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gutes Tourenauto fährt von Göteborg bis Trollhätta etwa zwei Stunden.

      Der Inspektor und ich – jetzt als Schraut ohne Verkleidung, nur mit Autobrille – verließen Göteborg um sieben Uhr abends. Harst wollte in einem zweiten Auto eine Viertelstunde später nachkommen.

      Als wir, Dronting und ich, uns von Harald vorläufig verabschiedet hatten, drückte mir dieser noch schnell einen Zettel in die Hand.

      Ich konnte den Zettel dann erst im Gastzimmer des Bahnhofshotels in Trollhätta heimlich lesen. – Da stand mit Bleistift gekritzelt:

      „Laß Dronting um zehn unter Vorwand allein und frage Dich bis zu Aarströms Häuschen durch. Ich erwarte Dich dort.“

      Dieser Inhalt bewies mir, daß Harald sich die Lösung des Rätsels der Trollhätta-Insel doch wohl anders dachte, als er es Dronting gegenüber angegeben hatte.

      Kurz vor zehn – wir saßen bei einem Glase Wein im Gastzimmer – erklärte ich dem Inspektor, daß ich einen kurzen Rekognoszierungsgang durch den Ort machen wolle. Ich würde bald zurück sein.

      So konnte ich denn allein bei leichtem Regen durch die stillen Straßen dem Donnern der Fälle zuwandern. Bald stand ich vor dem kleinen Hotel auf dem freien Platze, das jeder Tourist besucht, da man von der hinteren Glasveranda einen freien Ausblick auf den einen Fall hat.

      Vor dem Hotel stand der Hoteldiener, der mir den Weg zu Aarströms Häuschen beschrieb und mich prüfend musterte, weil er sich wohl wunderte, was ich bei Aarström zu tun hätte. – Ich fand mich auch gut zurecht. Die enge Gasse war schlecht beleuchtet. Dann trat aus dem Schatten einer Toreinfahrt Harald heraus.

      „Sie sind auf der Insel,“ flüsterte er. „Ich rechnete damit. Sie glauben sicherlich dem Inhalt von Hargarsens telefonischer Mitteilung nach, daß Gefahr droht. Das wollte ich auch. Nun arbeiten sie mit verzweifeltem Eifer auf der Insel mit ihren Tauen, an die sie die zweischaufeligen Anker festgebunden haben. Daß sie mit Ankern dort herumhantieren, erkannte ich schon gestern nacht. Sie wollen nochmals versuchen, das wieder herauszuholen, was sie dort in der Strömung versenkt haben –“

      „Was denn?“ fragte ich atemlos.

      „Das weiß ich nicht. Vielleicht einen Toten –“

      Ich sann nach. – Einen Toten –?! Wen – wen wohl?

      „Vielleicht Gunnar Bantjör,“ fügte Harald dann hinzu. „Obwohl das nur eine Vermutung ist, die sich aus recht geringe Anhaltspunkte stützt. – Vielleicht auch – die Diamanten! Vielleicht auch – beide! Doch komm’ jetzt! Ich möchte mich schnell noch in Aarströms Häuschen umsehen.“

      Wir huschten über die Straße. Die Pforte des morschen Holzzaunes des Vorgartens hing schief in den Angeln. Kastanien, eine Buche und dichte Fliederbüsche umgaben die baufällige Baracke.

      Von den Blättern der Bäume fielen schwere Tropfen herab. Es stäubte nur noch mit Regen. Es war wie ein Nebel, der alles ringsum noch unfreundlicher machte.

      Ich fühlte mich durchaus nicht behaglich. Jeden Augenblick konnten Aarström und Dalcroix zurückkehren. Dann kam es fraglos zu einem Zusammenstoß zwischen uns, falls wir schon im Hause steckten. Die Kerle würden uns sicherlich nicht schonen. – Weshalb mußten wir überhaupt in die Baracke hinein? Welchen Zweck sollte das haben?! –

      Da – Haralds Stimme. Wir standen dicht an dem einen Hinterfenster.

      „Ich werde die Tür öffnen. Geh’ nach vorn und beobachte die Straße. Die Tür wird ein Patentschloß haben. Leute wie Aarström sind vorsichtig. Das merkst Du schon an den neuen Fensterladen!“

      Er kratzte mit dem Fingernagel über das ungestrichene Holz. „Eiche!“ sagte er. „Von den Fensterladen erwähnte der arme Sondbör nichts. Sie müssen erst kürzlich angebracht werden sein.“

      Ich wollte gerade davonschlüpfen, als ich trotz des Rauschens der Bäume und trotz des wie Brandungsgeräusch klingenden Donnerns der Fälle einen anderen Ton hörte, – nein, mehrere Töne.

      Ich blieb stehen. „Was war das, Harald?“ fragte ich leise.

      „Still! – Warte!“

      Er preßte das Ohr an die Tür, flüstere nach einer Weile:

      „Es kam aus dem Hause. Ah – wieder diese Töne! Was hat das zu bedeuten?! Es klingt wie gedämpfte Schreie! – Da – hörtest Du?! – Das ist tatsächlich ein Mensch! Sollte etwa wirklich meine flüchtige Vermutung, daß die Schurken weit mehr auf dem Kerbholz haben, als man denkt, zutreffen?! Sollte –“

      Er hatte inzwischen den Patentdietrich schon in das Schlüsselloch eingeführt. Ich vernahm das Knacken eines Riegels – nochmals dasselbe Knacken.

      „Offen!“ sagte Harald hastig.

      Seine Taschenlampe blitzte auf.

      „Es war leichter, als man annehmen konnte,“ fügte er hinzu. „Bleib’! Wir wollen beide hinein! In dieser Banditenhöhle sind zwei besser als einer!“

      Wir traten ein. Harst schloß die schwere Tür wieder ab. – Der Lichtkegel seiner Lampe zeigte uns einen schmalen, mit Ziegelsteinen ausgelegten Flur, der sich bis zur Vordertür hinzog.

      In der Mitte des Flurs lagen zwei Türen sich gegenüber. Die Wände waren einst getüncht gewesen. Jetzt starrten sie vor Schmutz.

      Abermals das undeutliche kreischen einer Menschenstimme – irgendwoher. – Mir schien’s als ob die Töne jetzt schwächer waren als vorhin. Auch Harald war offene bar stutzig geworden.

      „Es ist doch außerhalb des Hauses!“ flüsterte er. „Ich begreife das nicht. – Noch ein paar Schritt weiter! Vielleicht täuscht uns der Schall.“

      Wir schlichen über den schmierigen Fliesenboden bis an die beiden Türen, standen hier still.

      Haralds Rechte drückte langsam den plumpen Türdrücker der linken Tür herab. Sie war unverschlossen. Aber sie ließ sich nur zwei Finger breit öffnen. Es schien von innen etwas gegen die Tür gelehnt worden zu sein.

      Harst versuchte das Hindernis durch einen Ruck zu beseitigen.

      Ich stand dicht hinter ihm. Und – dann bewies uns diese alte Baracke, daß sie wirklich eine Banditenhöhle war, daß Aarström und Dalcroix alles für unseren Empfang auch hier vorbereitet hatten, daß das „Hindernis“ hinter der Tür ein Hebel war, der – den Schlund öffnete.

      Der Boden wich.

      Wir stürzten hinab – hinab in die Finsternis. Ich schlug irgendwo hart auf, fühlte noch, daß Harald mir auf die Beine fiel.

      Meine Bewußtlosigkeit währte nur Sekunden, war mehr eine Schrecklähmung gewesen. –

      Ich muß hier zur Erklärung des Folgenden einfügen, daß der Ort Trollhätta zum Teil auf Felsen steht. Diese Felspartien befinden sich dicht unter einer kaum meterhohen Schicht Erde; zwischen ihnen gibt es verschieden breite Flächen, wo der fruchtbare, weiche Boden weit in die Tiefe geht und so den Bäumen für ihr Wurzelwerk die nötige Ausdehnung gestattet. –

      Ich kam wieder zu mir. Harst half mir. Ich stand auf den Füßen, und Haralds Taschenlampe enthüllte mir dicht vor uns ein Loch von gähnender Tiefe.

      Wir hatten Glück gehabt. Die Schurken waren beim Ausheben dieses Schlundes auf einen Felsen gestoßen, hatten den Schacht seitwärts vertiefen müssen. Auf diesen Fels waren wir gestürzt – übereinander, ein seltener Zufall.

      Harst leuchtete jetzt in den Schlund hinein.

      Unten schimmerte es, als träfe der Lichtschein einen Spiegel. Es war – Wasser! Das Loch war unten mit Grundwasser gefüllt! Wären wir auch nur fünfzehn Zentimeter mehr nach rechts gefallen, dann hätten wir elend ersaufen müssen.

      „Bestien!“ knirschte Harst. „Bestien! Also deshalb bliebt Ihr ruhig hier in Trollhätta trotz des Ingenieurs Brief!

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