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hier telefonieren?«

      »Gleich da hinten in der Ecke«, antwortete der alte Gröber. »Ein Telefonbuch liegt in dem kleinen Kasterl.«

      »Das brauche ich nicht, danke.« Dr. Daniel trat zum Telefon und wählte eine Münchener Nummer, dann wartete er, bis sich die Dame von der Krankenhausvermittlung meldete.

      »Hier Dr. Daniel aus Steinhausen«, gab er sich zu erkennen. »Verbinden Sie mich bitte mit dem Chefarzt.«

      Wenig später meldete sich Dr. Georg Sommer, den er einst während des Studiums kennengelernt hatte. Damals hatte sich zwischen ihnen rasch eine feste Freundschaft entwickelt, und obwohl sie sich jetzt nicht mehr regelmäßig sahen, wußte doch jeder, daß er sich auf den anderen verlassen konnte.

      »Grüß dich, Schorsch«, begrüßte Dr. Daniel seinen Freund.

      »Robert!« Man hörte Dr. Sommer an, daß er sich freute. »Na, du hast aber Glück, daß du mich noch erreichst. Gerade wollte ich heimfahren. Was gibt’s denn?«

      »Es geht um Claudia Sandner«, antwortete Dr. Daniel ohne Umschweife. »Sie hat gerade auf dem Gröber-Hof entbunden.«

      »Wenn ich mich recht entsinne, dann sollte sie das eigentlich in meiner Klinik tun«, meinte Dr. Sommer, und Dr. Daniel hörte an seiner Stimme, daß er grinste.

      »Richtig, aber die kleine Erdenbürgerin hatte es zu eilig«, entgegnete Dr. Daniel. »Sie kam so schnell, daß sogar ich beinahe noch zu spät gekommen wäre. Aber die Geburt lief ohne Komplikationen ab. Trotzdem wäre mir wohler, wenn ich die beiden in deiner Klinik wüßte.«

      »Kein Problem«, meinte Dr. Somme. »Ich schicke gleich einen Wagen nach Steinhausen.«

      »Gut. Er soll bei der Praxis warten. Ich bringe inzwischen Claudia und die Kleine mit dem Pferdewagen nach unten. Kann allerdings eine Weile dauern, bis wir die Praxis erreichen. Hier oben liegt nämlich noch ziemlich viel Schnee.«

      Dr. Sommer lachte. »Das heißt also, daß sich die Kleine gar keinen günstigeren Geburtsort hätte aussuchen können.«

      »Richtig«, stimmte Dr Daniel zu. »Also, ich mache mich dann auf den Weg. Wir sehen uns später.«

      Dr. Daniel legte auf, dann ging er nach oben, um noch mal nach Claudia und dem Kind zu sehen. Noch immer lag die kleine Marianne auf dem Bauch ihrer Mutter und seufzte zufrieden vor sich hin.

      »So, Claudia, jetzt werden wir Ihre Kleine endlich abnabeln.« Dr. Daniel lächelte sie an. »Keine Angst, davon werden weder Sie noch Marianne etwas spüren.«

      Mit geschickten Handgriffen klemmte der Arzt die Nabelschnur ab und schnitt sie schließlich durch. Auch die Nachgeburt löste sich und wurde von Dr. Daniel gewissenhaft untersucht.

      »Alles in Ordnung«, meinte er, während er sich zu Claudia umdrehte. »Jetzt werden wir euch beide schön warm einpacken, und dann geht’s nach Steinhausen hinunter.«

      »Ich sorge schon dafür, daß sie keinen Schaden davonträgt«, entgegnete Dr. Daniel beruhigend. »Keine Sorge, Claudia, Sie und Ihr Baby werden es ganz kuschelig warm haben.«

      Dr. Daniel hielt sein Wort. Er und die Gröber-Männer hatten den Wagen so gut abgedeckt, daß keine Zugluft hineinkommen konnte. Dazu wurden Mutter und Kind in so warme Decken gehüllt, daß kaum ein Unterschied zu dem Zimmer bestand, in dem sie zuvor gewesen waren.

      Die Abfahrt auf dem schneebedeckten Weg erforderte viel Können und Erfahrung von dem Bauern Hubert Berner, der Dr. Daniel vorhin schon heraufgefahren hatte. Doch der alte Berner kannte seine Pferde und auch den steilen Weg, und so gelangten alle sicher nach Steinhausen und zu Dr. Daniels Praxis.

      Der Krankenwagen, den Dr. Sommer geschickt hatte, wartete schon. Claudia und die kleine Marianne wurden also nochmals umgebettet, und dann ging es eiligst nach München weiter.

      Auch hier wurde Claudia schon erwartet. Der Chefarzt persönlich nahm sie in Empfang und ging neben dem fahrbaren Bett her, das die junge Mutter vorerst in ein Einzelzimmer brachte. Hier führte Dr. Sommer gleich die erste Untersuchung des Babys durch.

      »Alles bestens«, verkündete er mit einem herzlichen Lächeln. »Zehn Punkte – mehr kann ein Neugeborenes beim Apgar-Test nicht erreichen. Morgen früh kommt die Kinderärztin wieder ins Haus und wird diese Untersuchung wiederholen.« Dann legte er Marianne wieder in Claudias Arme.

      Die Kleine wurde ein wenig quengelig, was Claudia sichtlich verunsicherte. Doch das dauerte nicht lange, denn mit traumwandlerischer Sicherheit fand Marianne ihre von der Natur eingerichtete Nahrungesquelle und begann zufrieden zu schmatzen.

      Dr. Sommer und Dr. Daniel betrachteten die vor Glück strahlende Mutter und ihr Baby, dann zogen sie sich diskret zurück. Hier hatten sie zumindest im Augenblick nichts mehr verloren.

      »Es ist immer wieder wie ein Wunder«, meinte Dr. Sommer. »Da vollbringen die Frauen Schwerstarbeit bei der Geburt, aber anstatt erschöpft zu sein, sehen sie danach aus, als hätten sie einen mehrwöchigen Urlaub hinter sich.«

      Dr. Daniel nickte. »Das ist etwas, was auch mich jedesmal aufs neue erstaunt.« Er klopfte seinem Freund auf die Schulter. »Ich glaube, wir Männer würden das nicht aushalten.«

      Dr. Sommer rieb sich das Kinn. »Ich gebe ungern eine Schwäche zu, aber ich fürchte, in diesem Punkt hast du recht. Ich möchte kein Kind zur Welt bringen, aber ich bin ja sowieso ein Hasenfuß, wenn es gilt, Schmerzen auszuhalten.«

      Dr. Daniel lachte. »Oho, das wußte ich ja noch gar nicht. So empfindlich bist du also?«

      »Und wie«, gab Dr. Sommer unumwunden zu, dann warf er einen Blick auf die Uhr. »So, jetzt werde ich meinen verdienten Feierabend antreten. Der Stationsarzt wird später noch mal nach Fräulein Sandler sehen, aber ich glaube, es gibt keine Probleme.«

      »Das denke ich auch«, stimmte Dr. Daniel zu. »Sie hat die Geburt sehr gut überstanden, und auch die Nachgeburt war in Ordnung. Es dürfte keine Komplikationen geben.« Er lächelte. »Und bei dir ist sie ja in den besten Händen.«

      »Danke für das Kompliment.« Dr. Sommer zögerte. »Es gehört sich eigentlich nicht, aber… was ist denn mit dem Vater von der Kleinen? Kennt man den?«

      Dr. Daniel nickte. »Er hat sie verlassen – schon bevor er wußte, daß sie schwanger war. Aber auch nachdem sie es ihm gesagt hatte, war er nicht bereit, zu ihr zurückzukehren.«

      Dr. Sommer seufzte. »Es ist immer wieder das gleiche. Ihr Vergnügen wollen sie haben, aber vor der Verantwortung drücken sie sich. Die Kleine wird es ganz schön schwer haben.«

      Und dabei war Dr. Daniel nicht sicher, ob sein Freund nun von Claudia oder von Marianne sprach. Doch im Grunde war es egal. Auf beide kamen schwierige Zeiten zu, vor allem wenn Claudia ihrem Vorsatz, keinem Mann mehr zu vertrauen, treu bleiben würde.

      »Was ist, Robert? Kommst du noch auf einen Schoppen Wein mit zu mir?« fragte Dr. Sommer und riß ihn damit aus seinen Gedanken.

      »Danke, Schorsch, aber…«

      »Du hast wieder mal keine Zeit«, vollendete Dr. Sommer den angefangenen Satz, dann schüttelte er mißbilligend den Kopf. »Also weißt du, allmählich sollte ich dir eigentlich böse sein. Du halst mir nur Arbeit auf, aber meine Einladungen schlägst du regelmäßig hartherzig aus.«

      Dr. Daniel grinste. »Überredet. Ich komme mit.« Er zuckte die Schultern. »Im Grunde wartet ja niemand auf mich. Irene wird längst zu Bett gegangen sein und die Kinder… na ja…«

      »Aha, da hat einer Sehnsucht«, vermutete Dr. Sommer. »Lassen sich Karina und Stefan nicht mehr bei dir sehen?«

      »Selten«, gab Dr. Daniel zu. »Äußerst selten sogar. Karina kommt ja wenigstens am Wochenende nach Hause – jedenfalls meistens. Aber Stefan scheint mich vollkommen vergessen zu haben, seit er in München studiert. Hier ist für seine Begriffe mehr Action.«

      Dr. Sommer lachte. »Da hat er wohl recht. In Steinhausen werden ja um acht die Gehsteige hochgeklappt.«

      »Schamlose

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