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der sonstigen Gepflogenheit, nicht gespart wurde.

      In der Empfangshalle standen die herrlichsten Rosen, fast sah es so aus, als hätten die Gäste ihre Aufmerksamkeiten bereits im voraus der Gastgeberin dargebracht. Eingeweihte wußten jedoch, daß Frau Gräfenhan unter anderem Teile ihres Vermögens auch in einer großen Gärtnerei investiert hatte, und die täglichen Blumensendungen von dort als eine selbstverständliche Zugabe zu ihren Zinsen betrachtete. Sonst hätte sie wohl kaum eine so üppige Blumenfülle in ihren Räumen geduldet. Im Grunde machte sie sich nämlich nicht viel aus Blumen. Sie erschienen ihr als ein sinnloser Luxus.

      Während Frau Gräfenhan noch überall nach dem Rechten sah, kam bereits der erste Besucher. Sie fuhr ärgerlich herum, als sie das anhaltende Läuten der Hausklingel hörte. Wer war so unhöflich, vor der Zeit zu erscheinen? Sie war ja noch nicht einmal umgezogen.

      Ihre Hoffnung, daß es sich vielleicht nur um einen Boten handeln könnte, zerschlug sich sehr schnell. Es klopfte, und auf ihr Herein trat ein blasser junger Mann ein, der nervös seine Brille zurechtrückte.

      »Was gibt es denn, Herr Kallweit?« fragte sie ungehalten.

      »Gnädige Frau, Herr Oberregierungsrat von Kammermaier ist soeben eingetroffen.«

      »Na und?«

      »Ich bin beauftragt, Ihnen das zu melden.«

      »Schon gut! Haben Sie die Post noch erledigt, die ich Ihnen vorhin diktierte?«

      »Sehr wohl, gnädige Frau. Wenn es Ihnen möglich wäre, sofort…, ich meine, die Unterschrift…«

      Dienstbeflissen öffnete Antonius Kallweit die Unterschriftenmappe.

      »Geben Sie her«, befahl Frau Gräfenhan.

      Eilig breitete Kallweit die einzelnen Briefe vor ihr aus. Er war dabei so ungeschickt, daß ein Teil davon zur Erde flatterte.

      Magdalene Gräfenhan schüttelte mißbilligend den Kopf. »Ich weiß wirklich nicht, warum Sie so nervös sind, Kallweit. Wenn sich das nicht sehr bald ändert, werde ich mich nach einem anderen Sekretär umsehen müssen.«

      In Kallweits Gesicht schoß jähe Röte.

      »Entschuldigen Sie, gnädige Frau, es wird nicht wieder vorkommen.«

      »Das haben Sie mir schon sehr oft versprochen. Gehen Sie jetzt und sagen Sie meinem Vetter, dem Herrn Oberregierungsrat, daß ich ihn im Augenblick noch nicht empfangen kann, er möchte sich gedulden. Führen Sie ihn in die Bibliothek.«

      »Sehr wohl, gnädige Frau!«

      »Sie bringen die Briefe eigenhändig zur Post, es sind wichtige Schreiben dabei«, rief sie ihrem Sekretär noch nach.

      »Sehr wohl, gnädige Frau!«

      Als Antonius Kallweit das Zimmer verlassen hatte, klingelte Magdalene nach dem Mädchen.

      »Machen Sie das hier weiter, Lisbeth. Ich hatte angeordnet, daß heute ausschließlich Rosenthal-Prozellan genommen wird, und dann mag ich dieses stumpfe Silber nicht. Hier haben Sie den Schlüssel für den Silberkasten, wechseln Sie aus.«

      »Sehr wohl, gnädige Frau!«

      Magdalene Gräfenhan zog die Stirn kraus.

      »Mir scheint, daß Sie sich zu oft mit meinem Sekretär beschäftigen, Lisbeth. Sie sprechen schon ganz wie er. Wenn Sie nun auch noch so fahrig und nervös werden, dann werfe ich Sie beide zusammen hinaus.«

      »Aber gnädige Frau!«

      Frau Gräfenhan war bereits in ihre Privatzimmer hinübergegangen.

      Sie hörte den ängstlichen Ausruf ihrer Hausangestellten nicht mehr. So entging es ihr auch, daß Lisbeth, nachdem sie den ersten Schreck überwunden hatte, schnippisch vor sich hin sagte: »Kannst mich gern haben!«

      Eine Viertelstunde später betrat Frau Magdalene Gräfenhan die Bibliothek.

      Der Oberregierungsrat Franz Kammermaier erhob sich sofort aus dem tiefen Sessel, in den er sich behaglich zurückgelehnt hatte, und sah bewundernd auf seine Kusine.

      »Willkommen, lieber Franz!« Magdalene reichte ihm die Hand, die er ehrerbietig küßte.

      »Was starrst du mich so an?« fragte sie, als er den Blick noch immer nicht von ihr wandte.

      »Du bist nach wie vor eine sehr schöne Frau, Magdalene. Das volle dunkle Haar, die hellen Augen, die königliche Gestalt, ich bewundere dich!«

      Magdalene lächelte geschmeichelt, dann jedoch verengten sich ihre Augen. Bereitete der Vetter etwa mit diesen süßen Worten eine seiner üblichen Bosheiten vor? Man mußte bei ihm stets darauf gefaßt sein, daß er mit lächelndem Gesicht die spitzesten Bemerkungen machte.

      »Was führt dich heute schon so früh hierher, lieber Franz?«

      »Der Zufall, liebste Magdalene, der reine Zufall.«

      »Du wirst doch heute abend mein Gast sein, nicht wahr? Oder kommst du, um abzusagen?« fragte Magdalene Gräfenhan, ließ sich in einen Klubsessel gleiten und deutete mit einer Handbewegung an, daß auch der Vetter wieder Platz nehmen möge.

      Kammermaier setzte sich ihr gegenüber.

      »Selbstverständlich bleibe ich. Was meinst du, wie gespannt ich schon auf die Klatsch­geschichten bin, die es zu hören geben wird.«

      Frau Gräfenhan verzog keine Miene, sie kannte die Redeweise ihres Vetters.

      Er kam sich besonders witzig vor, wenn er so sprach, ein Überbleibsel aus seiner Militärzeit.

      »Wird unsere reizende Inge ebenfalls das Fest verschönern?«

      »Inge ist bei meiner Schwester Dora.«

      »Warum denn das?« fragte der Oberregierungsrat verwundert. »Glaubst du etwa, daß sie sich auf dem Land wohl fühlt?«

      »Darum geht es nicht, Franz. Ich habe sie in die Einsamkeit geschickt, damit sie hier keine Dummheiten machen kann. Bei meiner Schwester ist sie in den besten Händen.«

      Oberregierungsrat Kammermaier kratzte sich ungeniert den Kopf.

      »Du wirst verstehen, daß du mir nach diesen halben Andeutungen eine Erklärung schuldig bist«, sagte er.

      »Nicht, daß ich wüßte, Franz. Das sind Dinge, die einzig und allein mich als Inges Mutter angehen.«

      »Scheint ja allerlei vorgefallen zu sein!«

      »Gott sei Dank noch nicht. Also gut, ich will es dir erzählen. Inge hat sich hier mit einem Mann getroffen, im Badeanzug! Es ist empörend.«

      »Entschuldige, ich begreife nichts. Im Badeanzug? Wo denn?«

      »Am Badestrand selbstverständlich.« Oberregierungsrat Franz von Kammermaier lehnte sich lachend zurück.

      »Donnerwetter! Das ist allerdings wirklich unerhört!«

      Magdalene schürzte die Lippen.

      »Ich kenne deine Auffassung in diesen Dingen.«

      Oberregierungsrat Kammermaier erhob sich.

      »Inge ist also bei der Tante. Schade, ich hätte sie gern einmal wiedergesehen. Ich möchte dich aber nun nicht länger in deinen Vorbereitungen aufhalten. Wenn du gestattest, ziehe ich mich jetzt auf mein Zimmer zurück. Es ist doch wohl das gleiche wie sonst immer? Die gute Wanda hat meine Koffer jedenfalls dort hinaufgetragen.«

      »Hast du eine gute Reise gehabt, darf ich dir etwas Erfrischendes anbieten?«

      »Danke, Magdalene, ich kann gut noch bis zum Abend warten.«

      Oberregierungsrat Kammermaier verneigte sich vor seiner um viele Jahre jüngeren Verwandten.

      *

      Wanda Scholz hatte ihre eigenen Ansichten. Im Augenblick war sie der Meinung, daß der Herr Oberregierungsrat mit dem Essen nicht bis zum Abend warten konnte, sondern

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