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einen taillierten weißen Kittel mit einer weißen Schürze darüber. Und ein kleines weißes Käppi ohne Schirm.« Er schaute in die Luft, als versuchte er, sich an weitere Details zu erinnern. »Na ja, und außerdem ist sie eine Schwarze«, fügte er hinzu. »Sehr dunkel. Ich glaube, ich habe noch nie jemanden mit so dunkler Haut gesehen. Und ihr Haar ist zu einer Million langer und dünner Zöpfe geflochten und wird im Nacken von einem Stoffband zusammengehalten.«

      »Da hast du aber verdammt genau hingeguckt, Stoffer«, sagte Fiona. »Vielleicht solltest du doch für ein Modemagazin arbeiten?«

      »Hast du das der Polizei erzählt?«, wollte Dan wissen.

      »Über die Freundin? Nee, daran habe ich gar nicht gedacht.«

      »Du wurdest schon vernommen?«

      Christoffer nickte. »Aber ich gehe da nicht noch mal rein. Das ertrage ich nicht. Eigentlich bin ich auch bereits auf dem Weg nach Hause.«

      »Ich werde es weitergeben«, sagte Dan und machte sich eine Notiz in seinem Taschenkalender. In diesem Moment sah er Elisabeth Lund aus dem provisorischen Vernehmungszimmer kommen. Ihre Wangen standen in Flammen, und die hohen Absätze gaben kleine scharfe Klicks von sich. Dan sah ihr nach und beendete dann rasch das Gespräch mit Fiona und Christoffer.

      Als er Elisabeths Schreibtisch an der Tür zu Sebastian Kurts Büro erreichte, drehte sie sich um, und ein Leuchten lief über ihr Gesicht. »Oh, Dan«, sagte sie und streckte ihm beide Hände entgegen. »Schön, dich zu sehen!«

      Er nahm ihre Hände und küsste sie auf die Wange. »Sind sie hart mit dir umgesprungen?«

      Elisabeth zuckte mit den Achseln. »Nein, eigentlich nicht. Aber sie haben mich nach allen möglichen privaten Dingen der Mitarbeiter befragt, das fand ich schon ein bisschen komisch. Du weißt doch, Dan. Ich hasse Klatsch.«

      »Es sei denn, es geht um Pernille, oder?«

      Sie biss nicht an. »Ich hasse das Gerede«, wiederholte sie bloß.

      Dan blieb eine Weile sitzen und machte Smalltalk. Dabei bewunderte er Elisabeths feine Züge, die elegante, schmale Nase, die gewölbten Augenlider über ihren klaren grünen Augen. Flemming hatte natürlich recht. Dan schwärmte für die Sekretärin seines Chefs, und ebenso wahr war es, dass er sie nie ausgenutzt hatte. Er hatte das eindeutige Gefühl, dass Elisabeth Lund Untreue verabscheute. Es wäre idiotisch, es auszuprobieren. Abgesehen davon, dass er damit aufgehört hatte. Es war mehrere Jahre her, seit er sich zuletzt einen Seitensprung erlaubt hatte, und wenn er ehrlich sein sollte, vermisste er es ganz und gar nicht. Die ganze Geheimniskrämerei, die ganze Unehrlichkeit – auf lange Sicht ist das einfach zu aufreibend, redete er sich ein und genoss den Anblick von Elisabeths weißen, regelmäßigen Zähnen, während ihre fein gezeichneten, weichen Lippen ein Wort nach dem anderen formten. Hätte man ihn unmittelbar danach gefragt, worüber sie gesprochen hatten, wäre er außerstande gewesen zu antworten.

      Erst als er sich eine halbe Stunde später hinter das Lenkrad seines Audis setzte, fiel ihm der Hinweis auf Lillianas Freundin wieder ein. Er hatte vergessen, es der Polizistin oder dem großen Beamten zu erzählen, andererseits hatte er aber auch keine Lust, noch einmal über den stürmischen Parkplatz zu laufen. Er rief Flemming Torp an, doch der ging nicht ans Telefon.

      Eigentlich war es nicht geplant, jedenfalls nicht bewusst, aber auf dem Heimweg fuhr Dan am Café Clint vorbei, und noch bevor er registrierte, was er tat, hatte er den Fuß vom Gas genommen, die Kupplung getreten und das Auto in den Leerlauf geschaltet. Sollte er versuchen, Lillianas Freundin ausfindig zu machen? Würde Flemming sauer reagieren? Oder wäre er sogar dankbar für die Hilfe? Dan überzeugte sich in wenigen Sekunden selbst davon, dass Letzteres der Fall sein würde, parkte an einer nur beinahe regulären Stelle und ging die fünfzig Meter zurück zum Café.

      Er bestellte ein Glas Latte und setzte sich an einen Tisch, der einen Blick in die Küche ermöglichte, wenn jemand durch die Küchentür ging. Er trank seinen Kaffee langsam. Es war lange her, dass er einen richtig guten Caffè Latte bekommen hatte, und dieser war hervorragend. Als er ausgetrunken hatte, trug er das Glas zurück zum Tresen und lobte den Kaffee. Das Mädchen hinter der Theke lachte verlegen.

      »Arbeitet hier eine Schwarze?« Das Gesicht des Mädchens, das vor einem Moment noch aus lauter Lachgrübchen und flirtenden Blicken bestanden hatte, schloss sich in einer Nanosekunde.

      »Ich würde gern mit ihr reden.«

      »Sind Sie von der Polizei?«

      »Überhaupt nicht. Ich arbeite in einer Werbeagentur draußen im Sundværket. Ich suche nach einem schwarzen Mädchen mit afrikanischen Zöpfen für eine Kampagne, die ich vorbereite, und irgendjemand hat mir Ihre Kollegin empfohlen.« Dan war verblüfft, wie leicht ihm die Lüge fiel.

      Und er hatte auch sofort Erfolg. Die Lachgrübchen und der flirtende Ton kehrten zurück: »Sally arbeitet nicht mehr hier. Können Sie nicht mich stattdessen gebrauchen?«

      »Leider nein.« Dan lächelte zurück. Damn, I’m good, dachte er. »Wissen Sie, wo sie jetzt ist?«

      »Ich weiß gar nichts«, erklärte das Mädchen. »Eines Tages, vor drei, vier Wochen kam sie einfach nicht mehr zur Arbeit, und seitdem haben wir sie nicht mehr gesehen.«

      »Wissen Sie, wo sie wohnt oder wie sie außer Sally noch heißt?«

      »Ihren Nachnamen kenne ich nicht, aber bis vor ein paar Wochen hat sie in dem roten Haus an der Ecke Jernbanegade und Jyllandsgade gewohnt. Ganz oben.« Das Mädchen griff nach einem hellblauen Lappen und wischte über die Theke, obwohl sie, soweit Dan es beurteilen konnte, funkelnd sauber war.

      Er legte Trinkgeld in eine kleine Schale, die man vermutlich zu diesem Zweck aufgestellt hatte, und ging zur Tür. Kurz bevor er sie erreichte, drehte er sich um: »Haben Sie jemals Sallys Freundin Lilliana kennengelernt?«

      »Ach, so heißt sie? Sehr langes dunkles Haar. Braune Augen, nahezu kreideweiße Haut, hohe Wangenknochen, langweilige Klamotten, die sie fünfzehn Jahre älter aussehen ließen.«

      »Ganz genau.«

      »Sie hat Sally ein paarmal nach der Arbeit abgeholt. Ich glaube, sie wohnen zusammen.« Das Mädchen hielt mitten in der Bewegung inne. »Lilliana? Ist das nicht die Frau, die gestern ermordet wurde?«

      »Ja.« Dan verschwand aus der Tür, bevor bei der armen Kellnerin der Groschen fiel. Er tippte Flemmings Nummer in sein Handy, diesmal antwortete der Kommissar.

      »Ich habe Lillianas Adresse für dich«, sagte Dan.

      »Wie zum Teufel hast du …?« Im Hintergrund ein gewaltiger Radau, Flemming war so gut wie nicht zu verstehen. Dan hörte, wie er vor die Tür ging, es stürmte.

      »Wo bist du?«, erkundigte er sich.

      »Ich stehe vor der … bin in einer Sitzung …« Der Lärm am Telefon war kaum zu ertragen, der größte Teil ihres Gesprächs ging knisternd und sausend unter.

      »Kannst du zu mir kommen, wenn ihr fertig seid? Dann kann ich dir beim Essen alles erzählen.«

      Flemming sagte ein paar Sekunden nichts, und Dan glaubte schon, die Verbindung sei definitiv unterbrochen. Dann legte sich der Hintergrundlärm ein wenig, und die Stimme des Polizisten war wieder zu verstehen: »So, jetzt bin ich wieder reingegangen. Was hast du gesagt?« Dan wiederholte die Einladung und Flemming lachte. »Beförderst du dich selbst zum Kriminalbeamten?«

      »Stell dir mich einfach als den irritierenden Privatdetektiv vor, der ständig im Weg steht und die Arbeit der Polizei stört, aber am Ende derjenige ist, der den Mörder entlarvt.«

      »… wenn alle Verdächtigen vor dem Kamin in der Bibliothek versammelt sind«, ergänzte Flemming. »Gib mir Lillianas Adresse, damit ich jemanden beauftragen kann, die Wohnung zu untersuchen. Ich bin in ungefähr anderthalb Stunden bei dir, Dan.«

      Es war inzwischen 16.00 Uhr, die Dämmerung legte sich über die Gørtlergade. Die gelb erleuchteten Vierecke der Fenster verrieten, wer heute schon früher von

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