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ich so vorsichtig wie möglich sein werde. Und Sie versuchen bitte, sich zu entspannen.«

      Das Wasser im Bauch seiner Patientin erschwerte die Untersuchung außerordentlich, dennoch war sich Dr. Daniel seiner Sache bereits sehr sicher.

      »Sie können sich wieder ankleiden«, erklärte er dann, während er Melissa vom Stuhl half. »War’s sehr schlimm?«

      Tapfer schüttelte sie den Kopf. »Nein, Herr Doktor, es ging schon.«

      So rasch wie möglich schlüpfte Melissa in die Kleider. Sie wollte endlich erfahren, was mit ihr los war.

      »Sie wissen, was mir fehlt, nicht wahr?« fragte sie, als sie wieder neben den Arzt trat.

      Mit einer einladenden Handbewegung bot Dr. Daniel ihr Platz an.

      »Ja, Frau Feller, ich bin ziemlich sicher«, antwortete er dann und überlegte dabei schon, wie er dieser Frau die schlimme Nachricht möglichst schonend würde beibringen können, fand aber keinen Ausweg. Was er zu sagen hatte, ließ sich nicht in schöne Worte kleiden. »Allem Anschein nach handelt es sich um Eierstockkrebs.«

      Melissa erschrak zutiefst.

      »Krebs«, stammelte sie. »Das heißt… ich muß sterben?«

      Dr. Daniel schüttelte energisch den Kopf. »Nein, Frau Feller, keineswegs. Eierstockkrebs ist heute durchaus heilbar. Allerdings müssen Sie sofort in eine entspechende Klinik. Es liegt an Ihnen, wohin Sie gehen möchten, aber ich würde Ihnen die Thiersch-Klinik in München empfehlen. Sie ist eine der besten Kliniken für Krebskrankheiten und hat dabei noch den Vorteil, daß sie sich in den letzten Jahren gerade auf die typischen Frauenkrebsleiden spezialisiert hat. Und Professor Thiersch erzielt sehr große Erfolge.«

      Melissa nickte wie in Trance. »Ja, Herr Doktor, wenn Sie es für richtig halten.« Und dann brach sie plötzlich in Tränen aus. »Ich bin doch erst fünfundvierzig! Ich will noch nicht sterben!«

      Beruhigend legte Dr. Daniel einen Arm um die bebenden Schultern seiner Patientin.

      »Haben Sie nur keine Angst, Frau Feller«, bat er leise und spürte dabei, wie wenig trostreich seine Worte für Melissa klingen mußten. »Die Krebsforschung hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht. Ich kenne einige Frauen, die in derselben Lage waren wie Sie und die heute geheilt sind.« Von den vielen Patientinnen, für die jede Hilfe zu spät gekommen war, sprach er lieber nicht. Oftmals waren sie – wie Melissa Feller – von Arzt zu Arzt gegangen, und keiner hatte die Gefahr rechtzeitig erkannt. Und Dr. Daniel konnte nur hoffen, daß die Frau, die jetzt neben ihm saß, nicht dasselbe Schicksal ereilen würde.

      »Bleiben Sie einen Augenblick hier sitzen«, bat Dr. Daniel. »Ich werde Ihnen meine Sprechstundenhilfe hereinschicken, während ich mit Professor Thiersch telefoniere.«

      Er verließ für einen Moment das Zimmer, kehrte aber schon bald darauf mit der etwa fünfzigjährigen Sprechstundenhilfe zurück.

      »Ich muß mit Professor Thiersch sprechen«, erklärte er. »Kümmern Sie sich in der Zwischenzeit bitte ein bißchen um Frau Feller.«

      Die Sprechstundenhilfe nickte. Der Name des Professors war ihr durchaus ein Begriff, und so wußte sich auch, welch schlimme Nachricht die arme Frau gerade bekommen haben mußte.

      »Ich bin Lena Kaufmann«, stellte sie sich vor und bedachte Melissa dabei mit einem sehr herzlichen Lächeln.

      »Freut mich.« Die Antwort kam mechanisch, und Lena Kaufmann spürte, daß Melissas Gedanken ganz woanders waren.

      »Professor Thiersch ist ein erstklassiger Arzt«, erklärte sie wie tröstend. »Er hat schon viele Frauen geheilt.«

      Voller Hoffnung blickte Melissa in das runde Gesicht der Sprechstundenhilfe.

      »Das hat Dr. Daniel auch gesagt«, meinte sie. »Glauben Sie… glauben Sie, daß ich wieder… gesund werde?«

      »Ja«, meinte Lena Kaufmann. »Und Sie müssen auch ganz fest daran glauben.«

      *

      Währenddessen wählte Dr. Daniel im Nebenzimmer die Nummer der Thiersch-Klinik in München. Vor etlichen Jahren hatte er dort als Assistenzarzt gearbeitet und von Professor Rudolf Thiersch all das gelernt, was er heute wußte.

      »Krebs kann geheilt werden, wenn er frühzeitig erkannt wird«, hatte der Professor immer gesagt. »Und deshalb, Daniel, müssen Sie lernen, den Krebs so früh wie möglich zu erkennen.«

      Und Dr. Daniel hatte gelernt. Er war ganz versessen darauf gewesen, alles zu lernen. Und in den Jahren seiner Tätigkeit als niedergelassener Frauenarzt hatte sich diese Verbissenheit, mit der er damals an sich gearbeitet hatte, schon oft bezahlt gemacht.

      »Thiersch-Klinik, guten Tag«, meldete sich jetzt eine sympathische Frauenstimme.

      »Hier Dr. Robert Daniel«, gab sich der Arzt zu erkennen. »Verbinden Sie mich bitte mit Professor Thiersch. Es ist dringend«, fügte er noch hinzu.

      Die Dame am Telefon zögerte. »Normalerweise wünscht der Herr Professor am Vormittag nicht gestört zu werden.«

      Dr. Daniel kannte diese Angewohnheit seines früheren Chefs. Schon damals, als er Assistenzarzt gewesen war, hatte Professor

      Thiersch darauf bestanden, daß der Vormittag nur seinen Patienten gehörte.

      »Ich weiß«, erklärte Dr. Daniel jetzt. »Aber es ist wirklich dringend.«

      »Also schön, ich werde es versuchen«, gab die Dame nach, dann knackte es in der Leitung.

      Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich eine barsche Männerstimme meldete.

      »Thiersch!«

      »Guten Tag, Herr Professor, hier spricht Dr. Daniel aus Steinhausen.«

      »Daniel?« wiederholte Professor Thiersch. »Robert Daniel?

      »Ja, Herr Professor.«

      »Mein lieber Daniel. Sie müßten eigentlich am allerbesten wissen, daß der Vormittag nur meinen Patienten gehört«, erklärte Rudolf Thiersch mit unüberhörbarem Tadel in der Stimme.

      »Genau deshalb rufe ich Sie ja auch an, Herr Professor«, entgegnete Dr. Daniel. »Es geht um eine meiner Patientinnen.« Und dann faßte er sich so kurz, wie der Professor es immer erwartete. »Verdacht auf Eierstockkrebs und karzinösen Befall des Bauchfells.«

      Eine Weile war Schweigen in der Leitung.

      »Ich habe erst in drei Wochen

      ein Bett frei«, erklärte Professor Thiersch dann.

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf, als könnte der Professor es sehen. »Das ist zu spät. Meines Erachtens muß die Frau noch in dieser Woche operiert werden. Wenn das Bauchfell bereits Metastasen aufweist, dann…«

      »Verdammt, ich weiß selbst, was das bedeutet«, fiel Professor

      Thiersch ihm unwillig ins Wort. »Aber mein Haus ist voll bis unters Dach.« Er schwieg einen Moment. »Haben Sie es in der Krebs-Klinik Meiningen schon versucht?«

      »Nein, denn erstens bekommt man in Meiningen auch nicht so leicht einen Termin, und zweitens möchte ich die Frau bei Ihnen haben.«

      »Dickkopf«, knurrte Professor Thiersch. »Meiningen ist in mancher Hinsicht weiter als ich.«

      Gegen seinen Willen mußte Dr. Daniel lächeln. »Das glauben Sie ja wohl selbst nicht. Also, Herr Professor, was ist jetzt? Kann ich die Frau zu Ihnen schicken?«

      Der Professor seufzte wieder. »Also schön. Sie soll sich heute mittag hier einfinden. Irgendwo werde ich sie schon unterbringen.«

      »Danke, Herr Professor«, erklärte Dr. Daniel, und man hörte seiner Stimme an, daß dieser Dank von Herzen kam. Er verabschiedete sich von Professor Thiersch, dann legte er auf und ging rasch ins Nebenzimmer.

      »Also, Frau Feller, Sie können noch heute mittag in die Klinik«, erzählte er.

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