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wenn sie normalerweise für was anderes zuständig sind.«

      Dr. Daniel mußte über diese Ausdrucksweise schmunzeln. »Ich werde mal sehen, was sich machen läßt. Wo ist er denn jetzt?«

      »Vorhin hat er Schnee geschaufelt, aber jetzt ist er wohl zur Mariengrotte hinauf. Sie wissen schon, da, wo die Bäuerin – Gott hab’ sie selig – begraben ist.«

      Dr. Daniel nickte. »Gut, Vevi, ich werde ihn schon finden.«

      Er verließ den Hof und seufzte leise. Der Weg zur Mariengrotte würde bestimmt eine weitere halbe Stunde in Anspruch nehmen. Und er war noch ein bißchen steiler als der Aufstieg zum Gröber-Hof. Doch das Schicksal hatte ein Einsehen mit Dr. Daniel, denn jetzt kam Martin aus dem Wald und direkt auf ihn zu,

      Als er nur noch ein paar Schritte von Dr. Daniel entfernt war, bemerkte er den Arzt plötzlich und blieb so abrupt stehen, als wäre er gegen eine Mauer gerannt.

      »Herr Doktor«, brachte er mühsam hervor, dann erschrak er. »Ist etwas mit Claudia?«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, Martin, alles in Ordnung. Sie fühlte sich nur ein bißchen einsam.«

      »Einsam?« wiederholte der junge Mann gedehnt. »Aber… sie ist doch in der Klinik. Da hat sie sicher Gesellschaft.»

      »Das schon, allerdings ist es nicht die Gesellschaft, die sie sich wünscht.«

      Martin zuckte die Schultern, dann senkte er den Kopf. »Was soll ich da tun? Meine Gesellschaft will sie ja erst recht nicht.«

      »Du hast sie aber doch sehr lieb, oder?«

      Obwohl Martin den Kopf noch immer gesenkt hielt, konnte Dr. Daniel sein Erröten erkennen. Impulsiv legte er einen Arm um die Schultern des jungen Mannes.

      »Na, was ist? Habe ich nicht recht?«

      Martin nickte. »Doch. Aber was hilft’s? Sie mag mich nicht.«

      »Bist du dir da so sicher?«

      »Ja. Sie hat mich abgewiesen, und sie ist mir ständig aus dem Weg gegangen. Wie würden Sie ein solches Verhalten beurteilen? Das sieht für Sie sicher auch nicht wie innige Liebe aus, oder?«

      »Nein, es ist Angst«, antwortete Dr. Daniel rundheraus. »Schau mal, Martin, Claudia hatte ein sehr schlimmes Erlebnis. Nicht genug damit, daß ihr Freund sie im Stich gelassen hat – auch ihre Eltern haben ihr jegliche Unterstützung versagt. Und wenn sie nicht zufällig in der Steinhausener Kirche gelandet wäre, dann wären vielleicht weder sie noch Marianne am Leben.«

      Martin erschrak bei diesen Worten zutiefst. An so etwas hätte er nie im Leben gedacht. Sicher, auch ihm war ja der Gedanke gekommen, daß Mariannes Vater an Claudias Haltung ihm gegenüber schuld war, und eine Weile hatte er auch um sie kämpfen und ihr beweisen wollen, daß nicht alle Männer gleich seien, doch nachdem Claudia trotz aller Bemühungen eher noch abweisender zu ihm geworden war, hatte er irgendwann die Hoffnung aufgegeben, sie jemals für sich zu gewinnen. Aber jetzt auf einmal dämmerte ihm der tiefere Sinn von Dr. Daniels Worten.

      »Heißt das… glauben Sie… soll ich versuchen…«

      Dr. Daniel mußte lachen. »Ja, Martin, ich glaube, du solltest ihr einen Heiratsantrag machen – vorausgesetzt, du meinst es wirklich ehrlich mit deiner Liebe.« Er wurde ernst. »Einen weiteren Verrat würde Claudia nicht überstehen.«

      Mit entrüstetem Blick sah Martin ihn an. »Wie können Sie so etwas von mir denken! Ich liebe Claudia!«

      »Gnade, Martin«, flehte Dr. Daniel. »So habe ich es doch nicht gemeint. Ich weiß ja, daß du ein anständiger Kerl bist. So, und jetzt würde ich vorschlagen, daß du mit mir nach Steinhausen hinuntergehst, und dann fahre ich dich in die Klinik, einverstanden?«

      »Und ob!« bekräftigte Martin, dann lief er rasch ins Haus, zog sich in Windeseile um und folgte Dr. Daniel schließlich ins Tal.

      »Müssen Sie jetzt meinetwegen extra nach München fahren?« fragte er plötzlich, und etwas wie schlechtes Gewissen kam in ihm hoch.

      »Nein«, antwortete Dr. Daniel und verzieh sich in diesem Fall die kleine Notlüge. Dann kam ihm der Gedanke, daß er die nochmalige Fahrt nach München mit einem Besuch bei seinen Kindern verbinden könnte, und so fügte er hinzu: »Ich wollte sowieso mal bei Karina und Stefan vorbeischauen. Die beiden erkennen sonst eines Tages ihren eigenen Vater nicht mehr.«

      Martin lächelte höflich über diesen kleinen Scherz, doch Dr. Daniel spürte, daß er mit seinen Gedanken ganz woanders war.

      »Herr Doktor, ich kann doch nicht so mit leeren Händen zu Claudia gehen«, fiel es dem jungen Mann plötzlich ein.

      »Sie wird sich über deinen Besuch so sehr freuen, daß ein Geschenk gar nicht nötig ist«, meinte Dr. Daniel.

      »Aber…«, begann Martin, dann entdeckte er ein winziges Geschäft, das sich zwischen zwei Mietsblöcken nahezu verschüchtert hinduckte. »Können Sie hier mal irgendwo halten?«

      Dr. Daniel bemerkte eine Garageneinfahrt, in der er für einen Augenblick stehenbleiben konnte. Martin öffnete die Autotür.

      »Ich steige hier aus und gehe dann zu Fuß zur Klinik«, beschloß er kurzerhand.

      »Das ist aber noch ein ganzes Stück«, gab Dr. Daniel zu bedenken. »Außerdem glaube ich nicht, daß du dich in dieser Gegend besonders gut auskennst.«

      Martin lächelte. »Ich bin zwar auf einem Bergbauernhof aufgewachsen, aber dumm bin ich deshalb noch lange nicht.«

      »Das wollte ich damit auch gar nicht andeuten«, verwahrte sich Dr. Daniel sofort. »Es ist nur…«

      »Keine Angst, Herr Doktor, ich frage mich schon durch«, fiel Martin ihm ins Wort. »Bis jetzt habe ich noch alles gefunden, und das wird sich bei dieser Klinik ganz bestimmt nicht ändern. Vielen Dank fürs Herfahren.«

      Er winkte Dr. Daniel zum Abschied noch einmal zu, dann ging er die wenigen Schritte bis zu dem kleinen Geschäft wieder zurück. Dr. Daniel folgte ihm mit den Augen, dann zuckte er die Schultern und fuhr weiter. Martin war erwachsen, und er war keineswegs unbeholfen. Er würde die Klinik mit Sicherheit finden.

      *

      Claudia las gerade in einer Zeitschrift, als sich nach kurzerm Anklopfen die Tür öffnete und Martin hereintrat.

      »Darf ich stören?« fragte er mit einem nahezu schüchternen Lächeln.

      Beim Klang der Stimme, die sie in den vergangenen Tagen so schmerzlich vermißt hatte, sah Claudia wie elektrisiert auf, dann glitt ein freudiges Strahlen über ihr Gesicht.

      »Martin! Endlich!« entfuhr es ihr, und kaum wurde ihr bewußt, was sie mit diesen beiden Worten von sich preisgegeben hatte, da errötete sie tief und senkte verlegen den Blick.

      Heißt das, daß du mich vermißt hast?« fragte Martin leise, während er näher an ihr Bett trat.

      Claudia zögerte, dann sah sie auf – direkt in seine sanften, dunklen Augen. »Ja, Martin, ich habe dich vermißt. Sehr sogar.«

      Martin hatte das Gefühl, nicht mehr atmen zu können, weil ihm die Brust so eng wurde. Sollte Dr. Daniel tatsächlich recht gehabt haben? Liebte Claudia ihn wirklich?

      Langsam trat er näher an ihr Bett, berührte für einen Augenblick ihre Hand und gab ihr dann das kleine, hübschverpackte Geschenk.

      »Hier, Claudia, das ist für dich.«

      Ein wenig ratlos sah Claudia das Päckchen an, dann hob sie den Blick. »Das wäre doch nicht nötig gewesen, Martin. Dein Besuch allein freut mich doch schon.«

      Martin wurde ernst. »Das ist nicht irgendein Geschenk, Claudia – es ist etwas ganz Besonderes.«

      Durch seine Worte neugierig geworden, öffnete Claudia das Päckchen, dann stieß sie einen Schrei des Entzückens und der Überraschung aus. Auf tiefrotem Samt lag ein kleines goldenes Herz an einer zarten Kette.

      »Ich

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