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das du eine Stinkwut hast«, fügte Dr. Sommer hinzu. »Oder hat sich das inzwischen geändert?«

      Dr. Daniel seufzte. »Nein, aber alles Reden und Beschweren hat keinen Sinn. Der alte Bergmann ist einfach zu verbohrt. Dabei ist gerade bei uns in Steinhausen die Zahl der Ehepaare, die keine Kinder bekommen können, so hoch wie nirgends sonst. Das kommt doch nicht von ungefähr, oder?« Ärgerlich winkte er ab. »Aber das glaubt mir ja sowieso keiner – und die Bergmanns schon gar nicht.«

      Dr. Sommer zuckte die Schultern. »Vielleicht wird’s besser, wenn der Junge erst das Werk übernimmt. Dieser Rainer muß doch ein ganz aufgeweckter Bursche sein. Immerhin hast du über ihn meistens recht nett gesprochen.«

      Dr. Daniel nickte. »Ja, Rainer ist schon in Ordnung – als Mensch. Wie er sich entpuppt, wenn er erst Chef der CHEMCO ist, wird sich zeigen. Außerdem können da noch Jahre vergehen, bis es soweit ist. Der alte Bergmann hat das Steuer bestimmt noch fest in der Hand.« Dann schüttelte er unwillig den Kopf. »Komm, Schorsch, laß uns von was anderem reden. Ich rege mich nur auf, wenn ich an die CHEMCO denke.«

      Freundschaftlich legte Dr. Sommer einen Arm um Dr. Daniels Schultern. »Das will ich natürlich nicht. Also komm, Robert, fahren wir zu mir und trinken noch was – zur Beruhigung und auf die neue Erdenbürgerin, die du auf die Welt befördert hast.« Dr. Sommer grinste. »Ein Prachtkind. Könnte glatt von mir sein.«

      Die beiden Männer lachten, dann verließen sie die Klinik.

      *

      Claudia hatte endlich die Wahrheit erkannt. Sie liebte Martin Gröber, und sie hatte Sehnsucht nach ihm. Seit Mariannes Geburt hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Das war jetzt drei Tage her, doch es schien Claudia, als wären inzwischen Monate vergangen.

      »Guten Tag, junge Mami, wie geht’s?«

      Lächelnd betrat Dr. Daniel das Zimmer. Claudia richtete sich auf und sah ihm strahlend entgegen.

      »Schön, daß Sie mich besuchen, Herr Doktor«, erklärte sie. »Meine Kleine schläft so viel, da ist es manchmal ein bißchen langweilig hier drinnen.«

      Ohne viele Umstände setzte sich Dr. Daniel zu ihr aufs Bett. »Die meisten jungen Mütter beschweren sich, weil ihr Baby eben nicht so viel schläft.«

      Claudia nickte. »Ich weiß schon. Nachts im Stillzimmer begegne ich oft jungen Müttern, die alle zwei oder drei Stunden zum Stillen geholt werden. Marianne verlangt in der Nacht nur einmal nach mir; ich werde also ganz schön von ihr verwöhnt.«

      »Hoffentlich bleibt es so«, meinte Dr. Daniel, dann sah er Claudia prüfend an. »Aber trotz des Glücks sehe ich ein bißchen Melancholie in Ihren Augen, oder täusche ich mich da?«

      Claudia senkte den Kopf. »Nein, Herr Doktor, da sehen Sie schon richtig. Ich glaube, ich habe in den letzten Monaten viele Fehler gemacht.« Sie zögerte, dann gestand sie leise: »Martin fehlt mir sehr.«

      »Er hat Sie noch nicht besucht?«

      Claudia schüttelte nur den Kopf.

      »Und Eduard?« fragte Dr. Daniel weiter. »Was ist mit ihm?« Er schwieg einen Augenblick. »Immerhin sagten Sie noch vor nicht allzu langer Zeit, Sie würden ihn niemals vergessen.«

      Claudia errötete. »Jetzt halten Sie mich wohl für wankelmütig, nicht wahr?«

      »Nein, Claudia, ganz und gar nicht«, wehrte Dr. Daniel sofort ab. »Ein Herz kann sich irren. Ich habe Ihnen damals schon gesagt, daß Sie vielleicht einmal ein neues Glück finden werden. Verständlicherweise konnten Sie mir das zu diesem Zeitpunkt noch nicht glauben, aber Sie sehen jetzt, daß nicht jede unerfüllte Liebe ein Leben lang weh tun muß.«

      »Ja, Herr Doktor, ich glaube, Sie haben recht.« Nachdenklich senkte Claudia den Kopf, dann sah sie wieder auf. »Es ist seltsam, aber in den letzten Monaten habe ich überhaupt nicht mehr an Eduard gedacht. Martins Nähe war für mich viel wichtiger, auch wenn ich es nicht bemerkt habe und ihm ständig aus dem Weg gegangen bin.« Und plötzlich mußte sie gegen die aufsteigenden Tränen ankämpfen. »Dadurch habe ich ihn jetzt wahrscheinlich verloren.«

      Impulsiv griff Dr. Daniel nach ihrer Hand und tätschelte sie sanft. »Sie sollten nicht zu schwarz sehen, Claudia. Eine wahre Liebe kann man nicht so einfach aus seinem Herzen streichen, und ich glaube, was Martin für Sie fühlt, ist echt.« Er zögerte einen Moment. »Darf ich mit ihm sprechen?«

      Claudia errötete. »Aber… Sie können ihm doch nicht einfach sagen, daß ich…«

      »Für einen solchen Tolpatsch sollten Sie mich nun auch nicht halten«, fiel Dr. Daniel ihr mit einem gutmütigen Lächeln ins Wort. »Ich gedenke nicht, mich wie der sprichwörtliche Elefant im Porzellanladen aufzuführen.« Er stand auf. »Vertrauen Sie mir?«

      Lächelnd blickte Claudia zu ihm auf. »Wenn ich Ihnen nicht vertrauen würde, wem dann?«

      *

      »Ja, sag mal, hast du denn gar nichts anderes zu tun, als dich in meiner Klinik herumzutreiben?«

      Dr. Daniel war gerade auf den Flur getreten. Jetzt ließen ihn die Worte seines Freundes herumfahren, dann grinste er.

      »Ich muß mich doch nach dem Befinden meiner Patientin erkundigen dürfen«, meinte er.

      Drohend hob Dr. Sommer den Zeigefinger. »Was soll denn das heißen? Glaubst du vielleicht, deine Patientin wäre bei mir schlecht untergebracht?«

      »Unsinn, Schorsch!« widersprach Dr. Daniel energisch. »Ich habe dir schon vor drei Tagen gesagt, daß Claudia hier bei dir in den besten Händen ist. Nein, mein lieber Freund, meine Mission erstreckt sich mehr auf Herzensangelegenheiten.«

      »Amor läßt grüßen«, vermutete Dr. Sommer. »Du willst dir doch wohl keinen Kuppelpelz verdienen?«

      Dr. Daniel grinste. »Nicht nötig. Gefunden haben sie sich schon ganz allein. Jetzt muß der gute Junge nur noch mit der Nase darauf gestoßen werden. Er scheint nämlich ein paar Bemerkungen seiner Herzensdame in den falschen Hals bekommen zu haben.«

      »Und der ehrenwerte Dr. Daniel muß nun vermittelnd eingreifen«, entgegnete Dr. Sommer mit gespielter Boshaftigkeit. »Sag mal, wann kümmerst du dich eigentlich um deine Praxis?«

      »Heute ist Freitag, und da schließe ich meine Praxis ab vier Uhr nachmittags«, belehrte Dr. Daniel den Freund. »Sonst noch irgendwelche Auskünfte erwünscht?«

      »Danke, das genügt.« Dr. Sommer legte einen Arm um die Schultern seines Freundes. »Du bist ein Prachtkerl, weißt du das?«

      Dr. Daniel errötete. »Ach, komm, hör auf.« Dann warf er einen Blick auf seine Armbanduhr. »Tut mir leid, Schorsch, aber ich muß los. Ich habe heute noch einiges vor.«

      Dr. Sommer lachte. »Ich weiß schon. Also, viel Glück, du Heiratsvermittler.«

      »Du bist wirklich unverbesserlich«, hielt Dr. Daniel ihm vor, dann winkte er ihm noch einmal zu, bevor er die Klinik verließ und raschen Schrittes zu seinem Auto ging.

      Knapp zwei Stunden später erreichte er den Gröber-Hof. Normalerweise wäre er früher hier gewesen, doch der Aufstieg im Schnee war immer noch beschwerlich.

      »Herr Doktor, das ist aber eine Überrschung«, rief Vevi erfreut aus, als Dr. Daniel das Anwesen betrat. »Wie geht’s der Claudia? Und dem kleinen Mäderl?«

      Dr. Daniel lächelte. »Beide wohlauf, Vevi. Und in ein paar Tagen dürfen sie heim – das heißt, ich weiß natürlich nicht, wohin Claudia dann gehen wird.«

      Vevi machte ein bekümmertes Gesicht. »Aber die arme Kleine hat doch niemanden außer uns. Und wir würden uns alle freuen, wenn sie wieder herkäme.«

      »Ich denke, das wird sie auch tun. Soviel ich weiß, hat sie sich auf dem Gröber-Hof sehr wohl gefühlt.« Dann sah er sich suchend um. »Wo ist Martin?«

      Vevi seufzte tief auf. »Ach, der Bub macht mir Sorgen, Herr Doktor. Der rennt herum, als hätte ihm jemand die Butter vom Brot gestohlen. Ich weiß gar

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