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      »Unverschämtheit«, knurrte Martin Bergmann. »Aber warte nur – ich habe Zeit. Irgendwann kommst du doch wieder angekrochen.«

      *

      »Sag mal, Karina, was ist denn mit dir los?« fragte Markus Wagner, als er mit ihr die Uni verließ. »Du warst den ganzen Tag völlig abwesend.«

      Karina zuckte die Schultern. »Ich habe heute nacht schlecht geschlafen.« Und das entsprach auch der Wahrheit. Stundenlang hatte sie sich von einer Seite auf die andere gedreht und dabei ihre Probleme gewälzt. Ihre Liebe zu Wolfgang, die wahrscheinlich völlig aussichtslos war, und die Tatsache, daß sie Markus reinen Wein würde einschenken müssen, beschäftigten sie sehr. Als Lückenbüßer konnte sie sich Markus jedenfalls nicht vorstellen.

      »Soll ich dich aufmuntern?« fragte Markus lächelnd. »Ich habe Karten für die Oper bekommen. ›Lohengrin‹. Davon träumst du doch schon so lange.«

      Karina sah ihn an. Er war so lieb und zärtlich, und eine Weile hatte sie wirklich geglaubt, ihn zu lieben, aber jetzt…

      »Für wann hast du die Karten?« zwang sie sich zu fragen.

      »Für diesen Samstag«, antwortete Markus. »Ich freue mich schon sehr darauf.«

      Karina biß sich auf die Lippen. Ausgerechnet diesen Samstag. Sie hätte doch unbedingt nach Steinhausen fahren wollen. Andererseits durfte sie Markus’ Einladung jetzt nicht ausschlagen. Es hatte ihn sicher viel Mühe gekostet, an die Karten zu kommen.

      »Ja, Markus, ich freue mich auch«, zwang sie sich zu sagen, und dabei nahm sie sich fest vor, daß sie ihm nach diesem gemeinsamen Opernabend die Wahrheit sagen würde.

      *

      Rainer Bergmann hatte seinem Vater gegenüber keine leeren Drohungen ausgesprochen. Noch am selben Abend verließ er die Villa und quartierte sich im Steinhausener Gasthof ein. Die neugierigen Blicke der Wirtin Gerda Kaiser versuchte er dabei zu ignorieren. Natürlich war ihm klar, daß sich diese Neuigkeit in Windeseile herumsprechen würde. Immerhin war es eine kleine Sensation, daß der junge CHEMCO-Chef im Gasthof übernachtete – und das auf unbestimmte Zeit.

      Aber noch bevor Gerda Kaiser eine Frage stellen konnte, um dieser ohnehin sensationellen Neuigkeit noch mehr Pfiff zu verleihen, hatte Rainer den Gasthof schon verlassen und war in Richtung München gefahren. Seine Müdigkeit und Niedergeschlagenheit von vorhin waren wie weggeblasen. Er fühlte sich so gut wie schon lange nicht mehr, und ihm kam der Verdacht, daß er diese endgültige Trennung von seinem Vater schon längst hätte vollziehen sollen.

      Nach einer guten halben Stunde erreichte er die Klinik von Dr. Sommer, und dann schien es ihm, als könne er nicht schnell genug zu Anke kommen. Im Laufschritt betrat er die Eingangshalle und hetzte dann die Stufen in den fünften Stock hinauf. Atemlos stürzte er in Ankes Zimmer, und die junge Frau erschrak über die Heftigkeit, mit der die Tür aufgerissen wurde.

      »Anke«, stieß Rainer hervor, dann trat er an ihr Bett und schloß sie zärtlich in die Arme. »Mein Liebling.«

      Anke atmete auf, dann glitt ein glückliches Lächeln über ihr Gesicht. Sie wußte, daß sie keine Angst mehr haben mußte. Dr. Daniel hatte recht gehabt.

      »Ich habe die Villa verlassen«, erklärte Rainer, als er sich nach einer halben Ewigkeit endlich von seiner Frau lösen konnte. »Mein Vater ist zu weit gegangen.«

      »Aber… wo sollen wir denn hin?« fragte Anke leise. »Ich fürchte, dein Vater wird dafür sorgen, daß wir in Steinhausen keine Wohnung bekommen werden.«

      Doch Rainer schüttelte den Kopf. »So weit reicht seine Macht nicht. Außerdem sind wir nicht an Steinhausen gebunden. Ich werde die CHEMCO nämlich nicht weiterführen, solange er dabei immer noch etwas zu sagen hat.«

      »Das heißt, daß du arbeitslos bist«, vermutete Anke. »Dein Vater wird die endgültige Kontrolle über die Firma niemals aufgeben.«

      »Wer weiß?« entgegnete Rainer. »Mein Vater wird bald feststellen, daß er nicht so leicht jemanden findet, der in diesem verlotterten Werk seinen Kasper spielen will. Und mehr war ich bisher nicht. Ich war nur nach außen hin der Chef – kontrolliert wurde das Unternehmen völlig von meinem Vater. Aber das lasse ich mir nicht mehr länger gefallen.«

      Liebevoll streichelte Anke sein markantes Gesicht. »Ich liebe dich, Rainer.«

      Da lächelte er sie zärtlich an. »Ich liebe dich auch. Und warte nur ab. Bis du dich umschaust, habe ich für uns eine Wohnung gefunden, und dann wird unser Leben erst richtig beginnen.«

      *

      Als am frühen Freitagabend das Telefon klingelte, ahnte Dr. Daniel schon, daß ihm ein einsames Wochenende bevorstehen würde.

      Seine Schwester Irene war gleich nach dem Mittagessen nach München aufgebrochen, um den Intercity nach Kiel zu erreichen. Das Heimweh hatte sie wieder einmal gepackt, und so hatte sie sich kurzfristig entschlossen, das Wochenende und vielleicht einen Teil der darauffolgenden Woche bei ihrer Freundin Annegret zu verbringen. Und nun wollten Stefan und Karina offensichtlich ankündigen, daß sie dieses Wochenende nicht nach Steinhausen kämen. Bei Stefan hatte er ja schon damit gerechnet, aber Karina wollte doch schließlich versuchen, Wolfgang zu treffen, um sich mit ihm zu unterhalten.

      Mit einem ergebenen Seufzer ging Dr. Daniel an den Apparat.

      »Hallo, Papa« begrüßte ihn seine Tochter. »Tut mir leid, daß ich so spät anrufe, aber ich bin vor einer halben Stunde erst aus der Uni gekommen. Ich wollte dir auch nur sagen, daß…«

      »Daß du am Wochenende nicht kommen wirst«, vollendete Dr. Daniel ihren angefangenen Satz.

      »Stimmt«, erklärte Karina. »Es tut mir furchbar leid, aber…« Sie zögerte einen Moment. »Markus hat mich eingeladen, und da konnte ich nicht nein sagen. Vielleicht ist es ganz gut so. Schließlich habe ich mit ihm ja auch etwas zu klären.«

      »Du bist dir mit Wolfang also vollkommen sicher?« wollte Dr. Daniel wissen. Irgendwie ging ihm das alles ein wenig zu schnell, und er hoffte, daß seine Tochter nicht voreilig handeln würde.

      »Was meine Gefühle betrifft, ja«, antwortete Karina. »Und gleichgültig, wie die Sache ausgeht – Markus ist ein zu anständiger Mensch, als daß ich ihn in irgendeiner Weise als Lückenbüßer nehmen würde. Das hätte er einfach nicht verdient.«

      »Da hast du recht, und ich finde deine Einstellung sehr gut«, erklärte Dr. Daniel. »Aber ich bitte dich trotzdem, nichts zu überstürzen. Vielleicht ist das mit Wolfgang ja nur eine Verliebtheit… eine Schwärmerei, die wieder vergeht.«

      »Nein, Papa, dazu sitzt es viel zu tief. Wolfgang ist der einzige Mann, der mir jemals etwas bedeuten wird.«

      Diese Worte und vor allem die Endgültigkeit, mit der sie gesprochen wurden, machten Dr. Daniel ein bißchen Angst. Andererseits wollte er das Thema nicht noch vertiefen – vor allem nicht hier am Telefon. Dazu würde immer noch Zeit sein, wenn Karina wieder nach Steinhausen kommen würde.

      »Was ist mit Stefan?« lenkte er aus diesem Grund ab. »Kommt wenigstens er dieses Wochenende heim?«

      »Was ist denn los, Papa? Du klingst so deprimiert«, entgegnete Karina, ohne auf seine Frage zu antworten. »Ist es wegen dem, was ich vorhin gesagt habe?«

      »Nein, Karinchen«, behauptete Dr. Daniel, obwohl es nicht so ganz der Wahrheit entsprach. Und dann fiel ihm eine glaubhafte Ausrede ein. »Na ja, Irene ist heute nach Kiel gefahren, und wenn ihr beide auch nicht kommen wollt, dann… dann bin ich ganz allein.«

      »Ach, Papilein«, meinte Karina tröstend. »Nicht traurig sein. Nächstes Wochenende kommen wir ganz bestimmt – alle beide.«

      Dr. Daniel seufzte leise. »Ja, das ist auch schon ein Trost.«

      Karina plauderte noch ein wenig mit ihm, ohne jedoch das Thema ihres Herzens noch einmal anzuschneiden, dann legte sie auf und ging ins Wohnzimmer, in dem ihr Bruder über seinen Büchern saß und arbeitete.

      »Ich

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