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Frau«, urteilte Professor Thiersch.

      Dr. Daniel nahm wieder Platz. »Finde ich auch. Sie ist völlig verzweifelt.«

      Rudolf Thiersch nickte. »Wer wäre das nicht, angesichts einer solchen Diagnose. Wieviel weiß sie?«

      »Von den Metastasen hat sie keine Ahnung.«

      Der Professor kratzte sich nachdenklich am Kopf, während er Dr. Daniels Aufzeichnungen noch einmal genau durchsah.

      »Das Bauchfell«, murmelte er, er sah Dr. Daniel an. »Ist das alles?«

      Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich hoffe es, aber Sie wissen besser als ich, daß man bei der Sonographie nicht alles sieht.«

      Professor Thiersch nickte. »Das CT wird mehr Aufschluß bieten, und selbstverständlich werde ich Sie über die Untersuchungsergebnisse informieren. Soll ich Sie anrufen?«

      »Nicht nötig«, wehrte Dr. Daniel ab. »Ich komme am Mittwochnachmittag noch eimal her, um Frau Feller zu besuchen, und dann kann ich mir die Untersuchungsergebnisse auch gleich anschauen.«

      »In Ordnung.« Professor Thiersch stand auf und reichte Dr. Daniel die Hand. »Dann sehen wir uns also übermorgen.«

      Der Arzt verabschiedete sich, verließ die Klinik und bestieg Melissas Kleinwagen. Er ließ den Motor an und scherte rückwärts aus der Parklücke, dann schlug er die Richtung nach Steinhausen ein. Als er an einer roten Ampel warten mußte, dachte er an Patrick Feller, der jetzt allein zu Hause saß. Dr. Daniel warf einen prüfenden Blick auf seine Armbanduhr. Es war schon nach eins. In weniger als einer Stunde würde seine Nachmittagssprechstunde beginnen, und die war heute voll ausgefüllt. Trotzdem schlug er den Weg nach Grünwald ein und hielt knapp zehn Minuten später vor dem Haus der Fellers an.

      Patrick war erstaunt, als der Arzt noch einmal zurückkam, dann erschrak er.

      »Ist etwas mit Melissa?«

      »Nein, keine Sorge«, beruhigte Dr. Daniel ihn sofort. »Ich dachte nur… nun, vielleicht möchten Sie ein wenig mehr erfahren, als ich Ihnen heute vormittag sagen konnte.«

      Patrick zuckte merklich zusammen. »Heißt das… es ist… schlimmer? Ich meine, wird Melissa… sie wird doch wieder gesund, oder?«

      »Darf ich mich einen Augenblick setzen?« fragte Dr. Daniel.

      Patrick nickte zerstreut. »Ja, natürlich.«

      »Hallo, Paps! Was tust du denn zu Hause?« Die fröhliche Stimme eines etwa zwölfjährigen Mädchens unterbrach die beiden Männer. Jetzt sah sich das Mädchen um. »Wo ist Mutti denn?«

      »Später, Bea«, erklärte Patrick kurz, dann wandte er sich Dr. Daniel zu. »Das ist meine Tochter Beatrice.« Er sah seine Tochter an. »Bea, das ist Dr. Daniel. Geh jetzt bitte einen Augenblick nach oben. Ich möchte mit Dr. Daniel noch kurz sprechen. Später erkläre ich dir alles, ja?«

      Beatrice begriff, daß etwas Ernstes vorgefallen sein mußte, und gehorchte ohne ein weiteres Wort.

      »Der Zustand Ihrer Frau ist sehr ernst«, fuhr Dr. Daniel kurz darauf fort. »Der Tumor hat ganz offensichtlich schon Metastasen gebildet.«

      Patrick erstarrte. »Das ist… ein Todesurteil, nicht wahr?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Das muß es nicht sein, Herr Feller. Allerdings ist es mit einer Operation allein nicht abgetan, das sollten Sie wissen. Ihrer Frau habe ich davon natürlich nichts gesagt, und ich möchte Sie bitten, ebenfalls Stillschweigen zu bewahren. Ihre Frau braucht jetzt ihre ganze Kraft für die Operation. Die hat sie aber nicht, wenn sie erfährt, daß ihr anschließend noch eine Chemotherapie bevorsteht.«

      »Chemotherapie«, wiederholte Patrick leise. »Ich habe davon nicht sehr viel Ahnung. Ist das… sehr schlimm?«

      »Die Nebenwirkungen sind leider nicht zu unterschätzen. Es gibt Frauen, die die Chemotherapie relativ gut vertragen, aber von Übelkeit werden die meisten geplagt. Bei fast allen Chemotherapien bleibt auch der Haarausfall nicht aus. Allerdings werden damit gerade bei Eierstockkrebs gute Erfolge erzielt. Vor allem dieses neue Medikament, über das wir heute kurz gesprochen haben, gibt Anlaß zu großen Hoffnungen.«

      Mit jedem Wort, das Dr. Daniel gesagt hatte, war Patrick mehr zusammengesackt. Jetzt wirkte er völlig niedergeschlagen.

      »Das heißt, daß wir künftig mit dieser Krankheit leben müssen«, murmelte er.

      »Zumindest für die nächsten Monate«, meinte Dr. Daniel. »Und selbst wenn die Chemotherapie gut anschlägt, dann wird Ihre Frau noch oft zu Kontrolluntersuchungen in die Klinik kommen müssen.«

      »Aber sie wird leben«, erklärte Patrick, und Dr. Daniel sah den Hoffnungsschimmer in seinen Augen aufblitzen.

      Sekundenlang kämpfte er mit sich, entschloß sich dann aber zur Wahrheit. »Wie schlimm es wirklich aussieht, kann man wohl erst bei der Operation feststellen.«

      Patrick verstand. »Es ist also alles noch in der Schwebe. Niemand kann mir Gewißheit geben, daß Melissa überleben wird.«

      Impulsiv legte Dr. Daniel eine Hand auf Patricks Arm. »Sie dürfen die Hoffnung nicht aufgeben, Herr Feller. Es gibt eine Menge Frauen, die geheilt wurden.«

      Mit brennenden Augen starrte Patrick den Arzt an. »Und wie viele sind gestorben?«

      Dr. Daniel blieb ihm die Antwort darauf schuldig. »Am Donnerstagabend wissen wir mehr.« Dann stand er auf. »Ich würde Ihnen gern noch länger beistehen, aber ich muß jetzt in meine Praxis zurück.«

      Auch Patrick erhob sich. »Das ist schon in Ordnung, Herr Doktor, Und… danke für Ihre Offenheit.«

      *

      Dr. Daniel hatte das Haus kaum verlassen, als Beatrice die Treppe heruntergelaufen kam.

      »Was wollte der Mann?« fragte sie sofort.

      Mit einem tiefen Seufzer ließ sich Patrick auf das Sofa fallen, dann brach er in Tränen aus. Beatrice erschrak zutiefst. Es war das erste Mal in ihrem Leben, daß sie ihren Vater weinen sah.

      »Mutti!« erklang in diesem Moment von draußen eine Mädchenstimme. »Mutti, stell dir vor, ich habe in Englisch eine Eins geschrieben! Mutti!«

      Jetzt trat die vierzehnjährige Angela ins Wohnzimmer und blieb wie erstarrt mitten im Raum stehen. Auch sie hatte noch nie erlebt, daß ihr Vater dermaßen die Beherrschung verloren hatte.

      Mit fragendem Blick sah sie ihre jüngere Schwester an, doch Beatrice zuckte nur die Schultern. Angela trat näher zu ihr.

      »Paps hat doch noch nie geweint«, flüsterte sie. »Nicht mal bei Opas Beerdigung. Er war zwar nahe dran, aber er hat nicht geweint.«

      »Ich weiß«, gab Beatrice ebenso leise zurück, dann ging sie ein wenig zaghaft auf ihren Vater zu und setzte sich neben ihn. Mit einer zarten Geste berührte sie seine Hand.

      »Paps, was ist denn los?« fragte sie behutsam.

      Angela hatte auf der anderen Seite Platz genommen. Jetzt sah Patrick seine Tochter an, dann nahm er beide in die Arme und drückte sie fest an sich.

      »Wir… wir müssen jetzt sehr stark sein«, brachte er mühsam hervor. »Mutti ist krank… schwer krank.«

      Angela und Beatrice erschraken zutiefst.

      »Was fehlt ihr denn?« fragte Angela.

      Patrick atmete tief durch. »Mutti hat Krebs… Eierstockkrebs. Der Mann, der vorhin bei mir war, war Dr. Daniel.« Er schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: »Ihr wißt doch, daß es Mutti in letzter Zeit nicht sehr gut ging. Sie war bei vielen Ärzten, aber erst Dr. Daniel hat erkannt, was ihr wirklich fehlt. Er hat Mutti heute in die Klinik gebracht.«

      »Dürfen wir sie da besuchen?« fragte Beatrice zaghaft.

      Patrick nickte. »Natürlich dürfen wir das.« Er stand auf. »Wir werden uns jetzt

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