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Anblick, immerhin hatte er den größten Teil des Make-ups abgewaschen. Er setzte sich, ohne die beiden Polizisten anzusehen.

      »Möchtest du eine Tasse Kaffee?«, fragte Flemming.

      Benjamin nickte, richtete den Blick aber weiterhin auf die Tischplatte.

      »Die wirst du auch bekommen. Du musst uns nur bei der Lösung von ein paar Rätseln helfen.«

      Benjamin antwortete nicht.

      »Willst du uns helfen?«

      Ein Achselzucken, noch immer ohne Augenkontakt.

      »Okay, fangen wir einfach mal an«, fuhr Flemming fort. »Erklär mir noch einmal, was gestern Abend passiert ist.«

      Benjamin räusperte sich und murmelte: »Ab wann?«

      »Nachdem ihr den Kindergarten verlassen habt, wo ihr von 17.00 bis 19.30 Uhr sauber gemacht habt. Am Klosterbakken.« Flemming lehnte sich zurück. »Wart ihr pünktlich fertig?«

      »Etwas früher.«

      »Wie seid ihr vom Klosterbakken zum Sundværket gekommen?«

      »Wir sind gefahren.«

      »Ihr seid gefahren. Aha.« Flemming blieb still, bis Benjamin endlich den Kopf hob und ihn fragend ansah. »Benjamin, das dauert alles viel zu lange, wenn du nicht ein bisschen mitarbeitest.«

      Benjamin nickte mit gerunzelten Brauen, noch immer verwirrt.

      »Komm. Erzähl.«

      Der junge Mann richtete sich ein wenig auf. »Wir sind mit dem Wagen der Schrubberkompanie gefahren. Ich saß am Steuer. Lilliana hat … hatte wahrscheinlich keinen Führerschein.«

      Frank Janssen sah aus, als wollte er etwas sagen, aber ein Blick von Flemming ließ ihn den Mund ebenso schnell wieder schließen, wie er ihn geöffnet hatte.

      Benjamin fuhr stockend und murmelnd mit seiner Erklärung fort. Wie sie ein bisschen früher als gewöhnlich bei Kurt & Ko angekommen waren, dass er eine Cola getrunken habe, weil sein Magen anfing, Probleme zu bereiten, und wie es ihm nach einer Weile trotzdem so schlecht ging, dass er nach Hause gehen musste. Er habe das Sundværket um 22.15 Uhr verlassen, behauptete er.

      »Wie bist du dort weggekommen?«

      »Was meinen Sie?«

      »Hast du den Wagen genommen?«

      »Ja.«

      »Und wie sollte Lilliana dann zu ihrem nächsten Arbeitsplatz kommen? Zu wem musste sie noch mal?« Flemming überprüfte seine Notizen. »Zu dem Bäcker in der Algade?«

      »Ich weiß nicht.« Benjamins Blick richtete sich wieder auf den Tisch. »Sie hätte den Bus nehmen können, oder …« Er brach ab.

      Flemming sprang so unvermittelt auf, wie der festgebolzte Stuhl es erlaubte. Er baute sich vor der schwarz gekleideten Gestalt auf und befahl ihr mit Nachdruck: »Du siehst mich jetzt an, Benjamin! Sieh mich an. Sofort!«

      Der Junge schaute erschrocken auf und sank auf seinem Stuhl zusammen.

      »Das sind doch alles Lügen«, erklärte Flemming. »Ich habe keine Lust, weiter mit dir zu reden, wenn das so weitergehen soll.« Langsam wandte er sich dem Fenster zu und stellte sich mit dem Rücken zum Raum, als würde er die Aussicht bewundern.

      Frank übernahm: »Benjamin, vor einer Stunde hast du mir erzählt, du hättest deine Zugangskarte gestern den ganzen Abend bei dir gehabt, oder?«

      »Ja.«

      »Dann kann also niemand mit deiner Karte ins Gebäude gekommen sein, nicht wahr?«

      »Nee, bestimmt nicht.« Benjamin erkannte, dass er sich geradewegs auf eine Falle zubewegte. Seine Augen flackerten, er suchte einen Ausweg.

      »Und du bist um 22.15 Uhr gegangen und nicht wieder zurückgekommen?«

      Er nickte.

      »Dann kannst du mir ja sicher erklären …«, Frank zog eine zusammengefaltete Liste aus der Tasche, »… wie es möglich ist, dass jemand deine Zugangskarte benutzt hat, um genau eine Minute vor halb elf ins Gebäude zu kommen?«

      Der Junge starrte auf die langen Zahlenkolonnen. »Oh, Scheiße!«, murmelte er.

      Flemming drehte sich um und lehnte sich mit dem Hintern an die Fensterbank. »Wollen wir nicht noch einmal von vorn anfangen, Benjamin? Und diesmal wäre es schön, wenn du uns die Wahrheit erzählen würdest.«

      Die schwarzen Dreadlocks wippten, als Benjamins Kopf nickte. Er zog die Nase hoch.

      »Also, ihr seid um 20.52 Uhr bei Kurt & Ko angekommen. Du hast eine Cola getrunken. Ihr habt geputzt. Du bist mit dem Müll um 22.17 Uhr hinausgegangen.«

      Benjamin starrte ihn an. »Woher wisst ihr denn, dass ich raus bin?«

      »Wir wissen vieles.« Flemming lächelte. »Du darfst gern rauchen.«

      Der Schatten eines Lächelns flog über die blassen Lippen des Jungen. Er zündete sich eine Blå North State an und lehnte sich zurück. »Okay. Ihr habt wahrscheinlich Fingerabdrücke auf dem Müllsack gefunden. Das ist wirklich unheimlich.« Er nahm einen kräftigen Zug und pustete den Rauch in einem dicken Strahl in den Raum. »Ich bin ungefähr um Viertel nach zehn mit dem Müll rausgegangen, ja. Und auf dem Rückweg habe ich mir eine Zigarette angesteckt. Das mache ich immer. In der Scheißfirma darf man drinnen ja nicht rauchen.«

      »Weiter.«

      »Als ich zurückkam, war es total still. Ich spürte den Durchzug, als ich die Tür aufschloss. Ich dachte, vielleicht hat Lilliana die Terrassentür aufgemacht. Und dann habe ich mich gefragt, ob sie vielleicht heimlich raucht, ich musste lachen.« Er hielt inne und biss sich auf die Innenseite seiner Unterlippe. »Also, ich habe gelacht, weil es so schwer ist, sich Lilliana mit einer Zigarette vorzustellen. Sie war so …« Er betrachtete die Glut an seiner Kippe. »Dann bin ich in die Küche gegangen, um zu sehen, wo sie ist. Und dann, dann habe ich sie gesehen, und sie war …« Er unterbrach seinen Redestrom und zog an der Zigarette, bis die Glut ein paar Zentimeter lang war.

      »Das ist jetzt wichtig, Benjamin.« Flemming beugte sich vor. »Versuch, dich ganz genau zu erinnern, was du gesehen hast, als du in die Küche gekommen bist.«

      Benjamin schloss einen Moment die Augen, bevor er antwortete. »Sie lag vor den Spülmaschinen. Eine stand offen, aber sie hatte noch kein Spülmittel hineingetan.« Er zog ein letztes Mal und drückte die Zigarette in die Untertasse, die Frank Janssen ihm hingeschoben hatte. »Sie lag halb auf der Seite, und sie hatte einen Arm über dem Kopf. Ihre Augen waren … ganz tot, wie … und außerdem hatte sie diese eklige Rille am Hals. Ich habe sofort gewusst, dass man sie ermordet hatte.«

      »Was hast du gemacht?«

      »Ich bin zur Eingangstür gelaufen, ziemlich schnell. Ich konnte mir ja denken, dass der Mord passiert sein musste, als ich mit dem Müllsack im Schuppen war, also, ich dachte, der Mörder sei vielleicht noch im Haus, und dann war ich so … ich bin in Panik geraten.« Er schluckte. »Eigentlich wollte ich mit meinem Handy die Polizei rufen, sobald ich in Sicherheit war, aber ich bin dann, ohne anzuhalten, nach Hause gefahren. Ich habe mich einfach nicht getraut anzuhalten, ich habe mir vorgestellt, dass der Mörder hinter mir im Auto sitzt und nur darauf wartet, dass ich stoppe, damit er mir auch eine Schnur um den Hals legen kann.« Seine Stimme zitterte, er musste eine Pause machen.

      »Tief durchatmen, Benjamin.« Franks Stimme. »Langsam und ruhig. Ich hole dir gleich eine Cola.«

      Benjamin riss sich zusammen. »Ich bin aus dem Auto gerannt, ohne abzuschließen, direkt in die Wohnung. Von dort aus wollte ich die Polizei anrufen.« Er zündete sich eine neue Zigarette an. »Ich wollte es wirklich, aber meine Mutter war noch wach, und dann habe ich ihr alles erzählt.« Er hielt inne.

      Nach einigen Sekunden hob Flemming den Kopf. »Und?«

      »Sie hat mich gebeten, die Polizei nicht zu informieren. Sie hat gesagt,

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