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es kommt in Betracht die glückliche Lösung der technischen Probleme und die faszinierende Anziehungskraft jenes Landes Asien, aus dem wir vielleicht stammen und das uns doch so fremd ist. Es kommen ferner in Betracht die beiden Endpunkte der Reise.

      Am Punkte der Abfahrt die geheimnisvolle Hauptstadt des rätselhaften Reiches, aus dem das Geräusch des Lebens wegen der räumlichen Entfernung und des Abstandes im Denken nur gedämpft zu uns herüberklingt; am Endpunkt der lauteste Resonanzboden der Welt, Paris, von wo jeder, auch der leiseste Hauch des Lebens sich verstärkt und in tausendfachem Echo vervielfältigt über die ganze Erde verbreitet.

      Das Geheimnis des „Warum“ liegt zum Teil darin, aber vor allem — Sie selbst haben es, glaube ich, ausgesprochen — liegt es in dem Metalldraht, der uns auf dem ganzen Wege begleitete und der Tag für Tag Nachrichten über uns an die Presse übermittelte, die sie weiterverbreitete.

      Der Telegraph und die Presse, sie sind die unmittelbare Ursache der Volkstümlichkeit, deren sich unser Unternehmen zu erfreuen hatte.

      Diese beiden sind es, die Ihre spannende Darstellung überallhin verbreitet haben, die den eintönigen und für uns nur allzu häufig höchst verdrießlichen Zwischenfällen der Reise Interesse verlieh. Bei peinlichster Wahrheitsliebe gegenüber den Tatsachen haben Sie es doch verstanden, sie durch die lebhafte Schilderung des Milieus in das rechte Licht zu setzen, ihnen den gebührenden Platz im Gemälde des Ganzen anzuweisen. Und das Publikum hat die Poesie gefühlt, die die einzelnen Kapitel dieser unserer modernsten Odyssee erfüllt.

      Niemand wird jedoch beim Lesen Ihres Buches ahnen, welchen Aufwand an Willensstärke und moralischer Kraft es Sie gekostet hat. Ich, der ich die Ehre und die Freude hatte, der Gefährte Ihrer zwei Monate andauernden Kraftleistung zu sein, starker geistiger Anspannung inmitten niederdrückender materieller Widerwärtigkeiten, ich allein kann es bezeugen!

      Und seit jenen zwei Monaten erfüllt mich ein Gefühl lebhafter Bewunderung und tiefer Freundschaft für Sie, das der Zeit trotzen soll!

      In Zuneigung und Hochachtung,

      lieber Barzini,

      Ihr

       Inhaltsverzeichnis

      Von Paris nach Peking.

      Was mir am 18. März begegnete. — In Paris. — „Eintreffen Peking ersten Juni!“ — Die Sorgen und die Tätigkeit des Wai-wu-pu. — Die Automobile. — Ettore.

      Am 18. März 1907 mittags, einem für mich denkwürdigen Datum, saß ich in Mailand an meinem Schreibtisch, vertieft in das Studium des nordamerikanischen Eisenbahnwesens. Damals widmete ich mich mit Feuereifer den Eisenbahnproblemen; ich schrieb und sprach darüber und weidete mich an heimischen und ausländischen Reglements und Fahrplänen. Plötzlich riß mich ein langes Klingeln des Telephons, das auf meinem Arbeitstisch steht, mit Gewalt aus den Eisenbahnnetzen der Vereinigten Staaten.

      „Hier Barzini! Wer dort?“

      „Guten Morgen!“ — ich erkannte die Stimme Luigi Albertinis, des Chefredakteurs des „Corriere della Sera“ — „ich muß Sie unbedingt sprechen; kommen Sie zu mir!“

      „Sofort?“

      „Augenblicklich.“

      „Ich eile.“

      „Besten Dank.“

      

      Ich stürze aus dem Hause, springe in die erste freie Droschke, die mir begegnet, und gehe während der Fahrt eilig die Ereignisse der letzten vierundzwanzig Stunden durch, um den Grund einer so dringenden Aufforderung zu erraten.

      Bedurfte die Zeitung ihres „Spezialberichterstatters“? War irgendwo Krieg ausgebrochen? Nein, selbst Venezuela erfreute sich seit acht Tagen vollkommener Ruhe. Eine Revolution? Auch nicht; es war zu kalt dazu — Revolutionen beginnen in der schönen Jahreszeit; sie sprießen mit den Blumen hervor; erst Ende April erhalten die Redaktionen die erste Nachricht von dem regelmäßigen Wiedererwachen des Freiheitssinnes unter den Völkern; sie besteht aus dem bekannten Telegramm: „Eine bulgarische (oder griechische) Bande hat die Einwohner eines griechischen (oder bulgarischen) Dorfes niedergemacht usw.“ War ein unvorhergesehenes Unglück geschehen? Die Unglücksfälle binden sich an keine Jahreszeit...

      Ich war im Irrtum, in meinem Berufseifer überall Unheil zu wittern. Es hatte sich auf keiner von beiden Hemisphären etwas Ernstes zugetragen. Als ich, bis oben voll von berechtigter Neugier, das Bureau betrat, das das Gehirn unserer Zeitung darstellt, fand ich den Chefredakteur ganz ruhig und heiter. Er reichte nur eine Nummer des Pariser „Matin“, zeigte mir auf der ersten Seite unter einer Überschrift in Riesenbuchstaben einige Zeilen und fragte:

      „Was denken Sie darüber?“

      Ich schaute hin und las folgende überraschende Einladung:

      „Wer ist bereit, in diesem Sommer von Peking nach Paris im Automobil zu fahren?

      Ich las die Anzeige noch einmal und empfand ein Gefühl der Bewunderung für den unbekannten Urheber eines derartigen Planes. Zum mindesten mußte er ein großer Freund von Romantik sein.

      „Was denken Sie darüber?“ wiederholte Albertini.

      „Herrlich!“

      „Durchführbar?“

      

      „Ah, das ist etwas anderes! Aber selbst wenn der Versuch nicht gelingt, würde er doch äußerst interessant sein.“

      „Und würden Sie bereit sein, daran teilzunehmen?“

      „Mit dem größten Vergnügen.“

      Wir verwandten einige Minuten auf das Durchblättern der folgenden Nummern des „Matin“, um einige weitere Mitteilungen über die abenteuerliche Reise zu suchen. Zustimmungsschreiben füllten Spalten über Spalten; es waren Briefe, die eine allzu rasch entflammte Begeisterung bekundeten, als daß sie von langer Dauer hätte sein können. Einer jedoch unter vielen fesselte unsere Aufmerksamkeit, weil er von einem Italiener herrührte und kurz und kühl war wie eine Empfangsbescheinigung. Er lautete:

      „Ich beteilige mich an der Wettfahrt Peking–Paris mit meinem Automobil ‚Itala‘. Wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir möglichst bald alle Einzelheiten mitteilten, um meine Vorbereitungen danach treffen zu können.

      Fürst Scipione Borghese.“

      Name und Stil machten mich sofort nachdenklich: das war ein Mann, der das, was er sagte, ernst meinte.

      Don Scipione Borghese (s. Anhang I) war mir durch seinen Ruf als Automobilist und Reisender bekannt. Im Jahre 1900 hatte er mit einer Karawane Persien, zum Teil auf wenig bekannten Strecken, durchquert; er war in Turkestan eingedrungen und durch die weite Baraba-Steppe bis Barnaul gelangt; von da hatte er die Flußläufe des Ob und Tom zu Schiff befahren und Tomsk erreicht; in Tomsk hatte er die sibirische Eisenbahn benutzt, die ihn bis zum Gestade des Stillen Ozeans brachte. Über seine Reise hatte er ein Buch geschrieben, ein gelehrtes Buch, das die strenge Genauigkeit eines Schiffstagebuchs aufwies, ins Detail gehend, ruhig, sachlich, das den Verfasser als Mann von überlegendem, klarem Sinne kennzeichnete, der sich bei seinen Beobachtungen nicht allzusehr durch Erregungen, weder durch Bewunderung noch durch Gefühlsausbrüche, ablenken ließ. Der Verfasser erwies sich mehr als Mathematiker denn als Dichter; man bemerkte eine Vorherrschaft des Kopfes über das Herz, des Willens über das Gefühl. Fürst Borghese erschien mir als einer jener Männer, welche wollen, wissen und handeln. Er hätte seine Unterschrift zu der Fahrt Peking–Paris nicht gegeben, wenn er nicht entschlossen wäre, zu fahren und, einmal abgefahren, alles

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