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da riß sich Melissa los und schüttelte heftig den Kopf. »Nein! Ich will nicht, daß Patrick mich so sieht. Er würde sich vor mir ekeln, und seine Liebe zu verlieren wäre das Schlimmste, was mir jetzt noch passieren könnte.«

      »Hören Sie, Frau Feller, warum sollte sich Ihr Mann denn vor Ihnen ekeln?« entgegnete Dr. Daniel ernst. »Sie haben keinen üblen Geruch an sich und sehen auch sonst nicht ekelerregend aus. Sie verlieren lediglich Ihre Haare. Haben Sie schon mal bemerkt, wie viele Männer mit zunehmendem Alter ihre Haare verlieren? Glauben Sie, daß deren Frauen sich plötzlich vor ihnen ekeln?«

      Melissa wurde nachdenklich. Von dieser Warte aus hatte sie die Sache noch nicht betrachtet.

      »Trotzdem… bei mir ist es doch etwas anderes«, wandte sie ein wenig halbherzig ein.

      »Das stimmt«, meinte Dr. Daniel. »Sie sind schwer krank, und der Verlust Ihrer Haare zeugt von dieser Krankheit.

      Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß Ihr Mann Sie liebt. Ob mit oder ohne Haare – Sie sind doch immer noch die Frau, die er einmal geheiratet hat. Ihr Mann hat es nicht ausdrücklich gesagt, aber ich sehe, wie sehr er darunter leidet, daß Sie sich ihm verschließen.«

      »Wirklich?«

      Dr. Daniel nickte. »Ja, Frau Feller. Ihr Mann wünscht sich nichts sehnlicher, als Ihnen in dieser schweren Zeit beistehen zu dürfen. Also geben Sie ihm auch Gelegenheit, das zu tun. Geben Sie ihm die Möglichkeit, Ihnen zu zeigen, wie sehr er Sie liebt.«

      Melissa schluckte, dann trat sie langsam zur Tür und öffnete sie. Doch noch einmal warf sie einen fragenden Blick zurück. Dr. Daniel nickte ihr aufmunternd zu.

      »Er wartet im Wohnzimmer auf Sie.«

      Noch immer zögerte Melissa. In diesem Augenblick ging die Wohnzimmertür auf. Patrick hatte es einfach nicht mehr länger ausgehalten. Jetzt trat er auf den Flur. Unwillkürlich zuckte Melissa zurück, wollte instinktiv in die Einsamkeit ihres Zimmers flüchten, doch das ließ Patrick nicht mehr zu. Ehe sie sich wieder vor ihm verkriechen konnte, war er schon bei ihr und riß sie fast ein wenig stürmisch in seine Arme.

      »Melissa, Liebling… endlich«, stammelte er, während er seine zitternde Frau fest an sich drückte.

      Dr. Daniel, der sah, daß er hier nicht mehr gebraucht wurde, verließ leise das Haus. Melissa und Patrick waren so mit sich beschäftigt, daß sie es gar nicht bemerkten. Wie eine Ertrinkende klammerte sich Melissa an ihren Mann, und erst jetzt spürte sie, wie sehr sie seine Liebe und Strärke vermißt hatte.

      »Oh, Patrick, ich war so dumm«, stammelte sie. »Ich dachte…« Sie brachte den Satz nicht zu Ende, weil Patrick ihr mit einem zärtlichen Kuß den Mund verschloß.

      »Du solltest nicht soviel denken«, hielt er ihr nachher vor, »sondern lieber mir und meiner Liebe vertrauen.« Und dabei lag in seinen Augen so viel Zärtlichkeit, daß Melissa keine Sekunde länger an seiner Liebe zu ihr zweifeln konnte.

      *

      Voller Angst und Nervosität sah Melissa der ersten Untersuchung entgegen. Dreimal hatte sie bisher das Medikament bekommen, und nun stand also die erste Kontrolluntersuchung an. Natürlich hatte sich Patrick auch diesmal freigenommen, um seiner Frau so gut wie möglich beizustehen.

      »So, Frau Feller, heute haben wir einiges mit Ihnen vor«, erklärte Dr. Scheibler, nachdem er Melissa und Patrick begrüßt hatte.

      »Und wann erfahre ich das Ergebnis?« fragte Melissa in banger Erwartung.

      Dr. Scheibler lächelte. »Da müssen Sie sich schon ein bißchen gedulden. Eine Woche wird die Auswertung der Untersuchungsergebnisse schon dauern.«

      »So lange?« entfuhr es Patrick. »Und ich dachte, wir könnten heute schon…« Er unterbrach sich. »Es ist unhöflich von mir, so zu drängen.«

      Doch Dr. Scheibler schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht, Herr Feller. Es ist nur natürlich, daß Sie Bescheid wissen wollen. Allen geht es so. Aber wir können eben leider nicht zaubern. So, und jetzt fangen wir an. Bitte, Frau Feller, setzen Sie sich. Als erstes muß ich Ihnen eine ganze Menge Blut abnehmen, und dann gehen wir gleich hinunter zum CT. Das kennen Sie ja alles schon von der letzten Untersuchung.«

      Melissa nickte. An diese Untersuchungen, die sie vor der Operation hatte über sich ergehen lassen müssen, wurde sie nicht allzugern erinnert. Dr. Scheibler schien das zu spüren, denn er wechselte sofort das Thema, sprach über Belanglosigkeiten und begleitete Melissa und Patrick dann nach unten.

      Eine Schwester stellte drei gefüllte Becher auf das Tischchen neben Melissas Stuhl.

      »Das ist das Kontrastmittel«, erklärte sie. »Sie müssen jeden Becher innerhalb einer Viertelstunde austrinken.« Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Fünf Minuten vor zehn kommen Sie bitte zu mir in dieses Zimmer.« Sie wies auf eine schmale dunkelgrüne Tür. »Ich bringe Sie dann in den Untersuchungsraum.«

      »Ist in Ordnung, Schwester«, brachte Melissa ein wenig mühsam hervor, dann griff sie nach dem ersten Becher und trank einen kleinen Schluck daraus.

      Liebevoll ergriff Patrick ihre Hand. »Ich wünschte, ich könnte dir das abnehmen.«

      Melissa lächelte. »Es genügt schon, wenn du bei mir bist, Patrick.« Wie schutzsuchend lehnte sie sich an ihn. »Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde.«

      Dann schwiegen sie, genossen ihre gegenseitige Nähe und wünschten sich weit weg – an einen Ort, an dem sie ganz allein hätten sein können.

      Doch das blieb eben nur ein Wunsch. Hinter dieser grünen Tür warteten eine Schwester und ein Arzt auf Melissa. Und plötzlich fühlte sie wieder Angst aufsteigen. Wenn diese Untersuchung nun ein schlimmes Ergebnis bringen würde? Wenn der Krebs trotz dieses neuen Medikaments weitergewuchert war?

      »Melissa, ich glaube, es wird Zeit«, meinte Patrick mit einem Blick auf die Uhr und riß seine Frau damit aus ihren drohenden Gedanken.

      Rasch trank sie den letzten Schluck des Kontrastmittels, dann stand sie auf, trat zu der grünen Tür und klopfte. Die Schwester öffnete und bat sie herein. Auch Dr. Scheibler war schon hier und nahm Melissa mit einem freundlichen Lächeln in Empfang.

      Melissa fröstelte ein wenig, als sie den riesigen Apparat sah, in den sie gleich hineingeschoben werden würde. Plötzlich hatte sie das dringende Bedürfnis zu fliehen, doch Dr. Scheibler ließ ihr keine Zeit, sich noch weiter in ihre Angst zu verstricken.

      »Es dauert nicht lange«, versprach er, aber dennoch erschien es Melissa wie eine halbe Ewigkeit, bis sie endlich wieder aus dieser schrecklichen Röhre herauskam.

      »So, Frau Feller, das war’s schon«, erklärte Dr. Scheibler, dann bat er sie nach nebenan. »Ich muß Sie noch untersuchen. Keine Angst, ich werde dabei ganz vorsichtig sein.«

      Dr. Scheibler war wirklich ein ausgesprochen rücksichtsvoller Arzt, und allmählich gelang es Melissa, sich zu entspannen. Dann wurde die Tür aufgerissen, Professor Thiersch kam forschen Schrittes herein.

      »Ach, da komme ich ja gerade noch rechtzeitig«, erklärte er und trat zum Untersuchungsstuhl, dann wandte er sich Dr. Scheibler zu. »Und? Wie sieht’s aus?«

      »Meiner Meinung nach sehr gut«, antwortete Dr. Scheibler, gebrauchte dann aber – wohl absichtlich – einige lateinische Ausdrücke, die Melissa nicht verstand.

      Professor Thiersch nickte mit gerunzelter Stirn, bevor er sich Melissa zuwandte.

      »Na, dann wollen wir uns das Ganze mal ansehen«, erklärte er und streifte sich nebenbei Plastikhandschuhe über. »Schön entspannen, dann tut’s überhaupt nicht weh.«

      Doch in Anwesenheit des Professors fiel es Melissa schwer, dieser Aufforderung nachzukommen, und sie war froh, als er die Untersuchung beendet hatte.

      »Sie können sich wieder ankleiden«, meinte er, dann nickte er Dr. Scheibler zu. »Bin ganz Ihrer Meinung.«

      Melissa wurde unruhig. Rasch schlüpfte sie in ihre Kleider,

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