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nickte und versuchte, seine Atmung der Claudias anzupassen. Es klappte so gut, als hätten sie es regelmäßig geübt. Und als sich Claudia in der Wehenpause erschöpft an ihn lehnte, da durchströmte Martin ein heißes Glücksgefühl.

      »Es wird alles gut, Mädel«, meinte er leise. »Zusammen kriegen wir das schon hin.«

      Claudia nickte tapfer.

      »Es ist gut, daß du hier bist«, gestand sie leise. »Ohne dich…« Sie wagte sich gar nicht vorzustellen, was geschehen wäre, wenn Martin sie nicht doch noch gehört hätte.

      Und dann ging plötzlich alles ganz schnell. Dr. Daniel traf atemlos auf dem Bergbauernhof ein und hatte kaum Zeit, sich die Hände zu waschen, denn Claudia schrie plötzlich auf vor Schmerz.

      Rasch war der Arzt an ihrer Seite. Martin wollte aufstehen und sich zurückziehen, doch Dr. Daniel bedeutete ihm zu bleiben – abgesehen davon, daß Claudia Martins Hände so fest umklammert hielt, daß es ihm schwergefallen wäre, sich aus diesem Griff zu befreien.

      »Ganz ruhig, Claudia«, erklärte Dr. Daniel. »Es ist alles völlig normal. Das Baby kommt schon.«

      Claudia keuchte vor Anstrengung.

      »Es tut so weh«, stöhnte sie.

      »Ja, Claudia, ich weiß, das es weh tut.« Dr. Daniels Stimme klang ruhig und sicher. »Es wird gleich noch ein bißchen mehr weh tun. Wenn die nächste Wehe kommt, dann müssen Sie ganz fest pressen.« Er legte ihr eine Hand auf den Bauch. »Jetzt, Claudia.«

      Sie versuchte, seinem Befehl Folge zu leisten, und als sie glaubte, der Schmerz müsse sie zerreißen, da hörte sie ein zartes, quäkendes Stimmchen. Im nächsten Moment legte Dr. Daniel ihr ein warmes, feuchtes Baby auf den Bauch und deckte es mit einem weichen, flauschigen Tuch zu.

      Tränen des Glücks rannen Claudia über die Wangen. Die Schmerzen, die sie durchgestanden hatte, waren vergessen. Liebevoll betrachtete sie das noch etwas zerknautsche Gesichtchen und streichelte mit einem Finger das kleine Büschelchen feuchter dunkler Haare.

      »Mein kleiner Liebling«, flüsterte sie und konnte nicht aufhören, dieses winzige Wesen zu streicheln und zu liebkosen. Noch immer lag sie an Martin gelehnt da, doch es wurde ihr überhaupt nicht bewußt. Sie hatte alles um sich her vergessen.

      Erst als er das Baby berührte, wurde Claudia wieder an seine Anwesenheit erinnert. Sie bog den Kopf zurück und lächelte zu ihm hinauf.

      »Ist es nicht wunderschön, Martin?« fragte sie leise.

      Er nickte nur – sprachlos angesichts des Wunders, das er hier hatte erleben dürfen.

      In diesem Moment kehrte Dr. Daniel, der für einige Minuten hinausgegangen war, um Mutter und Kind eine Erholungspause zu gönnen, wieder zurück.

      »Nun, wozu darf man gratulieren?« wollte er wissen. Und als er Claudias verständnislosen Blick bemerkte, fügte er lächelnd hinzu: »Wissen Sie etwa noch gar nicht, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist?«

      Claudia schüttelte den Kopf. Es war für sie völlig unwichtig gewesen, ob es nun ein Mädchen oder ein Junge war. Es war ihr Kind, und das allein zählte für sie. Doch dann machte sie sich – noch ein wenig ungeschickt – daran, das Geschlecht des Kindes zu erforschen.

      »Ein Mädchen«, murmelte sie, und plötzlich fiel ihr ein, daß sie sich überhaupt keinen Namen für das Baby überlegt hatte. Irgendwie hatte sie immer mit einem Jungen gerechnet, und den wollte sie – in einer Anwandlung von Sentimentalität – Eduard taufen. Doch jetzt, in diesem Augenblick, war sie überglücklich, daß sie ein Mädchen bekommen hatte – keinen Sohn von Eduard, sondern ein Töchterchen mit Martin.

      »Wie hieß deine Mutter?« wollte Claudia nun von ihm wissen.

      Martins Stirn umwölbte sich ein wenig. Die Erinnerung an seine geliebte Mutter, die viel zu früh hatte sterben müssen, stimmte ihn noch immer sehr traurig.

      »Sie hieß Marianne«, antwortete er leise.

      »Marianne«, wiederholte Claudia, dann sah sie wieder zu Martin auf. »Ein schöner Name für unser Kind, findest du nicht?«

      Die Art, wie sie »unser Kind« sagte, trieb Martin Tränen in die Augen. Genau dasselbe hatte er auch gedacht, als das Baby zur Welt gekommen war, doch jetzt drängte sich ihm unwillkürlich der Gedanke an Mariannes Vater auf. Und auch Claudias abweisende Reaktion der letzten Monate wurde ihm plötzlich sehr deutlich bewußt. Sie hatte gesagt, daß sie mit Männern nichts mehr zu tun haben wollte, und an dieser Einstellung war Mariannes Vater schuld. Rasch erhob sich Martin von Claudias Bett, ließ sie vorsichtig in die Kissen zurückgleiten und wandte sich ab.

      »Es ist dein Kind«, murmelte er, dann verließ er hastig das Zimmer.

      Bestürzt sah Claudia ihm nach, dann richtete sie ihren Blick auf Dr. Daniel.

      »Ich… ich wollte ihm mit meiner Frage nicht weh tun«, beteuerte sie. »Es war doch nur… ich… ich hatte nie mit einem Mädchen gerechnet. Und Martin war bei der Geburt dabei, da dache ich… wenn das Baby den Namen seiner Mutter…«

      »Das ist nicht der Grund für seine Flucht«, fiel Dr. Daniel ihr sanft ins Wort. »Martin liebt Sie, und Sie haben ihn abgewiesen. Die Bemerkung ›unser Kind‹ muß in seinen Ohren doch wie Hohn klingen, meinen Sie nicht?«

      Clauda senkte den Kopf. »Ja… natürlich, aber… so habe ich das doch nicht gemeint. Er war dabei, als Marianne zur Welt kam. Ohne ihn… ich weiß nicht, wie ich es geschafft hätte. Ich muß ihm sagen, daß…« Sie wollte sich aufrichten, doch Dr. Daniel hielt sie zurück.

      »Augenblick, junge Mami«, meinte er. »Vorerst müssen Sie sich noch ein bißchen ausruhen. Und dann werde ich Sie und das Baby warm einpacken und nach Steinhausen bringen. Ich nehme zwar an, daß alles in Ordnung ist, aber die Kleine sollte von einem Facharzt untersucht werden, und der bin ich nun mal leider nicht.«

      »Heißt das… ich muß weg von hier?« fragte Claudia erschrocken.

      Dr. Daniel nickte. »Ich lasse Sie und die Kleine in die Klinik von Dr. Sommer bringen. So war es schließlich von vornherein geplant.«

      »Ja, schon, aber Marianne ist doch gesund. Sie…«

      Wieder fiel Dr. Daniel ihr ins Wort. »Es muß der sogenanne Apgar-Test gemacht werden, und dann muß man immer mit der Neugeborenen-Gelbsucht rechnen. Normalerweise ist das nicht weiter schlimm, aber gelegentlich kann diese Gelbsucht so ausgeprägt sein, daß das Baby behandelt werden muß. Dr. Sommer hat in seiner Klinik das nötige Zubehör dafür. Und auch ohne Gelbsucht sind Sie und Marianne in den nächsten paar Tagen bei ihm besser aufgehoben.«

      Claudia sah ein, daß es keinen Sinn hatte zu widersprechen. Und wahrscheinlich hatte Dr. Daniel ja auch recht. In einer Klinik würde für sie und Marianne sicher besser gesorgt sein als hier auf dem Bergbauernhof. Und doch… aus irgendeinem Grund tat Claudia der Abschied weh – auch wenn es nur für ein paar Tage war. Und sie wußte eigentlich gar nicht so richtig, weshalb ihr der Abschied so weh tat.

      *

      Inzwischen war Dr. Daniel in die Stube hinuntergegangen.

      »Und? Wie geht’s dem Mädel?« wollte der alte Gröber sofort wissen.

      »Mutter und Kind wohlauf«, erklärte Dr. Daniel lächelnd. »Ein Mädchen hat sie bekommen.«

      Der alte Gröber nickte. »Weiß ich schon. Martin hat’s gesagt, aber dann ist er wie der Teufel zur Tür hinaus.« Er schüttelte nachdenklich den Kopf. »Seltsam, ich dachte immer, er mag das Mädel.«

      »Das war ja auch der Grund für seine Flucht«, entgegnete Dr. Daniel.

      »Wie bitte?« Das Gesicht des Bauern war ein einziges Fragezeichen, dann hob er abwehrend beide Hände. »Da verstehe einer die jungen Leute. Früher ist ein junger Bursche halt zu dem Mädel hingegangen, das er gern gehabt hat, und heute… heute laufen sie davon.« Wieder schüttelte er den Kopf. »Um das noch zu verstehen, bin ich wohl doch schon zu alt.«

      Dr.

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