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Wunder, daß Gottlieb Brunning den Mund gehörig aufriß, als er vernahm, was wir vorhätten und wer wir seien. Er lebte schon fünfzehn Jahre in Göteborg und kannte Westschweden sehr genau. So konnte er uns denn recht wertvolle Winke geben, wo wir vorläufig Quartier beziehen sollten.

      Nachmittags sechs Uhr trafen wir in einem Dorfe ein, das nördlich von den berühmten Fällen liegt, die der Götaelf bald nach seinem Austritt aus dem Wenersee bildet.

      Das Dorf hatte einen sauberen Gasthof mit hübschen Fremdenzimmern. Hier stiegen wir ab. Wir wählten zwei Zimmer im Seitenflügel im Erdgeschoß.

      Mit Brunning war alles für die Nacht genau vereinbart worden. Gegen elf Uhr stiegen wir, jetzt zwei Leute in Arbeitskitteln, zum Fenster hinaus und begannen unter Brunnings Führung den Marsch gen Trollhätta.

      Um ein halb eins waren wir im Dienstraum des Ingenieurs vom Nachtdienst im Kraftwerk Trollhätta und erklärten dem liebenswürdigen Herrn, wer wir seien und was wir wünschten.

      „Oh – den Kollegen Sondbör kann ich leider nicht herbeiholen lassen,“ erwiderte er ernst. „Sondbör ist gestern verunglückt. Er wurde gestern morgen tot auf der kleinen Felseninsel aufgefunden, die mitten in den Fällen liegt und vom Südufer nur mit Hilfe eines stets nassen Plankensteges zu erreichen ist.“

      Wir schauten uns fassungslos an.

      Sondbör tot?! Verunglückt?! Wirklich verunglückt?!

      „Wie fand er denn den Tod?“ fragte Harald.

      „Er muß von einem der Felsen, die auf der Insel hie und da aus dem Gestrüpp hervorragen, abgestürzt sein. Er lag mit dem Kopf in den Dornen und hatte sich den Schädel eingeschlagen. – Weshalb wollten Sie Sondbör sprechen, Herr Harst? Ich bin sein bester Freund gewesen, und so habe ich auch Ihre Depesche aus Odda gelesen. Sondbör hatte mir nie erzählt, daß er mit Ihnen irgendwie in Verbindung stand.“

      „Auch nichts von Monsieur Dalcroix?“

      „Nein! Was ist’s denn mit dem Maler?“

      „Dalcroix dürfte Sondbörs Mörder sein, Herr Sigurdsen.“

      Der Ingenieur verfärbte sich.

      „Mörder – Mörder –! Ja – weshalb sollte der liebenswürdige Franzose –“

      Harald unterbrach ihn. „Kennen Sie Dalcroix persönlich? – Entschuldigen Sie, daß ich Ihnen ins Wort fiel. Wir haben wenig Zeit!“

      „O bitte. – Ja, ich kenne Dalcroix.“

      „Er ist noch in Trollhätta?“

      „Ja. Er wohnt bei der Witwe Svendsen.“

      „Wann sahen Sie ihn zum letzten Mal?“

      „Heute abend gegen zehn Uhr, als ich hier nach dem Kraftwerk ging. Dalcroix sprach mich an, und wir redeten eine Weile über Sondbörs Tod.“

      Harald blickte jetzt nachdenklich vor sich hin. Dann sagte er zu Sigurdsen:

      „Kann man vom steilen Nordufer der Fälle die Insel überschauen?“

      „Sehr bequem, Herr Harst.“

      „Könnten Sie uns jemand mitgeben, der uns an jene Stelle führt? Es muß ein verschwiegener Mann sein.“

      „Ich will es selbst tun, Herr Harst. Für eine halbe Stunde bin ich hier abkömmlich.“

      „Bitte, wollen dann sofort aufbrechen,“ meinte Harald hastig. „Vielleicht haben wir Glück –“

       Inhaltsverzeichnis

      Die Trollhätta-Fälle bestehen aus vier einzelnen Fällen. Das Nordufer ist sehr steil und gegen achtzig Meter hoch. Am Südufer liegt das Städtchen.

      Wir passierten den Götaelf unterhalb der Fälle. Hier führt eine eiserne Brücke über den Fluß, die wir schon vorhin benutzt hatten.

      Das Nordufer bildet kleine Terrassen, die zu Bergpfaden umgewandelt und durch Treppen miteinander verbunden sind. – Sigurdsen war von Harald gebeten worden, möglichst gedeckt die Pfade entlangzuschreiten. Dies war nicht schwer, weil überall genug Büsche standen.

      So kamen wir an einen für die Touristen hergerichteten Aussichtspunkt, der genau über der Insel lag. Jeder, der Trollhätta einmal besucht hat, kennt ihn.

      Die Nacht war hell und der Himmel völlig wolkenlos. Harst zog sein Fernglas unter dem schäbigen Kittel hervor und kroch bis zum Rande des Abhangs vor. Wir anderen hielten uns im Schatten der Sträucher.

      Nach einer Weile rief Harald mir zu:

      „Schraut – bitte!“

      Er durfte getrost rufen, denn das Donnern und Toben der stürzenden Wassermassen verschlang jedes Geräusch.

      Ich schob mich neben ihn. Er drückte mir das Fernglas in die Hand.

      Ich stellte es ein und schaute auf die etwa siebzig Meter entfernte Insel hinab.

      Nach einigem Suchen entdeckte ich zwei Männer die am Nordufer standen und sich dauernd bewegten. Das Ufer war dort ziemlich steil, und die Strömung schoß mit unheimlicher Schnelligkeit vorbei.

      Dann nahm Harst mir das Glas wieder weg.

      „Genug für heute,“ rief er. „Wir können nach unserem Dorf zurückkehren.“ –

      Sigurdsen versprach nochmals, nichts zu verraten. Dann begannen wir den Heimweg. Um halb vier Uhr morgens waren wir in unserem Wohnzimmer. Brunning schlief in einem Stübchen neben der Garage.

      Wir zogen uns im Dunkeln um und verwandelten uns wieder in das Ehepaar Strapp aus Neuyork. Nur um uns zurechtzuschminken, brauchten wir Licht.

      Bisher hatte Harald sich recht schweigsam verhalten. Er schien noch nicht recht mit sich einig, was wir weiter tun sollten. Dann erklärte er:

      „Wir werden nach Göteborg zurückfahren. Ich muß die Redaktion der Göteborg-Post besuchen. Wir steigen wieder im Skandinavia-Hotel ab.“ –

      Mittags saßen wir im Zimmer des Chefredakteurs. Harald weihte den bejahrten Herrn in alles ein und bat um die Zeitungen vom März und April dieses Jahres.

      Die dicken Bände der eingebundenen Nummern der Göteborg-Post wurden gebracht.

      Während ich als Mistreß Strapp neben meinem „Gatten“ auf dem Sofa saß und mich langweilte, durchblätterte dieser Gatte die Zeitungen.

      Was er darin zu finden hoffte, wußte ich nicht. Harst hat es nun einmal an sich, mich stets nur mit Andeutungen abzuspeisen. So hatte er auf dem Wege zur Redaktion lediglich gesagt:

      „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft müssen hier mit in Betracht gezogen werden.“

      Das war alles. Und als ich ihn dann nochmals bat, mir doch wenigstens zu erklären, was die beiden Männer auf der Trollhätta-Insel getan hätten, erwiderte er:

      „Daß es Dalcroix und Aarström waren, weißt Du. Du kannst Dir auch leicht zusammenreimen, daß sie Sondbör ermordet haben, als er sie auf der Insel belauschen wollte. Mithin ist sehr wahrscheinlich die Insel das Ziel der nächtlichen Ausflüge Dalcroix’ gewesen. Mehr kann auch ich Dir nicht sagen. Alles weitere bleibt graue Theorie, bis – bis ich die Zeitungen durchgesehen habe.“ –

      Jetzt schien er einen Artikel gefunden zu haben, der ihn interessierte. Ich beugte mich näher und wollte mitlesen. Da klappte er den Band schon zu, erhob sich und dankte dem Chefredakteur.

      „Wir haben leider nichts erreicht,“ sagte er noch. Dann gingen wir.

      Und unten aus der Straße rief er eine Droschke herbei und befahl:

      „Kungsgatan

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