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Sie hier oben nicht angebracht und wohl auch nicht erwünscht wäre.

      »Der Ton könnte von der Vevi sein«, urteilte Thomas, dann kehrte er wieder in die Küche zurück und erklärte Claudia alles, was sie wissen mußte.

      »Sie bleiben doch noch zum Essen, Herr Doktor, oder?« fragte sie schließlich.

      »Mein lieber Mann, die hat sich ja schnell eingelebt«, meinte Thomas, und etwas wie Bewunderung klang in seiner Stimme mit.

      Auch Dr. Daniel hatte den Eindruck, daß sich Claudia hier schon sehr wohl fühlte, und es freute ihn ganz besonders.

      »Ja, Fräulein Sandner«, stimmte er zu. »Ich bleibe gern.«

      »Claudia«, verbesserte sie und lächelte den Arzt an. »Einfach nur Claudia.« Dann sah sie zu Thomas hinüber. »Ich glaube, das ist hier so üblich.«

      Thomas nickte. »Stimmt genau.« Dann grinste er. »Du bist richtig, Mädel.«

      *

      Kurz vor zwöf Uhr traf der Rest der Gröber-Familie ein. Der Bauer nahm sich gerade noch Zeit, Dr. Daniel zu begrüßen, dann wandte er sich mit strengem Blick an Thomas.

      »Warum bist du nicht in der Küche?« wollte er wissen. »Hast du nichts anderes zu tun, als mit dem Herrn Doktor zu reden? Normalerweise sollte das Essen auf dem Tisch stehen, wenn wir kommen.«

      »Das tut es auch!« rief Claudia aus der riesigen Wohnküche. »Kommt nur alle herein, sonst werden die Knödel kalt.«

      Einen Augenblick waren die Männer sprachlos, dann ergriff Thomas das Wort.

      »Sie hat hier das Regiment übernommen, als wäre sie eine Tochter von der Vevi.« Dann grinste er. »Aber sie ist tausendmal hübscher.«

      Der alte Gröber drohte mit dem Zeigefinger. »Halt dich bloß zurück, du Westentaschen-Casanova.« Doch seine Neugier trieb ihn sofort in die Küche.

      Bei seinem Eintreten wandte sich Claudia um und lächelte ihn freundlich an, dann streckte sie die rechte Hand aus.

      »Ich bin die Claudia«, stellte sie sich vor. Sie ahnte, daß der Nachname für den alten Gröber bedeutungslos sein würde.

      Mit festem Druck ergriff der Bauer die dargebotene Hand und musterte das junge Mädchen dabei eingehend.

      »Recht hat er schon, der Thomas«, meinte er, dann fand er es an der Zeit, sich ebenfalls vorzustellen. »Ich bin der Gröber Sepp, sagst aber einfach Bauer zu mir. Das tut die Vevi auch.«

      Dr. Daniel hatte inzwischen ebenfalls die Küche betreten, und ein Blick auf diese Szene genügte ihm, um zu wissen, daß Claudia hier herzlich aufgenommen wurde und sich offensichtlich auch schon recht wohl fühlte. Jetzt drehte sich der alte Gröber um und winkte seine Söhne herein.

      »Den Thomas hast du ja schon kennengelernt«, sagte er zu Claudia. »Er ist mein Jüngster. Der Franz ist der mittlere, und der Martin wird mal den Hof übernehmen.« Damit war für ihn der Höflichkeit Genüge getan. »So, und jetzt essen wir.«

      Es wurde eine schweigsame Mahlzeit, denn die Männer waren allesamt hungrig und nahmen sich nicht die Zeit für eine Plauderei. Für Claudia war das alles neu und so völlig anders, als sie es gewohnt war, trotzdem fühlte sie sich in diesem Moment so wohl wie schon lange nicht mehr, und sie freute sich unsagbar auf die Zeit, die sie hier oben würde verbringen dürfen.

      *

      Es war keine leichte Aufgabe, dem großen Hauswesen auf dem Gröber-Hof vorzustehen, aber nachdem Claudia mit so viel Eifer ans Werk ging, fühlte sie sich auf dem stattlichen Bergbauernhof bald wie zu Hause. Anfangs hatte sie sich lediglich um das leibliche Wohl der Männer gekümmert, hatte gekocht und das Haus saubergehalten, aber nach und nach übernahm sie auch die anderen Pflichten, die die Wirtschafterin früher innegehabt hatte.

      Martin hatte ihr gezeigt, wie man mit der Melkmaschine umging, und Claudia hatte eine glückiche Hand mit Tieren. Sogar der sonst recht mißtrauische Hofhund lief ihr schon nach wenigen Tagen auf Schritt und Tritt hinterher. Auch jetzt saß er an Claudias Beine geschmiegt und ließ sich den Kopf kraulen.

      »Der Hasso hat dich anscheinend recht lieb«, meinte der alte Gröber, während er sich neben Claudia setzte.

      Sie blickte auf den schönen Schäferhund hinunter, dann lächelte sie den Bauern an. »Ja, scheint so. Ich mag ihn aber auch sehr gern.« Sie schwieg kurz. »Überhaupt bin ich gern hier.«

      Der Bauer paffte an seiner Pfeife und nickte. »Das ist recht. Bist auch ein fleißiges Mädel.« Er überlegte einen Moment und kratzte sich mit dem Mundstück der Pfeife an der Schläfe. »Die Buben mögen dich auch.«

      Claudia hatte Mühe, sich ein Schmunzeln zu verkneifen, denn die Bezeichnung »mögen« war stark untertrieben. Martin, Franz und Thomas versuchten sich gegeneitig zu übertrumpfen, wenn es darum ging, ihr einen Gefallen zu tun oder ihr irgendwie behilflich zu sein.

      »Ich kann sie auch gut leiden – alle drei«, erklärte Claudia, denn sie wußte, daß der Bauer das hören wollte.

      Wieder nickte er zufrieden, dann lehnte er sich mit geschlossenen Augen an die Hauswand und genoß die letzten Sonnenstrahlen. Erst als die Dämmerung hereinbrach, stand er auf.

      »So, für mich wird’s Zeit, daß ich mich aufs Ohr lege«, meinte er. »Morgen muß ich wieder früh raus.«

      Auch Claudia erhob sich. Für sie galt ebenfalls ein anderer Rhythmus als früher, denn wenn der Bauer um fünf Uhr morgens in die Küche kam, mußte sein Frühstück bereitstehen.

      »Ich muß morgen nach Steinhausen hinunter« erklärte Claudia, während sie die Haustür abschloß. »Es gibt einige Besorgungen zu machen, außerdem habe ich einen Termin bei Dr. Daniel.«

      Der alte Gröber nickte. »Schon gut, Claudia. Einer der Buben soll dich begleiten.« Dann hob er eine Hand wie zum Gruß. »Gute Nacht.«

      Auch Claudia zog sich in ihre Kammer zurück, legte sich ins Bett und war gleich darauf eingeschlafen. Am nächsten Morgen stand sie eine halbe Stunde früher auf als sonst, denn es galt eine Menge Arbeit zu erledigen, bevor sie sich auf den Weg ins Dorf machen konnte.

      Und als die Männer zum Frühstück erschienen, hatte Claudia nicht nur Kaffee gekocht, sondern auch schon den Hund gefüttert und die Kühe gemolken.

      »Einer von euch muß mich heute nach Steinhausen begleiten«, erklärte sie, als sie mit den Gröbers am Frühstückstisch saß. Wie auf Kommando sahen Martin, Franz und Thomas auf.

      »Ich komme mit«, meldete sich Martin als erster zu Wort.

      »Warum du?« wollte Thomas wissen. »Ich dachte…«

      »Überlaß das Denken den Pferden, die haben größere Köpfe als du«, unterbrach Martin ihn. »Ich gehe mit Claudia hinunter. Ende der Diskussion.«

      Der alte Gröber schmunzelte bei diesen Worten in seine Kaffeetasse hinein. Er wußte genau, was mit Martin los war… was mit allen seinen Söhnen los war. Die waren nämlich allesamt in die hübsche Claudia verliebt, und der Bauer gönnte ihnen diese Verliebtheit von Herzen. Seine Buben kamen viel zu selten unter Mädchen, weil es auf dem Hof immer haufenweise Arbeit zu erledigen gab. Den ganzen Sommer über war dann jedesmal einer von ihnen auf der Hochalm. Dieses Jahr war es Franz gewesen, nächstes Jahr würde Thomas wieder an der Reihe sei.

      »Also, Vater, wir gehen dann«, erklärte Martin und riß ihn so aus seinen Gedanken.

      »Das Mittagessen habe ich vorbereitet«, fügte Claudia hinzu. »Ihr braucht es nur aufzuwärmen. Bis zum Nachmittag sind wir bestimmt wieder hier oben.«

      Dann machten sie sich auf den Weg ins Tal. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her.

      »Gehe ich zu schnell?« wollte Martin schließlich wissen.

      »Nein, nein«, entgegnete Claudia lächelnd. »Da komme ich schon noch mit. Außerdem ist es bergab nicht so anstrengend.«

      Martin

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