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von Dörendorf hat doch hier die große Parkvilla am alten Stadtgraben, nicht wahr?«

      »Ganz recht, ich war jetzt einige Tage bei ihm draußen. Seitdem der alte Herr die Stadtvilla bezogen hat und seinen Sohn draußen auf dem Gut allein wirtschaften läßt, geht es mit ihm gesundheitlich bergab.«

      »Man soll alte Bäume eben nicht mehr verpflanzen«, sagte Kammermaier lakonisch. Das Gespräch begann ihn zu langweilen. Er hatte gehofft, dieser bekannte Industrielle würde einige Reiseschwänke zum besten geben. Da fiel ihm plötzlich etwas ein: »Ich überlegte eben, woher mir der Name Birkenhöhe bekannt war. Jetzt ist es mir eingefallen. Eine Schwester unserer charmanten Gastgeberin wohnt dort ganz in der Nähe. Die Tochter des Hauses ist dort übrigens gerade zu Besuch.«

      Kammermaier sah nicht, wie es in den Augen des anderen aufblitzte, ihm fiel auch der veränderte Tonfall nicht auf, in dem Sörensen jetzt fragte: »Frau Gräfenhan hat eine Tochter?«

      »Ein entzückendes Mädel!« antwortete der Oberregierungsrat begeistert. »Wenn es nicht ungezogen wäre, würde ich sagen, noch hübscher als die Mutter. Blonde Haare, lustige und doch auch wieder so ernste tiefblaue Augen. Ich möchte zwanzig Jahre jünger sein, Herr Doktor, das bekenne ich ganz offen.«

      Dr. Sörensen hatte aufmerksam zugehört. Jetzt lachte er herzlich.

      »Und Sie wurden mir gerade als ein verknöcherter Junggeselle geschildert!«

      »Natürlich, das sieht Magdalene ähnlich. Niemand sonst kann Ihnen das gesagt haben.«

      »Schade, daß ich die junge Dame nicht sehen kann«, bedauerte Dr. Sörensen. »Ihr Enthusiasmus hat mich neugierig gemacht. Ist die junge Dame schon lange verreist?«

      »Eine knappe Woche. Unter uns gesagt, ist es sozusagen eine Strafversetzung.« Dann und wann fiel Kammermaier immer wieder in seine Amtssprache.

      »Hat die junge Dame etwas angestellt? Aber meine Frage ist wohl nicht sehr taktvoll, entschuldigen Sie bitte.«

      »Macht nichts, macht nichts, Herr Dr Sörensen, ich selbst habe ja davon angefangen. Meine Kusine Magdalene geht wohl auch viel zu streng mit Inge um. Eine harmlose Badebekanntschaft war es, die man der armen Inge vorgeworfen hat. Nun muß sie bei der Tante Kartoffeln buddeln.«

      Dr. Eberhard Sörensen hatte sich abgewandt. Ein glückliches Leuchten war in seine Augen getreten. Nun wußte er also, wo Inge sich aufhielt. Er selbst war dieser Mann, von dem der Oberregierungsrat gerade sprach. Ja, er war ihr drunten am Fluß begegnet. Dabei entsprach es gar nicht seinem Wesen, auf diese Art Bekanntschaften zu schließen. Aber es hatte ihn immer wieder zur gleichen Tageszeit an den Strand gezogen. Wie eine stille Verabredung war es gewesen. Auch Inge war stets dort gewesen. Er hatte es als ein Zeichen genommen, daß auch sie an diesen eigentümlichen Zusammenkünften Gefallen fand.

      Es war ihm ganz seltsam ergangen. Bei aller gesellschaftlichen Gewandtheit hatte er hier so etwas wie Hemmungen verspürt. Er wußte, daß er mit dieser jungen Dame keine oberflächliche Konversation machen konnte. Geheimnisvolle Fäden spannen sich zwischen ihnen, fast hatte er gefürchtet, sie könnten zerreißen, wenn sie beide die ersten Worte miteinander wechselten.

      Und dann war es doch dazu gekommen, er hatte sie angesprochen. Sie hatte ihre Sonnenbrille verloren. Er konnte sie ihr schnell wieder herbeischaffen.

      Von diesem Tage an war er bemüht, der ihm unbekannten jungen Dame näherzukommen. Doch sie war wie von der Bildfläche verschwunden. Er schalt sich einen Narren, daß er immer wieder zum Strand lief. Aber er konnte sie einfach nicht vergessen, bis heute nicht!

      Dann war etwas Merkwürdiges geschehen. Eine andere junge Dame kam an den Strand. Ungeniert ließ sie sich ganz in seiner Nähe nieder. Ärgerlich hatte er gerade das Feld räumen wollen, als er von ihr ungeniert angesprochen worden war. Aus Höflichkeit war er noch einige Minuten geblieben. Die ihm wenig sympathische junge Dame hatte sehr bald ihren Namen genannt, Lawrenz, Lucie Law­renz, er entsann sich genau.

      Und dann war er einem Kreuzverhör unterzogen worden, das er lächelnd ertragen hatte. Endlich war er aufgestanden, hatte sich verabschiedet. Und dann war die Bemerkung gefallen, voller Enttäuschung ärgerlich hingeworfen:

      »Zu meiner Freundin, Inge Gräfenhan, waren Sie viel netter! Ich habe es doch gesehen.«

      Am liebsten hätte er diesem Fräulein Lawrenz dankbar die Hand geschüttelt.

      Jedenfalls wußte er vom gleichen Tage an, wie das blonde Mädel hieß, das sein Herz so heftig schlagen ließ wie nie zuvor.

      Alles hatte er darangesetzt, um sie wiederzusehen. Offen hatte er mit dem alten Herrn von Dörendorf gesprochen, als er ihn schließlich überzeugen konnte, wie ernst seine Zuneigung war, hatte er sich für ihn verwandt. So war er, Eberhard Sörensen, von Frau Gräfenhan zu diesem Fest gebeten worden.

      Von der ersten Sekunde an waren seine Blicke suchend durch den Saal geirrt. Nun wußte er also, daß Inge gar nicht im Haus war. Gleichzeitig hatte er aber auch erfahren, wo sie zu finden war. Welch ein glücklicher Zufall, daß sie sich ganz in der Nähe von Birkenhöhe aufhielt! Er konnte sich ihr nähern, ohne daß es so aussah, als wäre er ihr absichtlich nachgefahren.

      »Sie sind ja plötzlich so schweigsam, Dr. Sörensen«, wurde er plötzlich durch Kammermaier aus seinen Gedanken gerissen. »Meine schöne Kusine schaut sich schon die Augen nach Ihnen aus. Ich glaube, Sie haben ihr Herz im Sturm erobert.«

      Eberhard Sörensen zuckte zusammen. Er hatte es vorhin schon bemerkt, daß Inges Mutter an ihm Gefallen fand. Das durfte nicht sein! In welch eine schiefe Lage kam er dadurch!

      »Übrigens, Ihr Name klingt so nordisch«, sprach Oberregierungsrat Kammermaier ungestört weiter.

      »Mein Großvater ist aus Dänemark zugewandert«, bestätigte Eberhard Sörensen. »Unsere Familie hat dort noch größere Besitzungen.«

      »Ja, ja, wo was ist, kommt immer noch was dazu«, meinte der andere nicht gerade taktvoll.

      Magdalene Gräfenhan kam langsam auf die beiden Herren zu.

      »Herr Doktor, darf ich bitten? Es wurde Damenwahl angesagt.«

      Sörensen erhob sich sofort, Kammermaier pfiff durch die Zähne. Prüfend blickte er sich um. Natürlich, der halbe Saal starrte zu ihnen her, das würde ein schönes Gerede geben.

      *

      Die Toreinfahrt zum Hof des Bauern Mertens war mit breiten Laubgirlanden geschmückt, die auf Weg und Straße gestreuten Blüten zogen sich wie eine nach und nach dünner werdende Spur vom breit und behäbig daliegenden Wohnhaus zur nahen Kirche hin. Die heiße Sonne hatte die gestreuten Blumen bereits verwelken lassen.

      Vor Stunden war das junge Brautpaar diesen Weg geschritten, gefolgt von dem Hochzeitszug und vielen, vielen Schaulustigen.

      Auch Dora Conradi und Inge Gräfenhan waren darunter gewesen. Inge hatte die schlichte Feier in der hellen freundlichen Dorfkirche sehr ergriffen. Das fröhliche Gebimmel der Kirchenglocken und der erhabene, brausende Klang der Orgel waren eine Begleitmusik gewesen, die sie so schnell nicht vergessen würde.

      Unterwegs war der Brautzug von quer gespannten Girlanden mehrfach aufgehalten worden. Inge hatte gesehen, wie der junge Bräutigam stets in einen großen Beutel griff und klingende Münzen unter die jubelnden Kinder streute, die dann die Girlanden zerrissen und den Weg freigaben.

      Jetzt saß man in der großen geräumigen Bauernstube, Kaffee und Kuchen wurde gereicht, aber nur die Verwandten und nächsten Bekannten hatten Platz gefunden, Mägde und Knechte und all das lustige junge Dorfvolk hatten auf der Tenne an breiten Tischen Platz genommen. Hier ging es am lustigsten zu, und Inge hatte schon mehrfach Aufforderungen bekommen, dort ebenfalls hinzugehen. Aber sie wollte bei ihrer Tante bleiben, außerdem hatte sie ganz in der Nähe des Brautpaares einen guten Platz gefunden.

      Tante Dora hatte an dieser Kaffeetafel große Freude. Sie kam so wenig aus ihrem stillen Haus heraus, daß sie richtig auflebte und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit rege an der Unterhaltung teilnahm.

      Lauter

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