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es nicht.“

      Der Wagen hielt. Wir stiegen aus, zahlten und gingen die Geschäftsstraße weiter hinab bis zu einem Juwelierladen. –

      Oskar Bantjör,

       Juwelier,

      war auf dem Firmenschild zu lesen.

      Herr Bantjör war ein Mann von etwa sechzig Jahren, ganz in Schwarz gekleidet.

      Als Harald ihn um eine Rücksprache bat, führte er uns in sein Privatkontor. Er hielt uns noch immer für Amerikaner.

      Dann ließ Harst die Maske fallen.

      „Herr Bantjör,“ sagte er, „Sie hatten im April des Jahres an mich nach Berlin-Schmargendorf geschrieben. Ich heiße Harald Harst, nicht Thomas Strapp. Sie baten mich damals, Ihren Sohn zu suchen, der während der Überfahrt von Saßnitz nach Trelleborg auf dem Fährschiff Preußen verschwunden war. Ich konnte Ihnen leider nicht zu Diensten sein, da ich gerade einen anderen Fall zu erledigen hatte. Ich habe auch in deutschen Zeitungen nichts mehr über diese Angelegenheit gelesen.“

      Der alte, weißbärtige Herr, dessen gramdurchfurchte Züge sich bei der Erwähnung seines Sohnes noch mehr verdüstert hatten, schaute Harald traurig an.

      „Mein Sohn ist – ist damals nicht verschwunden, Herr Harst,“ sagte er leise. „Er ist – entflohen. Ich – ich habe keinen Sohn mehr! Er hat mich bestohlen, hat mich fast ruiniert! Und alles natürlich eines Weibes wegen!“

      Der letzte Satz wurde mit einem Haß herausgestoßen, der das vergrämte Greisenantlitz zur häßlichen Fratze verzerrte.

      „Wer war dieses Weib?“ fragte Harald nach einer Weile.

      „Die Tochter meines Hausdieners,“ erwiderte der alte Herr ziemlich ablehnenden Tones. Er sprach offenbar ungern über diese Dinge.

      „Verzeihen Sie, Herr Bantjör,“ meinte Harald darauf. „Es ist lediglich Berufsinteresse bei mir, das mich dieses Thema berühren läßt!“

      „Das Interesse ist zwecklos, Herr Harst. Gunnar befindet sich drüben in Amerika. Ich habe ihn nicht verfolgen lassen. Er war mein einziges Kind. Meine Frau ist vor acht Wochen aus Gram gestorben.“

      „Noch eine letzte Frage,“ bat Harald, indem er sich erhob. Hat Ihr Sohn nochmals an Sie geschrieben?“

      „Nein. Nur aus Christiania erhielt ich am 15. April einen Brief, in dem Gunnar seine Verfehlungen eingestand und mich anflehte, die Polizei nicht gegen ihn aufzubieten. Am 15. April abends hat er, wie er mir ferner mitteilte, Christiania mit einem Dampfer verlassen.“

      „Danke, Herr Bantjör. Wir wollen dann nicht weiter stören.

      Der Juwelier schaute Harald jetzt unsicher an.

      „Weshalb sind Sie eigentlich zu mir gekommen, Herr Harst?“ forschte er zögernd.

      „Weil ich in der Göteborg-Post einen Artikel über Ihren Sohn und die schöne Sigrid Arbang gefunden hatte. Da besann ich mich auf Ihren damaligen Brief. – Gestatten Sie, daß wir uns jetzt verabschieden, Herr Bantjör –“

      Wir verließen das Haus und wanderten die Kungsgatan hinab.

      „Was stand in dem Artikel?“ fragte ich Harald, da er von selbst kein Wort sprach.

      Er erwiderte nichts, sondern schritt nur mit schweren Bewegungen, ganz den Jahren des Master Thomas Strapp angemessen, neben mir her und zündete sich eine Mirakulum an.

      Erst kurz vor unserem Hotel sagte er unvermittelt:

      „Wir werden um fünf Uhr wieder nach jenem Dorfe nördlich der Fälle fahren. Ich will dem Autoverleiher Bescheid sagen. Geh’ auf unsere Zimmer und bestelle die Rechnung.“

      Ich bestellte die Rechnung, bat den Kellner aber gleichzeitig, im Bureau nachzufragen, ob dort vielleicht noch die Aprilnummern der Göteborg-Post vorhanden seien.

      „Das glaube ich wohl,“ erklärte der Kellner. „Wir sammeln sie der Fremdenlisten wegen.“

      Gleich darauf durchsuchte ich einen Stoß Zeitungen nach jenem Artikel, der sich mit Gunnar Bantjör und der schönen Sigrid beschäftigen sollte.

      Ich fand ihn auch in der Abendnummer vom 21. April. Ich will ihn hier nur im Auszug wiedergeben:

      „Das zuerst so rätselhafte Verschwinden eines in unserer Stadt als Lebemann recht bekannten jüngeren Herrn hat jetzt eine romantische Aufklärung gefunden. Herr Gunnar B. ist mit der schönen Sigrid, einem Mädchen von makellosem Rufe, nach Amerika ausgewandert. Beide sind in Christiania gesehen worden, wo sie Plätze auf einem Dampfer nach Neuyork belegt hatten und am 15. d. M. abgereist sind. Auch der Vater der schönen Sigrid soll das Paar begleitet haben. Ob die hier in Göteborg umlaufenden Gerüchte, daß der bucklige Olaf Arbang –“

      Als ich so weit gelesen hatte, stutzte ich.

      Der bucklige Olaf Arbang?! – Bucklig?! Und – der Vorname!

      Olaf Arbang – Olaf Aarström!

      Ja – hier hatte ich die Brücke zwischen den Vorfällen in Trollhätta und der Flucht Gunnar Bantjörs gefunden.

      Begierig las ich weiter:

      „– bucklige Olaf Arbang seinem Chef Juwelen im Werte von 200 000 Kronen gestohlen hat, der Wahrheit entsprechen, läßt sich schwer feststellen, obwohl unseres Erachtens nur eine Anfrage durch die Polizei (und diese Anfrage dürfte im öffentlichen Interesse liegen!) nötig wäre, um eine Angelegenheit zu klären, die zum Teil vor den Strafrichter gehört. Wohin würden wir wohl mit unserer Rechtspflege geraten, wenn aus Angst vor einem Familienskandal jeder, der an seinem Eigentum durch unredliche Angestellte geschädigt wird, von einer Strafanzeige absieht?! – Im allgemeinen vermeiden wir es, uns in Privatangelegenheiten einzumischen. Sobald diese aber auf das Gebiet öffentlicher Interessen hinüberspielen –“

      – und so weiter –

      Ich suchte dann nochmals die Zeitungen durch und entdeckte so auch den ersten Artikel, der sich mit Gunnar Bantjörs Verschwinden beschäftigte. Ich brauche diesen Artikel hier nicht mit anzuführen. Er enthielt nichts, was für den Fall „Rätsel der Trollhätta-Insel“ von Interesse wäre.

      Kaum hatte der Kellner den Zeitungsstoß wieder weggebracht, als Harald schon zurückkehrte.

      Ich freute mich nicht wenig, jetzt auch meinerseits ihn einmal überraschen zu können.

      Doch – er kam mir zuvor.

      „Der Kellner begegnete mir auf der Treppe,“ sagte er fast unfreundlich. „Es war sehr leichtsinnig von Dir, die Zeitungen hier durchzulesen. Wenn einer von der Bande hier im Hotel steckt und nur etwas gewitzt ist, kann er unschwer auf den Gedanken kommen, wir seien alles andere nur nicht das Ehepaar Strapp aus Neuyork.“

      Diese Möglichkeit, daß jemand auf diese Weise gegen uns Verdacht schöpfen könnte, erschien mir denn doch recht gering.

      „Du übertreibst die Vorsicht,“ meinte ich kleinlaut, denn ich wollte Harald nicht durch einen allzu selbstbewußten Ton noch mehr reizen. „Es kann doch nicht in jedem Hotel Göteborgs ein Aufpasser sitzen und –“

      „Bitte!“ unterbrach er mich. „Unten in der Vorhalle sitzt einer!“

      Das war kein Scherz. Ich sah es seinem Gesicht an.

      Dann lächelte er plötzlich und kniff das linke Auge zu.

      „Es schadet jedoch nichts, daß er da sitzt!“ meinte er in ganz anderem Tone. „Nein – jetzt schadet’s nicht mehr, denn mir ist da soeben ein leidlich guter Gedanke gekommen. Wir werden diesen Herrn mit dem schönen, blonden, vorgeklebten Spitzbart, der für mich ein so fabelhaftes Interesse hatte, daß er mich durch einen in seiner Hand verborgenen Spiegel beobachtete, als ich den Kellner ansprach, für unsere Zwecke benutzen. Begleite mich mal nach unten –“

      Harst

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