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Und jetzt ahnte Martin, wohin seine junge Frau ihn führen wollte – zu dem idyllisch gelegenen Waldsee. In den vergangenen Wochen waren sie schon ein paarmal dort gewesen, und beide liebten die Ruhe und Abgeschiedenheit dieses beschaulichen Fleckchens Erde.

      Jetzt wandte Claudia ihr Gesicht Martin zu, und das Sonnenlicht, das sich durch die Tannenwipfel stahl, zauberte einen hellen Schein in ihr Haar. Unwillkürlich fühlte sich Martin an einen Engel erinnert.

      »Ich bin der glücklichste Mensch der Welt«, bekannte sie leise.

      Liebevoll nahm Martin sie in die Arme. »Ich auch.«

      »Martin.« Sie zärtelte mit den Fingerspitzen durch sein dichtes schwarzes Haar, dann ließ sie ihre Hand tiefer gleiten und ergriff schließlich Martins Hand. Sehr behutsam legte sie sie auf die sanfte Wölbung ihres Bauches.

      »Spürst du es?«

      Martin begriff nicht gleich. »Spüren? Was denn?«

      »Das Leben, das da drin heranwächst.«

      Mit weit aufgerissenen Augen starrte Martin sie an. »Du bekommst… ein Baby? Von mir?«

      Jetzt lächelte Claudia. »Von wem wohl sonst?«

      Überglücklich hob Martin sie hoch und küßte sie voller Zärtlichkeit und überschäumender Liebe.

      »Ich werde Vater«, brachte er dann hervor. »Meine Güte, ich werde Vater.« Und dann sah er Claudia mit plötzlicher Unsicherheit an.

      »Ist es auch ganz sicher?« vergewisserte er sich. »Ich meine…«

      Claudia nickte lächelnd. »Es ist vollkommen sicher. Oder zweifelst du plötzlich an Dr. Daniels Urteil?«

      Martin schüttelte den Kopf. »Ganz bestimmt nicht.« Er schwieg einen Moment. »Er weiß es also auch schon.«

      Claudia nickte. »Er hat sich unheimlich gefreut.« Dann wurde sie ernst. »Ich bin so dankbar, daß es ihn gibt. Ohne ihn…« Sie wagte es nicht, diesen Gedanken zu Ende zu führen. Doch dann überwog das Glücksgefühl wieder, das sie empfand. Zärtlich blickte sie zu Martin auf. »Weißt du jetzt, warum ich mit dir allein sein wollte?«

      »Natürlich weiß ich das. Oh, Claudia, du ahnst nicht, was du mir damit für ein Geschenk gemacht hast.« Und dabei schien es, als könne er sein Glück noch immer nicht fassen. Sie würden ein Baby haben. Marianne würde ein Geschwisterchen bekommen. Das war die Krönung ihrer Liebe – einer Liebe, die sie alle wie ein unsichtbares Band umschloß.

      Und unwillkürlich dachte Martin an die Worte, die der Pfarrer bei ihrer Trauung gesprochen hatte:

      In der Felsenwand des Lebens ist die Liebe wie ein starkes Seil…

Eine erschreckende Diagnose

      »Meine Güte, Melissa, du hast ja wieder kaum etwas gegessen.«

      Melissa Feller sah bei den Worten ihres Mannes auf, dann seufzte sie leise.

      »Dabei habe ich das Gefühl, als läge mir ein Zentnergewicht im Magen«, erklärte sie. »Und der Hosenbund schnürt mich so richtig ein.«

      Aufmerksam betrachtete Patrick Feller seine Frau. Sie war immer schlank gewesen, doch in letzter Zeit hatte ihr Bauchumfang merklich zugenommen. Andererseits

      schien es ihm aber, als wäre ihr Gesicht in den vergangenen Wochen schmaler geworden. Wie paßte das zusammen?

      »Vielleicht solltest du einmal zum Arzt gehen«, schlug Patrick aus diesen Gedanken heraus vor.

      Voller Bitterkeit lachte Melissa auf. »Ach, Patrick, du weißt genau, daß ich seit drei Monaten von Arzt zu Arzt renne, aber keiner konnte mir bisher helfen.« Niedergeschlagen winkte sie ab. »Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich noch tun soll.«

      »Und wenn du mal in eine Klinik gehst?«

      Melissa antwortete mit einer Gegenfrage. »Was soll ich denen denn sagen? Ich habe ja gar keine Ahnung, was mir fehlt.«

      Patrick zuckte die Schultern. »Es ist doch deren Aufgabe, das herauszufinden.«

      Melissa seufzte wieder. »Ach, die würden mich höchstens für eine Simulantin halten.« Dann warf sie einen Blick auf ihre Uhr. »Wo nur die Mädels so lange bleiben?«

      Patrick lächelte. »Du kennst sie doch. Vom Reitstall konnten sie sich noch nie pünktlich losreißen.«

      Ein wenig schwerfällig erhob sich Melissa und begann, den Tisch abzuräumen. Patrick, der sah, daß seine Frau jeder Schritt zur Qual wurde, half bereitwillig mit.

      »Wann mußt du fahren?« fragte er dann.

      Wieder sah Melissa auf ihre Armbanduhr. »Das Klassentreffen beginnt um acht Uhr.«

      Patrick nickte. »Dann darfst du dich aber jetzt allmählich auf den Weg machen.«

      Es war Melissa anzusehen, daß ihr die Aussicht auf ein Treffen mit den alten Schulkameraden nicht gerade Freude bereitete. Viel lieber wäre sie zu Hause geblieben, aber nachdem sie nun schon mal zugesagt hatte…

      »Es wird bestimmt wieder sehr lustig«, prophezeite Patrick und riß sie damit aus ihren Gedanken. »Ihr ward doch schon immer eine recht verschworene Gemeinschaft.«

      Jetzt mußte Melissa lächeln. »Stimmt. Und irgendwie freue ich mich auch, aber… wenn ich mich nur ein bißchen besser fühlen würde.« Sie griff nach den Autoschlüsseln, dann warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel. Es war nicht zu übersehen, daß ihr Bauch dicker geworden war.

      Wenn ich nicht ganz sicher wäre, daß es nicht sein kann, dann würde ich denken, ich sei schwanger, ging es Melissa unwillkürlich durch den Kopf. Energisch schüttelte sie diesen Gedanken beiseite. Es war absurd, so etwas auch nur zu denken. Sie war fünfundvierzig und hatte zwei halbwüchsige Mädchen zu Hause. Was sollte sie jetzt noch mit einem Baby anfangen? Außerdem konnte es ja wirklich nicht sein.

      »Also, Liebling, ich fahre jetzt«, erklärte sie, stellte sich auf Zehenspitzen und küßte ihren Mann zum Abschied. »Gib Angi und Bea einen Kuß von mir.«

      »Mach ich«, versprach Patrick. »Viel Vergnügen.«

      Er sah seiner Frau noch zu, wie sie in ihren Kleinwagen stieg. Sie winkte, dann ließ sie den Motor an und fuhr rückwärts aus der Einfahrt.

      Der Weg zu dem gemütlichen Lokal, in dem sich die ehemalige 10e immer traf, war nicht weit, und so war Melissa froh, als sie ihr Auto endlich auf dem Parkplatz anhalten und aussteigen konnte. Im Sitzen war ihr Zustand noch schlimmer als im Stehen. Sie hatte ständig das Gefühl, als drücke ihr etwas die Luft ab.

      »Melissa, altes Haus!«

      Beim Klang der wohlbekannten Stimme fuhr Melissa herum, dann sah sie sich ihrer einstigen Banknachbarin gegenüber, und impulsiv umarmten sich die beiden Frauen, dann lachten sie.

      »Wir tun ja, als hätten wir uns seit Jahren nicht mehr gesehen«, meinte Kerstin Wenger grinsend, dann sah sie ihre Schulfreundin prüfend an. »Du hast dich seit dem letzten Mal verändert. Hast du ein bißchen zugenommen?«

      Melissa seufzte. Für einen Augenblick hatte sie ihre körperlichen Beschwerden vergessen gehabt, doch nun erinnerte Kerstin sie wieder daran.

      »Ja und nein«, antwortete sie seufzend. »Es ist ganz seltsam. Ich esse kaum etwas, habe aber immer das Gefühl, als würde ich zunehmen. Schau mal, diese Hose hier – die habe ich mir vor einem halben Jahr gekauft. Damals war sie mir fast ein bißchen zu weit, und jetzt ist der Bund so eng, daß ich kaum noch atmen kann.«

      Sichtlich besorgt schüttelte Kerstin den Kopf. »Das ist ja seltsam. Warst du deswegen noch nie bei einem Arzt?«

      »Doch, schon bei mehreren«, entgegnete Melissa. »Aber sie können nichts finden. Angeblich ist alles in Ordnung.« Sie zuckte die Schultern. »Manchmal denke ich, daß ich mir das alles nur einbilde.«

      Kerstin überlegte eine Weile, dann meinte sie: »Ich bin

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