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Dr. Daniel ernst. »Frau Feller, Sie müssen noch in dieser Woche operiert werden.« Er überlegte kurz. »Wie kommen Sie jetzt nach Hause?«

      Melissa deutete in die Richtung, in der sie den Parkplatz vermutete. »Mein Auto steht draußen.«

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Nein, das geht nicht. In diesem Zustand können Sie unmöglich fahren.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr, dann wandte er sich Lena Kaufmann zu. »Wie sieht’s im Wartezimmer aus?«

      »Fräulein Karsten und Frau Bernhardt sitzen noch drüben«, gab die Sprechstundenhilfe Auskunft. »Außerdem sind noch drei Patientinnen angemeldet.«

      Dr. Daniel überlegte kurz. »Versuchen Sie, die Termine auf den Nachmittag zu verlegen, und entschuldigen Sie mich bei den Damen mit einem Notfall.« Er wandte sich Melissa zu. »Ich fahre Sie jetzt nach Hause und begleite Sie dann noch in die Klinik.«

      Fassungslos schüttelte Melissa den Kopf. »Das ist ja…« Sekundenlang fehlten ihr die Worte, dann fuhr sie fort: »Kerstin hatte recht. Einen Arzt wie Sie gibt es normalerweise gar nicht.«

      Dr. Daniel winkte lächelnd ab. »Ach was, jeder tut doch, was er kann.« Dann stand er auf. »Kommen Sie, Frau Feller.«

      Zusammen verließen sie die Praxis und gingen zum Parkplatz hinüber. Und dann setzte sich Dr. Daniel ohne viele Umstände ans Steuer.

      »Jetzt müssen Sie mir nur noch den Weg erklären«, meinte er, während er losfuhr.

      »Richtung München«, antwortete Melissa. »Ich wohne in Grünwald.«

      Dr. Daniel nickte anerkennend. »Eine schöne Gegend.«

      »Stimmt. Ich bin gern dort. Wir haben das Haus damals von meinen Schwiegereltern als Hochzeitsgeschenk bekommen.« Aber dann schweiften ihre Gedanken schon wieder ab. »Diese Operation… ist die sehr gefährlich?«

      »So allgemein kann man das nicht sagen«, meinte Dr. Daniel. »Jede Operation birgt ihre Gefahren – sogar eine angeblich harmlose Blinddarmoperation. Aber ich kann Sie zumindest insoweit beruhigen, daß Sie einen erstklassigen Chirurgen haben werden. Professor Thiersch wird selbst operieren, und er hat ein eingespieltes Team an seiner Seite. Das ist außerordentlich wichtig.«

      Dr. Daniels Worte beruhigten Melissa ein wenig. Trotzdem blieb ein Rest von Angst bestehen.

      »Wird die Operation… morgen schon sein?« fragte sie zögernd.

      Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Mit Sicherheit nicht. Professor Thiersch wird noch etliche Untersuchungen durchführen, bevor er die Operation ansetzt.«

      Melissa schluckte. »Ich habe Angst.«

      Beruhigend legte Dr. Daniel eine Hand auf ihren Arm. »Das ist verständlich, Frau Feller. Und ich will ehrlich sein: Diese ganzen Untersuchungen sind sicher nicht angenehm für sie, aber ich kann Ihnen versprechen, daß Professor Thiersch alles tun wird, um Sie zu heilen. Und ich werde mich nebenbei auch ein bißchen um Sie kümmern.«

      Da brachte Melissa ein Lächeln zustande. »Das ist eine beruhigende Aussicht, Herr Doktor.« Und dabei fühlte sie, wie ein Teil ihrer sonstigen Sicherheit zurückkehrte.

      *

      Seit zwei Stunden saß Gerhard Krais an seiner Schreibmaschine und hatte noch keinen einzigen Satz zustande gebracht. Seltsam, immer wenn er unter Druck stand, dann ging ihm die Schreiberei einfach nicht von der Hand. Und spätestens morgen mußte er diese Kurzgeschichte an den Verlag schicken; er hatte es fest zugesagt.

      »Vati! Bist du da?«

      Die Stimme seiner vierzehnjährigen Tochter riß Gerhard aus seinen Grübeleien.

      »Ja, Moni, hier bin ich.«

      Grinsend schaute Monika in sein Büro. »Wie üblich. Und? Hast du schon wieder einen neuen Krimi in Arbeit?«

      Gerhard schüttelte den Kopf. »Leider nicht. Eine Liebesgeschichte ist gefragt. Und in dieser Beziehung bin ich eine absolute Null.«

      Monika lachte fröhlich auf. »Ach was, Vati! Du hast doch schon so tolle Liebesgeschichten geschrieben. Richtig schön romantisch.«

      Gerhard seufzte. Ja, romantische Liebesgeschichten lagen ihm einigermaßen, wenn er auch noch lieber Krimis schrieb. Aber diesmal sollte es eine ziemlich erotische Geschichte werden, und er hätte sich ohrfeigen mögen, daß er selbst es gewesen war, der dem Verlag diesen Vorschlag gemacht hatte.

      Normalerweise fragte er Monika gelegentlich um Rat, wenn er mit einer Geschichte gar nicht weiterkam, doch in diesem Fall… Sein kleines Mädchen hatte von Erotik ja keine Ahnung.

      Mit einem tiefen Seufzer stand Gerhard auf. »Vielleicht geht heute abend mehr. Jetzt mache ich uns erst mal etwas zu essen. Wie war’s in der Schule?«

      Monika winkte ab. »Ach, immer derselbe Quatsch. Wozu muß ich das alles eigentlich lernen, wenn ich sowieso Automechanikerin werden will?«

      Gerhard lachte. »Noch immer? Meine Güte, wenn Mutti das wüßte.«

      Schlagartig wurde Monika ernst. Sie hatte den Verlust ihrer Mutter, die vor fünf Jahren bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war, noch immer nicht überwunden.

      »Mutti war handwerklich auch sehr begabt«, entgegnete sie leise. »Sie hätte für meinen Berufswunsch sicher Verständnis gehabt.«

      Auch Gerhard war ernst geworden, denn er wußte, daß Monika recht hatte. Sibylle wäre wahrscheinlich sogar sehr stolz auf ihre Tochter gewesen.

      Liebevoll streichelte Gerhard über Monikas blonde Locken.

      »Ja, Moni«, meinte er. »In der heutigen Zeit wäre deine Mutti sicher auch Automechanikerin oder etwas ähnliches geworden. Aber als sie ihre Ausbildung begann, da galten noch strengere Regeln zwischen Frauen- und Männerberufen.« Er lächelte. »Damals wär auch ich sicher belächelt worden, wenn ich Liebesgeschichten geschrieben hätte.«

      Impulsiv schlang Monika ihre Arme um Gerhards Taille. »Ich hab’ dich sehr lieb, Vati.«

      »Ich hab’ dich auch lieb, meine Kleine.«

      Einen Augenblick blieben sie noch so stehen, wurden sich der tiefen Verbundenheit bewußt, die zwischen ihnen bestand und die ihnen in den vergangnen Jahren geholfen hatte, den großen Verlust, den sie beide erlitten hatten, zu überwinden.

      »Weißt du was, Vati, du setzt dich jetzt wieder an deine Maschine, und ich mache uns etwas zu essen, einverstanden?« schlug Monika vor.

      Gerhard zögerte. Es zog ihn so gar nicht in sein Büro hinüber, aber schließlich mußte die Geschichte heute noch fertig werden.

      »Einverstanden«, meinte er, und es gelang ihm nur mit Mühe, einen Seufzer zu unterdrücken.

      Er kehrte also in sein Büro zurück und setzte sich mit Todesverachtung an den Schreibtisch. Seine Schreibmaschine schien ihn voller Verachtung anzusehen. Gerhard legte die Finger auf die Tasten, nahm sie aber schon nach wenigen Augenblicken wieder weg und las den letzten Satz, den er vor über zwei Stunden geschrieben hatte.

      »Voller Leidenschaft beugte er sich über sie, während ihre bebenden Hände über seine nackten Schultern glitten.«

      »Du, Vati, wo hast du denn…« Monika stockte, als sie jetzt einen Blick auf das Blatt Papier warf, das Gerhard in der Maschine hatte. »Was schreibst du denn da?«

      »Das hab’ ich dir doch vorhin schon gesagt – eine Liebesgeschichte«, erklärte Gerhard ein wenig ungeduldig. Er fühlte sich, als wäre er bei was Verbotenem ertappt worden.

      »… seine nackten Schultern…«, las Monika halblaut, dann fragte sie entsetzt: »Ist der Kerl etwa nackt?«

      »Unsinn«, wehrte Gerhard rasch ab, dann drehte er sich so, daß sein Körper das Blatt Papier verdeckte. »Was wolltest du denn, Moni?«

      »Das hab’ ich vergessen«, murmelte Monika, während sie sich neugierig reckte, um noch mehr von dem Geschriebenen zu

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