenig abgekühlt. Wir gehen zwar immer noch gemeinsam aus, aber…« Wieder zuckte sie die Schultern.

      »Und in wen hast du dich verliebt?« wollte Dr. Daniel wissen. »Oder möchtest du mir das nicht sagen?«

      »Doch, Papa, das ist es ja, worüber ich mit dir sprechen wollte.« Sie senkte den Kopf. »Es ist Wolfgang. Wolfgang Metzler.«

      »Wolfgang?« wiederholte Dr. Daniel gedehnt, dann schüttelte er fassungslos den Kopf. »Natürlich habe ich bemerkt, daß er dich beeindruckt hat, aber auf diesen Gedanken…« Er schüttelte wieder den Kopf. »Meine Güte, Kind…«

      Abwehrend hob Karina beide Hände. »Ich weiß, was du sagen willst, Papa. Wolfgang ist siebzehn Jahre älter als ich, und wahrscheinlich ist er gebunden, aber… er ist genau der Mann, von dem ich immer geträumt habe. Und das hat nichts mit seinem Aussehen zu tun.« Sie zögerte. »Erinnerst du dich noch, als wir einmal über Markus und mich gesprochen haben? Ich sagte damals, ich könnte ihn mir nicht so recht als meinen Ehemann vorstellen. Und du hast erwidert, daß du bei Mutti sofort gewußt hast, daß sie die Richtige wäre.«

      Dr. Daniel nickte. »Natürlich erinnere ich mich daran, Karina. Ich weiß auch noch, daß du daraufhin Julius Caesar zitiert hast. ›Er kam, sah und siegte.‹« Er schwieg einen Moment. »Ist es bei Wolfgang so?«

      Karina nickte. »Als er unseren Balkon betrat und mich anschaute… da wußte ich, daß er der Mann ist, auf den ich immer gewartet habe. Papa, was soll ich denn jetzt tun?« Und dabei klang aus ihrer Stimme etwas wie Verzweiflung. »Wolfgang ist um so vieles älter als ich. Er ist Arzt und hat schon eine Menge von der Welt gesehen. Er…«

      »Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun«, fiel Dr. Daniel ihr ins Wort. »Es gibt sicher eine Menge solcher Verbindungen, die gutgehen. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, daß beide das gleiche fühlen, und ich fürchte, genau daran könnte es bei euch scheitern. Wolfgang hat sehr hochgesteckte Ziele, und ich glaube nicht, daß er an eine ernsthafte Bindung oder gar eine Ehe denkt. Natürlich kann ich mich irren, aber das herauszufinden wird wohl deine Aufgabe sein, Karina.«

      Das junge Mädchen seufzte. »Wahrscheinlich hast du recht.« Sie überlegte und faßte dann einen spontanen Entschluß. »Ich komme am Wochenende nach Steinhausen. Vielleicht gelingt es mir, mit Wolfgang zu sprechen.«

      Aufmerksam sah Dr. Daniel seine Tochter an. »Du denkst doch hoffentlich nicht daran, ihm deine Liebe zu erklären.«

      Gegen ihren Willen mußte Karina lachen. »Nein, Papa, keine Angst, so emanzipiert bin ich nicht. Aber obwohl ich erst zweiundzwanzig bin, bin ich doch schon eine Frau und habe meine eigenen Methoden, um herauszufinden, ob ich bei einem Mann Chancen habe oder nicht. Ich habe das zwar noch nie ausprobiert und kann daher nur hoffen, daß es bei Wolfgang funktionieren wird – aber einen Versuch ist es allemal wert.«

      *

      Rainer Bergmann war zum Umfallen müde, als er aus dem Werk kam. Die Arbeiten an den defekten Leitungen waren in vollem Gange, und Rainer konnte sich ausrechnen, daß es höchstens ein Vierteljahr dauern würde, bis er die CHEMCO wieder in Betrieb würde nehmen können.

      Am Nachmittag war dann Helmut Wenger, der Betriebsratsvorsitzende, bei ihm aufgetaucht. Er hatte natürlich erfahren, daß endlich eine anständige Firma beauftragt worden war, die längst fälligen Reparaturen durchzuführen. Und Rainer konnte nachweisen, daß er nichts unversucht

Скачать книгу