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der Wohnblocks hinter dem Krankenhaus. Ich bin rausgefahren, als ich die Adresse hatte, und sie waren beide zu Hause, er und seine Mutter. Die Mutter hat seine Geschichte in jedem Punkt bestätigt.«

      »Er sieht nicht so aus wie einer, der noch bei seiner Mutter wohnt, oder? Der macht doch eher den Eindruck, als hätte man ihn in einem Jugendzentrum großgezogen oder als hätte er nach dessen Abriss in irgendeiner anarchistischen Kommune in Berlin gelebt. Wie ist sie – die Mutter, meine ich?«

      »Blond, groß, schlank, sieht eigentlich ganz nett aus, war aber ziemlich nervös. Sie hatte Angst, dass ihr Sohn Probleme bekommt.«

      »Das kann man ihr ja auch nicht verdenken«, meinte Dan. »Hast du Hunger?«

      Flemming schüttelte den Kopf. »Ich esse auf dem Rückweg einen Hotdog. Fällt dir eigentlich bei der Geschichte nichts auf?«

      Dan runzelte die Brauen. »Ja, jetzt, wo du es sagst. Wieso hast du Lillianas Daten nicht bekommen, wenn es bei Benjamin so leicht ging?«

      »Volltreffer.« Flemming lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich wusste doch, dass du aufgeweckter bist, als es zurzeit den Anschein hat. Merethe Finsen sagt, sie hätte nie von Lilliana gehört. Sie behauptet sogar, Benjamin würde seine Putzjobs allein erledigen.«

      »Im Plural? Hat er noch andere Arbeitsstellen?«

      »Na klar, was denkst du dir eigentlich? Glaubst du, man kann von zwei Arbeitsstunden am Tag leben?« Flemming schüttelte den Kopf. »Benjamin und vermutlich auch Lilliana haben abends an drei Orten geputzt. Von 17.00 bis 19.30 Uhr in einem Kindergarten am Klosterbakken, von 21.00 bis 22.00 Uhr bei euch und von 22.30 bis circa 0.30 Uhr bei einem Bäcker in der Algade.«

      »Aber Lilliana war immer dabei. Das muss man doch an den Abrechnungen sehen können.«

      »Eben nicht. Da steht nur ›Reinigung laut Vereinbarung in diesem oder jenem Monat‹. Kein Wort darüber, wer daran beteiligt war.«

      »Das verstehe ich nicht.«

      »Nein, natürlich nicht. Ich habe mit einem richterlichen Beschluss gedroht, dann hat uns die Besitzerin die Erlaubnis gegeben, die Rechnungen der Firma durchzusehen. Sie dachte wohl, dass sie noch Zeit dafür haben würde, die eine oder andere Zahl ein bisschen zu frisieren, aber ich habe einen Streifenwagen der Polizei Frederiksberg geschickt, die standen schon vor der Tür, als sie zu ihrem Büro kam. Sie erschien, eine Viertelstunde nachdem wir unser Telefonat beendet hatten. Wahrscheinlich hat es sie überrascht, dass die Beamten auch ihren Laptop mitgenommen haben.« Er schüttelte den Kopf. »Die Sache stinkt schon von Weitem nach Schwarzarbeit. Wenn sonst nichts dabei rauskommt, tun wir wenigstens dem Finanzamt einen Gefallen damit, ihr ein bisschen auf die Finger zu schauen.«

      »Was sagt Benjamin?«

      »Er behauptet, keine Ahnung zu haben. Angeblich wusste er nur, dass seine Kollegin Lilliana hieß und nicht besonders gut Dänisch sprach. Sie haben anderthalb Jahre zusammengearbeitet.« Flemming zuckte mit den Achseln. »Mit ihm sind wir ganz sicher noch nicht fertig. Aber ich bin mir sicher, dass er die Geschichte sehr genau mit seiner Mutter abgesprochen haben wird, wenn wir ihn zu fassen kriegen.«

      »Glaubst du, er war es?«

      »Ich kann es dir wirklich nicht sagen. Ganz sicher gibt es die eine oder andere Sache, die er uns verheimlicht.«

      Dan wippte eine Weile auf seinem Stuhl, sein Blick ging ins Leere. »Ich weiß nicht, vielleicht habt ihr ja bereits daran gedacht, aber …«

      »Sag schon!«

      »Na ja, vor einem Jahr haben wir die Alarmanlage der Agentur ausgetauscht, eine der interessanten Funktionen des neuen Systems ist, dass man überprüfen kann, wann die einzelnen Zugangskarten benutzt wurden.«

      Flemming richtete sich auf. »Man kann also sehen, wann die einzelnen Mitarbeiter kommen und gehen?«

      »Fast. Wenn man geht, braucht man nur den Türöffner zu drücken, dann sieht man natürlich nicht, wer das Büro verlässt. Immerhin kann man genau nachrecherchieren, wann der Türöffner von innen aktiviert wurde – und eine Liste von allen ausdrucken, die hineingegangen sind, oder jedenfalls, welche Zugangskarten benutzt wurden.«

      »Wir könnten also sehen, ob jemand das Gebäude zu dem Zeitpunkt verlassen hat, von dem Benjamin behauptet, er sei krank nach Hause gegangen?«

      »Genau.«

      »Wissen alle in der Firma davon?«

      »Nein.« Auf Dans Gesicht zeigte sich ein schiefes Lächeln. »Kurt hat so einen Spionage-Spleen, er glaubt, damit die Leute beim Lügen erwischen zu können, die behaupten, viele Überstunden gemacht zu haben. Ich glaube, er hat es nie wirklich ausprobiert, aber als wir zu entscheiden hatten, in welches System wir investieren sollten, haben wir uns schon ein bisschen über ihn amüsiert.«

      »Augenblick.« Flemming ging ins Wohnzimmer und telefonierte. Er gab ein paar kurze Anordnungen durch, klappte das Handy zusammen und setzte sich wieder in die Küche. »Janssen checkt das mit der Wach- und Schließgesellschaft.«

      »Dieser James-Bond-Typ?«

      Flemming lächelte. »Ach, der Smoking zeigt nur, dass er so schnell wie möglich am Tatort sein wollte. Als er informiert wurde, feierte er gerade den fünfundsechzigsten Geburtstag seines Vaters im Hotel Marina. Er wollte keine Zeit verlieren und nicht erst nach Hause fahren und sich umziehen. Janssen ist schon okay.« Er steckte sein Handy ein. »Ich freue mich auf die Liste.«

      »Erwarte nicht zu viel. Du weißt ja nicht, wann die Terrassentür im Sitzungszimmer geöffnet wurde. Wenn die Alarmanlage nicht eingeschaltet war, weiß niemand, wie lange diese Tür offen gestanden hat. Ganze Heerscharen hätten im Laufe des Abends raus- oder reinkommen können.«

      »Selbstverständlich. Aber trotzdem sollten wir es überprüfen.« Flemming kratzte sich am Arm. »Und um das Ganze noch verwirrender werden zu lassen, kann ich dir mitteilen, dass wir in einem der großen Küchenschränke eine deutliche Fußspur gefunden haben. Es sieht ganz danach aus, als hätte sich jemand dort stundenlang versteckt – mit Plastiküberzügen an den Schuhen. Mit anderen Worten: Im Laufe des Tages könnte sich so ziemlich jeder eingeschlichen und im Schrank auf das Opfer gewartet haben. Aber wir müssen mit den Leuten beginnen, die zum Haus gehören. Solange wir überhaupt nichts über Lillianas Leben außerhalb ihres Arbeitsplatzes wissen, sind die Mitarbeiter von Kurt & Ko und der Schrubberkompanie die einzige Spur, die wir haben.«

      Eine Weile sagten beide kein Wort.

      »Dann mal los, spuck’s schon aus. Was willst du von mir, Flemming?« Dan legte die Beine auf einen Stuhl und verschränkte die Hände im Nacken. »Du als viel beschäftigter Mann verlässt doch nicht deine aufregende Arbeit, um mich über einen Mordfall auf dem Laufenden zu halten. Und Kaffee habt ihr auf dem Präsidium doch auch.«

      »Ja, natürlich, du hast recht«, erwiderte Flemming und zündete sich eine Zigarette an. »Ich bin hier, um dich um einen Gefallen zu bitten. So etwas mache ich normalerweise eigentlich nicht, aber du wirst zugeben müssen, dass die Situation ungewöhnlich ist. Wir haben ein Mordopfer, dessen Name und Adresse niemand kennt. Und wir haben einen Tatort, zu dem eine verhältnismäßig große Menge Menschen den ganzen Tag über Zugang hat. Andererseits haben wir auch eine Quelle, die sehr viel über diese Menschen weiß; eine Quelle, die deren Arbeitsplätze in- und auswendig kennt; eine Quelle, die beispielsweise weiß, wie das Zugangssystem funktioniert – und eine Quelle, die darüber hinaus über ein sicheres Alibi verfügt. Ich finde, es ist sehr naheliegend, was du für uns tun kannst, Dan. Du würdest uns eine Menge Zeit ersparen, wenn du mich über deine Kollegen informierst: Wie sind sie, wer schläft mit wem, wer hasst sich, so etwas. Natürlich reden wir mit allen in den nächsten Tagen, aber es wäre großartig, wenn wir das auf der Basis deiner Informationen tun könnten. Ist doch einen Versuch wert, nicht wahr?«

      Dan nagte an seiner Unterlippe. »Du weißt, dass bei Kurt & Ko zweiundfünfzig Leute angestellt sind, oder? Und die Freelancer kommen auch noch dazu.«

      »Sicher«, sagte Flemming und zog einen Stenoblock mit Spiralbindung

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