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Ideen dazu hatte, wie man Kurzfilme im Netz zu Marketingzwecken einsetzen könnte, insbesondere bei Jugendlichen.«

      »Stopp.« Flemming hielt eine Hand in die Luft. »Wenn ich einen Kurs in neuen Kommunikationsformen brauche, sage ich Bescheid. Halt dich an die Person. Du hast ihn also eingestellt?«

      »Und wie! Es gab eine heftige Auseinandersetzung mit Kurt, bis er endlich eingesehen hat, dass René sein Gehalt wert ist – sogar mehr als das. René ist Ende dreißig und verheiratet.«

      »Jetzt kommen wir zum IT-Chef, oder?«

      »Mann, es arbeiten wirklich viele in dem Laden!«

      »Komm schon, Dan. Es fehlen nur noch vier.«

      »Okay. Der IT-Chef heißt Kim, ist um die fünfundzwanzig Jahre alt und ein ziemlich ruhiger Bursche. Aber sehr effektiv, wenn man ihn erst mal an seinen Schreibtisch gebracht hat. Kahl auf die ungeile Art.« Dan ließ die Hand über seine Glatze gleiten.

      Flemming zog eine Augenbraue hoch, unterdrückte aber einen Kommentar.

      Die letzten drei hechelten sie in einem Abwasch durch: »Die drei Grafiker, früher nannte man sie Reinzeichner, heißen Jesper Blom, Thomas Keldsen und Rikke Würtz. Sie sind lieb und nett und … Ich kann nicht mehr, Flemming. Komm einfach wieder, wenn du etwas Konkreteres über sie wissen willst.«

      Dan begleitete ihn in den Flur, wo Flemming sich seinen Schal besonders sorgfältig um den Hals legte und den Mantel bis oben zuknöpfte. Zwei Minuten später stand er auf der Straße und schaute auf die Uhr. Verdammt, es war fast eins! Er ging das kurze Stück zum Rathausmarkt zu Fuß, wo die ausladenden Formen und die gewaltige Treppe des alten Polizeipräsidiums eine der drei Seiten des Platzes dominierten; drei, weil die vierte Seite zum Wasser hinausging und vom zentralen Platz der Stadt eine einzigartige Aussicht über den Fjord lieferte. Die beiden anderen Seiten wurden vom Rathaus beziehungsweise dem Hotel Marina besetzt. Im Sommer breitete sich das Restaurant des Hotels weit über den Platz aus und vermittelte eine geradezu südländische Atmosphäre. Aber heute, wo ein eiskalter Westwind die Augen tränen und die Ohren empfindlich rot werden ließ, kam beim Anblick des hübschen Platzes keine rechte Urlaubsstimmung auf. Die Gebäude wirkten abweisend und unzugänglich, als würden auch sie vor den kalten Windstößen die Augen zukneifen.

      Flemming rannte beinahe die Treppe hinauf, nickte dem uniformierten Beamten hinter dem Empfangstresen zu und nahm drei Stufen auf einmal, als er in die erste Etage lief, wo die Büroräume der Kriminalpolizei von Christianssund untergebracht waren. Ohne anzuklopfen, stürmte er durch die Tür.

      Frank Janssen, der vor einigen meterlangen Papierstreifen mit Daten saß, zuckte zusammen: »Willst du mich zu Tode erschrecken?«

      »Entschuldigung. Ich dachte, du bist am Tatort?«

      »Willumsen ist aus Jütland zurück und hat es mir abgenommen. Sie und Pedersen kümmern sich um die Vernehmungen.« Es war eine allgemein bekannte Tatsache, dass Frank Janssens Verhältnis zur Vizekommissarin Lone Willumsen ein wenig angespannt war, obwohl niemand die Ursache kannte. »Wenn sie der Ansicht ist, dass es ohne mich leichter geht, ist das vollkommen in Ordnung.« Er hielt den Blick stur auf das Papier auf dem Tisch gerichtet.

      Flemming antwortete nicht. Er stellte sich vor den altertümlichen Heizkörper aus Gusseisen und legte seine verfrorenen Hände darauf. »Wieso ist das plötzlich nur so teuflisch kalt geworden?«

      Frank zuckte mit den Achseln. »Wir haben den Ausdruck der Wach- und Schließgesellschaft.«

      »Das ging aber schnell!«

      »Ja. Sie haben es per Boten gebracht. Wie es aussieht, ist es das erste Mal, dass sie sich ernsthaft mit den registrierten Kartennummern beschäftigen mussten. Sie waren ganz scharf darauf, es auszuprobieren.«

      »Haben sie auch eine Liste darüber mit beigelegt, welche Karte zu welcher Nummer gehört?«

      »Haben sie. Und ich glaube, dass das vorläufige Resultat dich interessieren könnte. Sieh mal.« Frank schob zwei Blätter Papier auf die andere Seite des Schreibtisches.

      Flemming verließ mit einer gewissen Wehmut den warmen Platz am Heizkörper und zog einen Stuhl an Franks Schreibtisch. Er schob die Brille auf die Stirn. »Lästig ist das«, brummte er. »Altmännerblick. Ich muss mir bald diese Gleitsichtdinger oder wie die heißen besorgen. Na, dann zeig mal.« Frank hatte zwei Kartennummern mit den dazu gehörenden Benutzernamen auf einem der Papierstreifen angekreuzt. Eine gehörte Benjamin Winther. Die andere war auf die Schrubberkompanie ausgestellt. Lilliana war nicht als Benutzerin registriert. Flemming blickte Frank an und hob die Augenbrauen. »Sehr interessant, Janssen. Vor allem, weil irgendjemand vermutlich unterschrieben hat, dass ihm die Karte der Schrubberkompanie ausgehändigt wurde. Ich würde darauf wetten, dass es sich um Lilliana handelt. Ich kann es kaum erwarten, mir Merethe Finsen vorzunehmen.« Er griff nach dem anderen Papierstreifen. »Und hier?« Er hielt das Papier am ausgestreckten Arm, um die kleinen Zahlen erkennen zu können, die dort in langen Reihen ausgedruckt waren.

      »Darf ich?« Frank trat hinter Flemmings Stuhl und zeigte auf die Zahlenkolonnen. »Hier, um 20.52 Uhr hat jemand die Tür von außen mit der Karte der Schrubberkompanie geöffnet. Das stimmt exakt mit dem Zeitpunkt überein, an dem Lilliana zur Arbeit kam – mit oder ohne Benjamin. Danach passierte anderthalb Stunden nichts.« Seine Finger glitten eine Zeile nach unten. »Aber schau dir das an. Irgendjemand ist um 22.17 Uhr aus der Tür gegangen, um 22.29 Uhr kam jemand herein. Und zwar mit Benjamin Winthers Karte.«

      Flemming richtete sich auf. »Der Mord fand laut Giersing ungefähr gegen 22.30 Uhr statt«, sagte er. »Und wenn Benjamin gestern nicht seine Karte gestohlen wurde, dann lügen sowohl er als auch seine Mutter.«

      »Aber es gibt noch etwas, Torp.« Franks Finger war auf die nächste Uhrzeit der »Heraus«-Spalte gerichtet: »22.33 Uhr … Vier Minuten nachdem Benjamin hineingegangen ist, hat jemand den Türöffner gedrückt, um herauszukommen.«

      »Du hast recht. Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Bursche sie in vier Minuten mit einer Garotte umbringt, hinter sich aufräumt und wieder herauskommt?«

      »Nicht groß.«

      Flemming runzelte die Stirn. »Egal, in jedem Fall lügt er.«

      »Sollen wir ihn festnehmen lassen?«

      »Ja. Besser, du lässt ihn sofort holen.«

      »Was ist mit der Mutter?«

      »Mit ihr lassen wir uns noch ein bisschen Zeit.« Flemming stand jetzt am Fenster und blickte über den Fjord, wo der Wind auf dem dunkelgrauen Wasser kleine boshafte Schaumkronen bildete. »Hören wir uns zuerst einmal an, was ihr Sohn zu berichten hat.«

      »Was hast du eigentlich gegen Frank Janssen?«

      »Wieso glaubst du denn, ich hätte etwas gegen ihn?« Lone Willumsens Stimme war kühl. »Ich habe es nur so eingeschätzt, dass wir die Routineverhöre auch ohne ihn schaffen. Außerdem gibt es im Präsidium genug zu tun. Dich konnte ich ja nicht erreichen, also habe ich es gewagt, die große Entscheidung allein zu treffen. Wenn das falsch war, bitte ich um Entschuldigung.«

      Flemming biss sich auf die Lippe. Es hatte keinen Sinn, jetzt einen Streit zu beginnen, und schon gar nicht am Telefon. »Ja, und er ist hier auch ein gutes Stück weitergekommen, also sollte ich dir wohl danken«, sagte er. Ärgerlich, dass er ihren Gesichtsausdruck nicht sehen konnte. Er erklärte seiner Stellvertreterin in groben Zügen, wie Benjamins Lügen aufgedeckt wurden. »Wir holen uns den Burschen gerade zur Vernehmung.«

      »Okay.« Sie machte eine Pause. »Dann deutet ja vieles darauf hin, dass Benjamin Winther der Täter ist? Vergeuden wir hier nicht unsere Zeit, wenn er in ein paar Stunden sowieso schluchzend zusammenbricht und gesteht?«

      »Ich glaube nicht, dass es Benjamin war.«

      »Wie du willst.«

      »Das Wichtigste ist im Augenblick, dass du eine komplette Liste darüber erstellst, wann die einzelnen Mitarbeiter gestern gekommen und gegangen sind. Schick sie mir so schnell wie möglich. Wir

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