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in allem hätte Rainer mit der Entwicklung der Dinge durchaus zufrieden sein können, trotzdem fühlte er sich müde und niedergeschlagen. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. In einer halben Stunde könnte er in München sein, um Anke und sein Baby zu besuchen. Andererseits fühlte er sich nicht fähig, ins Auto zu steigen und die Fahrt zu bewältigen.

      Die Entscheidung wurde ihm abgenommen, als das Telefon klingelte.

      »Bergmann«, meldete sich Rainer in der Hoffnung, Anke wäre am anderen Ende der Leitung.

      »Rainer? Ich bin’s, Dr. Daniel«, gab sich der Arzt zu erkennen. »Haben Sie Zeit, um auf einen Sprung zu mir zu kommen?«

      Rainer runzelte die Stirn. Es war das erste Mal, daß Dr. Daniel ihn zu sich bat.

      »Worum geht’s denn?« wollte er wissen.

      »Das möchte ich Ihnen lieber persönlich sagen«, wich Dr. Daniel aus.

      »Also schön«, stimmte Rainer zu. »Ich bin in fünf Minuten bei Ihnen.«

      Als Rainer wenig später die Auffahrt zu Dr. Daniels Villa heraufkam, stand der Arzt schon vor dem Haus.

      »Ich weiß zwar nicht, was Sie von mir wollen«, begann Rainer, nachdem sie Dr. Daniels Wohnung im ersten Stockwerk betreten hatten, »aber irgendwie habe ich ein schlechtes Gewissen.«

      »Müssen Sie nicht haben, Rainer«, entgegnete Dr. Daniel ernst. »Es geht im Grunde nicht um Sie, sondern um Ihren Vater. Und in diesem Zusammenhang auch um Ihre Frau und Ihr Kind.«

      »Ich verstehe kein Wort«, erklärte Rainer.

      »Ihr Vater war heute früh im Krankenhaus«, begann Dr. Daniel. »Allerdings nicht, um Ihrer Frau einen harmlosen Besuch abzustatten und seine Enkelin zu sehen. Er hat Ihrer Frau einen haarsträubenden Vorschlag gemacht.« Und dann erzählte er, was er von Anke erfahren hatte. »Ihr Vater hat Ihre Frau mit seinen Drohungen so eingeschüchtert, daß sie tatsächlich schon mit dem Gedanken spielte, mit dieser anderen Mutter Kontakt aufzunehmen, um mit ihr die Babys zu tauschen. Das hat sie mir zwar nicht gesagt, aber ich habe es gespürt.«

      Voller Entsetzen starrte Rainer den Arzt an.

      »Das… das ist doch nicht wahr!« stieß er hervor. »Mein Vater mag herrschsüchtig sein, und er war und ist eiskalt, wenn es um die Firma geht, aber… nein, Herr Dr. Daniel, ich glaube Ihnen kein Wort.«

      »Dann fragen Sie Ihre Frau«, schlug Dr. Daniel vor. »Oder glauben Sie ihr auch nicht?«

      »Mein Vater ist doch kein Unmensch!« Rainer wollte nicht glauben, daß alles, was Dr. Daniel gesagt hatte, der Wahrheit entsprach. »Sicher, er war wütend, weil wir ein Mädchen und keinen Jungen bekommen haben, aber… er würde Anke doch niemals einen solchen Vorschlag machen!«

      »Er hat es getan«, erklärte Dr. Daniel schlicht. »Und es war nicht nur ein Vorschlag – es war ein Befehl.« Er zögerte einen Moment. »Wie werden Sie sich jetzt verhalten, Rainer?«

      »Das fragen Sie noch? Ich werde meinen Vater zur Rede stellen, und sollten Sie die Wahrheit gesagt haben, dann werde ich die Konsequenzen ziehen und die Bergmann-Villa verlassen – und zwar noch heute.« Er schwieg einen Moment. »Sollten Sie das Ganze aber nur erfunden haben, um mich gegen meinen Vater aufzuhetzen – dann werden Sie mich kennenlernen.«

      *

      Martin Bergmann hatte sich in seinen Wintergarten zurückgezogen. Er liebte die exotischen Pflanzen hier, und obwohl die sommerliche Abendluft draußen besser gewesen wäre, konnte er sich vom Anblick der weit ausladenden Palmen und der großblütigen Orchideen nicht losreißen.

      »Vater! Ich muß mit dir sprechen. Sofort.«

      Die energische Stimme seines Sohnes ließ Martin Bergmann herumfahren.

      »Was willst du denn?« herrschte er Rainer an. »Noch mehr Geld? Das kannst du dir gleich abschminken.«

      »Ich komme von Dr. Daniel«, erklärte Rainer, ohne auf die Worte seines Vaters einzugehen. »Er hat mir erzählt, daß du Anke gedroht hast. Du willst sie mit unserer Tochter nicht ins Haus lassen. Und du hast ihr vorgeschlagen, unser Baby gegen den Jungen einer anderen Mutter einzutauschen.« Er schwieg kurz. »Vater, ich konnte dich niemals lieben, weil du ein Mensch bist, dem man nur schwer ein Gefühl wie Liebe entgegenbringen kann. Aber ich habe dich immer respektiert. Bitte, Vater, sag, daß das alles nicht wahr ist. Sag, daß Dr. Daniel gelogen hat.«

      Martin Bergmann zuckte die Schultern. »Warum sollte er lügen?«

      Entsetzt starrte Rainer seinen Vater an. »Heißt das…« Er brachte den Satz nicht zu Ende.

      »Ich weiß gar nicht, weshalb du dich so aufregst«, hielt Martin Bergmann ihm vor. »Ich wollte doch nur das Beste für euch. Ihr braucht einen Sohn und Erben, und wenn ihr selbst keinen zustande bringt, dann muß man ihn sich halt auf andere Weise besorgen.« Wieder zuckte er die Schultern. »Ich habe es heute schon zu Anke gesagt. Wenn ich etwas falsch geliefert bekomme, dann tausche ich es um. Ihr habt ein falsches Kind bekommen. Was spricht also dagegen, es umzutauschen?«

      »Du bist verrückt, Vater!« stieß Rainer hervor. »Du sprichst von unserem Kind wie von einem Ersatzteil fürs Auto. Meine Güte, hast du denn jeglichen Realitätssinn verloren?« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Selbst wenn du Anke so eingeschüchtert hättest, daß sie getan hätte, was du verlangt hast – glaubst du wirklich, diese andere Frau hätte ihr Kind mit Anke getaucht?«

      Martin Bergmann zuckte die Schultern. »Warum nicht? Es ist doch nur ein Kind. Und wenn die finanzielle Seite stimmt…« Er ließ den Satz bedeutungsvoll offen und fügte dann hinzu: »Glaubst du denn, ich hätte es tatenlos hingenommen, wenn deine Mutter mir nur ein Mädchen geschenkt hätte? Ich hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um einen Jungen zu bekommen.«

      Rainer erstarrte. »War es so? Bin ich vielleicht gar nicht dein Sohn?« Und dabei hoffte er fast, Martin Bergmann würde seinen aufsteigenden Verdacht bestätigen. Wie sollte er zu diesem Menschen jemals wieder Vater sagen?

      »Keine Sorge, Rainer, du bist mein Sohn… mein leiblicher Sohn«, erklärte Martin Bergmann. »Deine Mutter war nämlich fähig, mir einen Sohn zu schenken. Leider nur einen.«

      »Ja, das hast du ihr niemals verziehen«, erklärte Rainer hart. »Du hast ihr das Leben zur Hölle gemacht, bis sie daran zerbrochen ist.«

      »Rede keinen Unsinn«, wies Martin Bergmann ihn scharf zurecht. »Und jetzt hör endlich mit diesem ganzen Quatsch auf. Ich wollte das Beste für euch, aber anscheinend seid ihr nicht in der Lage, das zu würdigen.« Er schwieg einen Moment und setzte dann mit harter Stimme hinzu: »In einem Punkt werde ich aber nicht von meinem Prinzip abweichen. Das Mädchen kommt mir nicht ins Haus. Wenn ihr es nicht gegen einen Jungen tauschen wollt, dann gebt es zur Adoption frei und bemüht euch um einen eigenen Sohn. Aber Anke wird diese Göre nicht über die Schwelle meines Hauses tragen.«

      »Nein, das wird sie ganz sicher nicht«, stimmte Rainer zu und wunderte sich dabei, wie es ihm gelang, angesichts dieser Ungeheuerlichkeit so ruhig zu bleiben. »Wir werden ausziehen.«

      Martin Bergmann lachte auf. »Wo wollt ihr denn hin?«

      Doch Rainer war es mit seinen Worten bitter ernst. »Ich werde vorerst in den ›Goldenen Löwen‹ ziehen, und bis Anke aus der Klinik entlassen wird, habe ich bestimmt etwas Passendes für uns gefunden.«

      Gelassen winkte Martin Bergmann ab. »Das glaubst du doch selbst nicht, Rainer. Du bist verwöhnt. Du hast immer in einer riesigen Villa gelebt und hattest Bedienstete um dich. Glaubst du, daß du dich in einer Zwei-Zimmer-Wohnung wohl fühlen würdest?«

      »Ich würde eher in eine Hundehütte ziehen, als mit dir noch eine Stunde unter demselben Dach zu leben«, entgegnete Rainer kalt, dann drehte er sich um und ging zur Tür. Dort sah er noch einmal zurück. »Und was die CHEMCO angeht – ich bin bereit, die Firma weiterhin zu leiten, allerdings nur, wenn ich frei über die Konten verfügen kann. Ein solches Arrangement, wie wir es in den letzten Monaten hatten, werde ich nicht länger akzeptieren. Ich leite die CHEMCO

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