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plötzlichen Entschließung:

      „Fahren Sie sofort nach China!“

      „Gut.“

      „Die Wettfahrt Peking–Paris beginnt am 10. Juni. Sie machen zuerst eine Reise durch Amerika und den Stillen Ozean und auf der Reise stellen Sie interessante Beobachtungen an. Die Beendigung des Prozesses Thaw in Neuyork ...“

      „Gut.“

      „Der Wiederaufbau von San Francisco ..., die japanisch-amerikanische Spannung wegen Hawais ..., Japan nach dem Kriege ... Und über Asien beenden Sie Ihre Rundreise um die Welt.“

      „Gut. Und die Fahrt Peking–Paris?“

      „Sie erhalten unterwegs nähere Weisungen. Wir werden beim Fürsten Borghese anfragen, ob er damit einverstanden ist, daß Sie sich ihm anschließen. Ich hoffe ja. Auf alle Fälle finden Sie in Peking alles bereit. Eventuell stellen wir Ihnen eins von unseren eigenen Automobilen zur Verfügung. Der nächste Dampfer nach Amerika geht ... warten Sie ... hier ist ein Fahrplan. Übermorgen, am 20. März, geht vom Norddeutschen Lloyd ‚Kaiser Wilhelm der Große‘ von Cherbourg nach Neuyork. Sie fahren heute nach Paris. Ist noch Zeit?“

      Ich sah nach der Uhr und rief mir meine neue Eisenbahnwissenschaft (Abteilung Fahrpläne) ins Gedächtnis zurück.

      „Ich habe vollauf Zeit.“

      „Glückliche Reise also!“

      „Auf Wiedersehen!“

      Wir tauschten einen kurzen Gruß aus und umarmten uns in einer jener Aufwallungen von Anteilnahme und Freundschaft, die in gewissen Augenblicken Menschen, die sich gegenseitig wohlwollen, mit gleichen Empfindungen erfüllen.

      Einige Minuten später stürmte ich die Treppe hinunter und stieß mit einem Kollegen zusammen, der sie mit der Langsamkeit eines Menschen emporstieg, der von seiner regelmäßigen, gewohnten Arbeit erwartet wird.

      „Wohin so eilig?“ fragte er mich.

      „Ich will eine Reise um die Welt machen“, erwiderte ich stolz und blieb einen Augenblick auf dem Treppenabsatz stehen.

      „Renommist!“ rief er und brach in lautes Gelächter aus. „Ich kann mir denken, wohin du in Wirklichkeit gehst.“

      „Wohin denn?“

      „Zum Frühstück — es ist spät, und du hast Hunger. Guten Appetit!“

      Die Ungläubigkeit meines Freundes, die doch so viel gesunden Menschenverstand verriet, machte mir plötzlich klar, in welch seltsamer, abenteuerlicher, unwahrscheinlicher Lage ich mich befand. Ich blieb einen Augenblick zweifelnd und verwirrt stehen, ehe ich ein „Danke“ antwortete und meinen Weg fortsetzte. Der alte Abenteurerroman, in dem die auftretenden Personen alle Erdteile durchwandern und alle Meere durchschiffen, ehe der Leser bis zur letzten Seite gelangt, ist außer Mode gekommen, weil selbst die Kinder ihn für zu weit von der Wahrheit entfernt halten, obgleich es doch noch jemand gibt, der ihn erlebt: den Journalisten.

      Am selben Tage entführte mich der Expreßzug durch den Simplon nach Paris.

      

      In Paris wurden in den Redaktionsräumen des „Matin“ starkbesuchte Versammlungen abgehalten, um die Meinungen über die Wettfahrt auszutauschen. Neben vielen Teilnehmern an der Wettfahrt hatten sich Reisende, Diplomaten, die in China gewesen waren, und Gelehrte eingefunden, die über alle Erdteile die genaueste Auskunft geben konnten, ohne sie je gesehen zu haben. Die Debatten waren lebhaft gewesen; die Stenographen hatten mit peinlicher Treue seltsame Unterredungen, in denen mehr gefragt als geantwortet wurde, niedergeschrieben. Der zur Verhandlung stehende Stoff erwies sich als mit mehr Unbekannten gespickt als eine Aufgabe aus der höheren Algebra.

      Im ganzen hatten diese Versammlungen einen unleugbaren Nutzen gebracht. Es war gelungen, die beste Reiseroute festzustellen. Zahlreiche Telegramme waren nach Peking, nach Petersburg, nach Irkutsk mit der Bitte um Auskunft abgegangen. Der weise und kluge Wai-wu-pu, der Große Rat des Himmlischen Reiches, hatte sich darauf beschränkt, mit — einer Frage zu antworten, die er durch die französische Gesandtschaft übermitteln ließ:

      „Wie groß ist die Zahl der Automobile, die von Peking nach Paris fahren wollen?“

      Welche Bedeutung diese Zahl in den Augen des Großen Rates des Himmlischen Reiches besaß, ist nicht leicht zu begreifen; vielleicht befürchtete der Wai-wu-pu wieder eine Invasion.

      Die Russisch-Chinesische Bank in Peking hatte geantwortet: „Die Pässe von Nankou und von Ku-pei-ku sind für Automobile genügend breit, aber steil und felsig.“

      Genügend breit — die Sachlage erschien in Paris äußerst günstig, wenn man sie mit den über die sonstigen Straßen eingegangenen Nachrichten verglich. Der Weg durch Turkestan über Samarkand, der Weg über das Altaigebirge waren für absolut unmöglich erklärt worden. Es blieb also nur der Weg durch die Mongolei über Kalgan und Kiachta mit jenen „genügend breiten“ Pässen.

      

      Die wahre Stimmung der Teilnehmer war nicht allzu ermutigend. In einer letzten Versammlung erließen die Unterzeichner eine ziemlich pessimistische Erklärung, die folgendermaßen lautete:

      „Die Schwierigkeiten dieser außergewöhnlichen Wettfahrt erscheinen nach genauer Prüfung und wochenlangem Studium weit bedeutender, als wir im ersten Augenblicke glaubten. Peking–Paris ist vielleicht ein unausführbarer Versuch! Es bietet sich hier eine Gelegenheit für die Pioniere des Automobilwesens, der Fahrtechnik die Aufgabe zu stellen, Wüsten, Gebirge, Steppen, die halbe Welt zu durchqueren.“

      Die „Itala“ und Ettore vor der Abfahrt im Hofe der italienischen Gesandtschaft in Peking.

      Der „Matin“ verglich die Fahrt mit dem Versuche, den Pol zu erreichen. Das große Publikum hatte sich eine noch entschiedenere Meinung gebildet als die in der Erklärung der Teilnehmer ausgesprochene und sagte geradezu: „Peking–Paris ist ein unausführbarer Versuch.“

      Ich muß gestehen: als ich am Morgen des 20. März Paris verließ, um mich in Cherbourg einzuschiffen, dachte ich mit großem Skeptizismus über die Wahrscheinlichkeit, nach diesem selben Paris auf einem Automobil zurückzukehren, das von der Hauptstadt Chinas aus seine Fahrt angetreten hätte. Und in der verschwiegenen Tiefe meines Herzens dankte ich dem Himmel — und Nikolaus II. — für das Vorhandensein der die Rolle der Vorsehung spielenden sibirischen Eisenbahn, die mich vorkommendenfalls in einem entsprechend kurzen Zeitraum nach Hause bringen würde.

      Unterwegs vergaß ich schließlich die Automobilwettfahrt beinahe ganz. Die Fahrt Peking–Paris erschien mir nicht mehr als der eigentliche Zweck meiner eiligen Reise um die Erde, sondern nur als eine letzte problematische Episode, als das zweifelhafte Ende eines „Looping the Loop“ um unseren Planeten. Übrigens sprachen die Zeitungen bereits nicht mehr davon. Die Angelegenheit schien in den Abgrund der Vergessenheit gefallen zu sein, in dem alle überspannten Projekte, alle Utopien wie durch Schicksalsgewalt verschwinden.

      Aber nein! Jemand dachte noch daran, arbeitete, traf Vorbereitungen, organisierte. Ein kurzes Telegramm ließ mich dies erkennen, eine Weisung, die mir eines Abends in meinem Hotel in Neuyork zugleich mit meinem Zimmerschlüssel überreicht wurde. Ich öffnete die Depesche im Fahrstuhl, der mich zu meinem Stockwerke hinaufbrachte; ich las sie, las sie wieder und war von ihrem Inhalte dermaßen in Anspruch genommen, daß ich, ohne es zu bemerken, im vierzehnten Stockwerke anlangte, wo der Liftmann mich fragte, ob ich beabsichtigte, das Dach des Gasthofes zu besteigen.

      Jene lakonische und geheimnisvolle telegraphische Mitteilung lautete: „Eintreffen Peking ersten Juni!“ Kein Wort weiter.

      Und pünktlich wie eine Sonnenfinsternis stieg ich am 1. Juni abends 6 Uhr in der Station Peking aus, auf jenem elenden Bahnhofe, der sich

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