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nicht weh getan«, stieß sie überrascht hervor.

      »Ich hatte es Ihnen doch versprochen«, entgegnete Dr. Daniel lächelnd. »Sie werden beim nächsten Mal also keine Angst mehr haben, oder?«

      Befreit lachte Monika auf. »Nein, Herr Doktor, ganz bestimmt nicht.«

      »Dann ist es gut.« Er setzte sich an den kleinen Schreibtisch, der direkt unter dem Fenster stand. »So, Fräulein Krais, jetzt schreibe ich Ihnen ein Präparat auf, das Sie vielleicht besser vertragen. Und in einem halben Jahr kommen Sie bitte zur Kontrolluntersuchung. Wenn Ihnen die Pille allerdings wieder Schwierigkeiten bereiten sollte, dann müssen Sie natürlich früher kommen.«

      Monika nickte. »Das mache ich bestimmt, Herr Doktor, und… vielen Dank.«

      *

      Die ersten Tage nach der Chemotherapie machten Melissa Feller schwer zu schaffen. Sie war noch geschwächt von der Operation, und die Gliederschmerzen waren so schlimm, daß sie kaum aufstehen konnte. Patrick, Angela und Beatrice taten alles, um ihr Mut zu machen und sie ein bißchen von ihren Schmerzen abzulenken, doch im Augenblick hatte Melissa nur einen Wunsch – sie wollte sterben.

      »Wenn ich so weiterleben muß, dann… dann will ich gar nicht mehr leben«, erklärte sie wieder einmal.

      Im nächsten Moment hing Beatrice an ihrem Hals. »So etwas darfst du nicht sagen, Mutti! Wir brauchen dich doch! Und wir haben dich so lieb!«

      Tränen traten Melissa bei diesen Worten in die Augen. Und plötzlich schämte sie sich für ihre Schwäche.

      »Ich bin verdammt egoistisch«, erklärte sie, und Beatrice hörte den veränderten Tonfall sofort heraus. »Aber ich verspreche dir, daß das anders wird. Ab jetzt wird gekämpft. Es wäre doch gelacht, wenn ich mit dieser gemeinen Krankheit nicht fertig werden würde!«

      Da lachte Beatrice glücklich auf. »So gefällst du mir schon besser, Mutti!«

      Auch Patrick und Angela spürten Melissas verändertes Verhalten. Trotz ihrer Schwäche und der stechenden Schmerzen, die immer wieder in ihre Gelenke, Knochen und Muskeln fuhren, versuchte sie, den Haushalt zu führen. Und sie war überglücklich, als sie zum ersten Mal wieder ein vollständiges Mittagessen auf den Tisch brachte, das sie ohne Hilfe zubereitet hatte.

      Und als hätte Dr. Daniel diese Veränderung gespürt, kam er just an diesem Tag zu den Fellers, um nach Melissa zu sehen.

      »Herr Doktor, das ist aber eine Überraschung!« rief sie aus, und man konnte ihr ansehen, wie sehr sie sich freute. »Setzen Sie sich doch. Möchten Sie mitessen oder lieber nur eine Tasse Kaffee haben?«

      »Kaffee wäre gut«, stimmte Dr. Daniel zu. »Meine Schwester hat mich heute nämlich schon sehr üppig bekocht.« Er musterte die Frau, der man ihre schwere Krankheit zwar noch ansah, die aber gleichzeitig sehr viel Lebensmut ausstrahlte. »Mir scheint, Sie fühlen sich recht gut.«

      Melissa nickte, dann wanderte ein liebevoller Blick zu ihren beiden Töchtern, die mit am Tisch saßen. »Um meiner Familie willen muß ich kämpfen – das hat mir Bea vor einiger Zeit klargemacht.« Sie senkte den Kopf. »Ich war nahe daran, mich einfach aufzugeben, aber das soll nicht mehr vorkommen. Irgendwie werde ich mit dieser Krankheit schon fertig.«

      Dr. Daniel nickte. »Das ist eine sehr lobenswerte Einstellung, Frau Feller, und Sie können sich nicht vorstellen, wie froh ich bin, daß Sie inzwischen so denken.« Er trank von seinem Kaffee, dann sah er Melissa wieder an. »Und wie vertragen Sie die Chemo?«

      »Na ja, im Moment geht es mir verhältnismäßig gut«, meinte Melissa. »Die ersten Tage waren schlimm. Ich hatte fürchterliche Gelenkschmerzen… ach was, jeder Knochen tat mir weh. Ich wußte oft nicht, wie ich gehen, stehen oder sitzen sollte. Jetzt ist das glücklicherweise vorbei, aber nächste Woche muß ich schon wieder in die Klinik. Sie wissen ja sicher, daß die Chemo ambulant durchgeführt wird.«

      Dr. Daniel nickte. »Glücklicherweise. Früher mußten die Patienten stationär in der Klinik bleiben, was sich auf die Psyche oft äußerst negativ ausgewirkt hat.

      Die Erfolgsrate bei der Krebsbehandlung ist um vieles höher geworden, seit die Patienten in ihrer gewohnten Umgebung sein dürfen und nur für einen Tag ambulant in die Klinik müssen.«

      Melissa senkte den Kopf. »Ich glaube, da drinnen wäre ich verrückt geworden. Den ganzen Tag unter kranken Menschen…« Unwillkürlich schauderte sie.

      »Und ihr seid sicher auch froh, eure Mutti wieder zu Hause zu haben«, wandte sich Dr. Daniel an die beiden Mädchen, um Melissa ein wenig abzulenken.

      Beatrice nickte eifrig. »Ja, und wie! Ohne Mutti ist das Haus wie ausgestorben.«

      »Und sie kocht so gut«, fügte Angela hinzu. »Paps kann da nicht mithalten.«

      Dr. Daniel lachte. »Das mußte ich von meiner Tochter auch immer hören, wenn ich wieder mal ein Schnitzel verbrannt habe oder der Salat nur nach Essig schmeckte.«

      Melissa mußte ebenfalls lachen. »Dann sind Sie also auch kein Meisterkoch.«

      »Ganz und gar nicht. Wenn ich meine Schwester nicht hätte, wäre ich längst verhungert. Ich schaffe es sogar, Wasser anbrennen zu lassen.«

      Dr. Daniels Bemerkung führte zu allgemeinem Gelächter.

      »Mein Mann ist auch so ein Genie«, erklärte Melissa schließlich.

      »Wie bitte?« Patrick streckte den Kopf zur Tür herein. »Was wird da über mich gelästert?«

      »Gar nichts«, beruhigte Melissa ihn und küßte ihn zur Begrüßung. »Wir amüsieren uns nur über die Kochkünste der Männer.«

      »Ach, du liebe Zeit«, stöhnte Patrick, dann reichte er Dr. Daniel die Hand. »Schön, daß Sie uns mal besuchen.«

      »Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich nicht Ihretwegen in München bin«, entgegnete der Arzt. »Nachdem ich schon mal hier war, wollte ich nicht einfach wegfahren, ohne bei Ihnen vorbeizuschauen.«

      »Das hätten wir Ihnen auch ganz bestimmt nicht verziehen«, meinte Melissa, und Dr. Daniel freute sich wieder, weil es dieser schwer kranken Frau jetzt anscheinend etwas besserging.

      *

      Um so erstaunter war Dr. Daniel, als ihn schon zwei Wochen später ein alarmierender Anruf von Patrick Feller erreichte.

      »Herr Doktor, ich mache mir große Sorgen um meine Frau«, erklärte er mit hörbarer Nervosität.

      »Aber warum denn, Herr Feller?« fragte Dr. Daniel. »Soweit ich es bei meinem Besuch beurteilen konnte, ging es Ihrer Frau doch recht gut. Sie wirkte aufgeschlossen und lebenslustig.«

      »Ja, damals noch, aber jetzt…« Patrick stockte, dann setzte er leise hinzu: »Ich kann im Augenblick nicht sprechen. Könnte ich vielleicht mal zu Ihnen kommen?«

      »Ja, natürlich, Herr Feller. Jederzeit.«

      »Gut. Morgen abend… so gegen sieben Uhr.« Dann legte er auf.

      Dr. Daniel blieb noch einen Augenblick mit dem Hörer in der Hand stehen, dann ließ er ihn langsam auf die Gabel sinken. Seltsam. Es hatte doch neulich alles so gut ausgesehen. Was mochte da nur geschehen sein?

      Die Stunden dehnten sich für Dr. Daniel endlos hin. Obwohl er in der Praxis sehr eingespannt war, konnte er in jeder freien Sekunde nur an Melissa Feller denken, und er war direkt froh, als er Patricks Wagen auf den Parkplatz einbiegen sah.

      Rasch lief er die Treppe hinunter und öffnete die Tür, dann ging er Patrick ein paar Schritte entgegen.

      »Guten Abend, Herr Feller. Bitte, kommen Sie herein.«

      Patrick bedankte sich mechanisch und folgte dem Arzt in dessen Wohnung. Als er auf dem gemütlichen Sofa saß, bemerkte Dr. Daniel, wie sehr Patricks Hände zitterten. Überhaupt wirkte er so völlig anders als noch vor zwei Wochen.

      »Was ist passiert, Herr Feller?« fragte Dr. Daniel behutsam.

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