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schlug den Blick nieder und zuckte mit den Achseln.

      »Hast du dich das nicht selbst gefragt? Wie konnte deine Mutter dir nur so etwas Dämliches raten, Benjamin?«

      »Sie hat gesagt, ich käme möglicherweise in die Zeitung, wenn die Leute herausfinden, dass ich die Leiche gefunden habe.«

      »Nicht unbedingt. Und wenn es so gewesen wäre?«

      »Das wollte sie nicht.«

      »Wieso?«

      Benjamin hob den Kopf und sah Flemming direkt in die Augen. »Sag ich nicht.«

      Christoffer Bidstrup stand vor der Eingangstür und rauchte die fünfte Zigarette des Tages, als Dan vom Parkplatz auf ihn zukam. »Mann, gut dich zu sehen!«, rief er, sobald Dan in Hörweite war. »Alles in Ordnung?«

      »Mit mir? Ja, es geht aufwärts«, antwortete Dan. »Aber diese furchtbare Geschichte, dass jemand Lilliana ermordet hat … Das ist sicher für niemanden in Ordnung.«

      »Nein, das ist unheimlich.«

      »Ist die Polizei im Haus?«

      »Sie sind dabei, uns alle zu vernehmen. Die technischen Untersuchungen sind offenbar abgeschlossen. Wir dürfen uns jedenfalls wieder Kaffee holen.« Er sah Dan an. »Ich glaube, Kurt ist nicht da. Er ist verschwunden, nachdem die Polizistin mit ihm fertig war.«

      »Nehmen sie euch hart ran?«

      »Die Polizei? Nee, nicht wirklich. Aber unangenehm ist es trotzdem, oder?«

      »Wohl wahr.« Dan versuchte, in Bewegung zu bleiben, der Wind, der um die Hausecke fegte, ging durch Mark und Bein. »Ich war heute Nacht hier, um Lillianas Leiche zu identifizieren.«

      »Nein! War das nicht grässlich?«

      »Nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.«

      »Kanntest du sie gut?«

      Dan schüttelte den Kopf und legte vorsichtig die Hände auf seine Ohren. Durch die Kälte fühlten sie sich an wie zwei dünne, harte Platten aus bloß liegenden Nerven. Ein Schlag, und sie würden zersplittern. »Ich habe sie gegrüßt, wenn wir uns sahen. Sie hat immer so nett gelächelt. Sonst hatte ich keinen Kontakt zu ihr.«

      »Ich auch nicht.« Christoffer zog ein letztes Mal und schmiss die Kippe in ein Abflussgitter.

      »Abgesehen davon will ich gar nicht zu Kurt.«

      »Und zu wem dann?«

      »Darf man seinem geliebten Arbeitsplatz denn keinen Besuch mehr abstatten, ohne dass du gleich Unrat witterst?« Dan versetzte Christoffer einen leichten Schlag auf die Schulter und lachte ein wenig zu laut. »Lass uns reingehen.«

      Er hatte seine Zugangskarte bereits gezückt. Die beiden Männer gingen am Empfang vorbei. Pernille saß hinter ihrem Tresen und versuchte, die Schäden eines offenbar heftigen Heulkrampfs zu beseitigen. Sie hielt einen kleinen Spiegel vor ihr Gesicht und arbeitete eifrig mit dem Mascara-Bürstchen. »Hej, Dan«, grüßte sie mit einem blassen Lächeln. »Wie geht’s?«

      »Gut«, erwiderte er, als er an ihr vorbeiging. Christoffer folgte ihm. Bei ihr musste er sein Pulver nicht verschießen. Dann sah er Fiona Krause, groß und mächtig, gekleidet in kreischend lila, orange- und pinkfarbene Klamotten. Aus der Entfernung ähnelte sie einem chinesischen Neujahrsdrachen aus wogender Seide und bemaltem Papier. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht und war offenbar gerade dabei, Anders dem Roten irgendetwas zu erzählen. Der junge Texter hörte mit einem schiefen Grinsen zu.

      »… verstehst du, wenn er stattdessen mit dem Bruder durchgebrannt wäre, würde der arme Mann jetzt Kurt Kurt heißen!« Fiona fand sich offensichtlich wahnsinnig komisch. »Und wenn der Regisseur Bille August den Schauspieler Joen Bille heiraten würde, könnte er sich Bille Bille nennen.« Sie lachte, dass ihr die Tränen über die Wangen liefen.

      Dan stellte sich direkt hinter sie und hielt ihr die Hände vor die Augen. »Was ist denn hier los?«

      »Dan!« Fiona wirbelte herum und schlang die Arme um ihn. Ein warmer Duft nach Muskat und Vanille wogte aus ihrem schwarzen Haar.

      »Was war denn so komisch?«

      »Ach, nichts. Es ging nur um Leute, bei denen Vor- und Nachname gleich sind.«

      »Wie bei unserem großen Chef, Herrn Kurt?«

      »Genau.« Sie fing wieder an zu lachen.

      »Sagt mal, habt ihr denn gar keinen Respekt vor den Toten?«, fragte er, allerdings in einem durchaus ernsten Ton. Dan mochte Fiona sehr, aber hin und wieder konnte sie auch ziemlich taktlos sein.

      »Spielverderber«, erwiderte Fiona. »Ich ertrage diese Begräbnisstimmung hier nicht mehr. Natürlich ist es unheimlich, dass irgendwer unsere Putzfrau umgebracht hat, aber deshalb müssen wir doch nicht gleich den ganzen Tag heulend herumlaufen, oder?« Sie ließ ihn los. »Mann, ich freue mich wirklich, dich zu sehen. Genau du hast uns gefehlt.«

      »Warum?«

      »Irgendwer muss sich ja um die Besatzungsmacht hier kümmern.« Sie nickte in Richtung Sitzungszimmer. Durch die Glasscheiben war zu sehen, wie die Direktionssekretärin Elisabeth Lund gerade von einer blonden, verbiestert aussehenden Frau und einem großen, schlaksigen Mann in einem karierten Jackett mit etwas zu kurzen Ärmeln verhört wurde. »Die denken mit dem Arsch, um es mal gepflegt dänisch auszudrücken. Ihre Schlussfolgerungen sind absolut unlogisch.« Fiona schüttelte den Kopf. »Sie walzen uns platt. Pernille hatte einen totalen Zusammenbruch, als sie da drin war, und Kurt stürmte einfach aus dem Haus, nachdem sie mit ihm fertig waren. Er sah aus wie eine Gewitterwolke. Kannst du nicht mit ihnen reden, Dan? Du hast doch Beziehungen.«

      »Kurt hatte einen Termin und war sauer, dass er zu spät kommen würde«, unterbrach Christoffer. »Ich glaube kaum, dass man ihn gefoltert hat.«

      »Ich würde viel lieber von dir hören, was du für unlogisch hältst, Fiona«, sagte Dan und lehnte sich an eine der massiven Eichenholzsäulen. Anders der Rote verschwand diskret an seinen Schreibtisch.

      »Die Polizei meint, es sei weder ein Sexualmord noch ein Einbruch«, erklärte Fiona. »Aber eins von beiden muss es doch sein.«

      »Wieso?«

      »Die sagen, dass es sich höchstwahrscheinlich um etwas Persönliches handelt. Aber das kann doch gar nicht sein. Das muss jemand gewesen sein, dem sie zufällig über den Weg gelaufen ist. Wer zum Teufel sollte denn sonst Lilliana ermorden wollen? Sie war so still, unauffällig, beinahe anonym, es käme doch wirklich keiner auf den Gedanken …« Ihre braunen Augen schimmerten plötzlich. »Verdammter Mist«, schimpfte sie und zog ein Papiertaschentuch aus einem Versteck in all ihren Gewändern. »Wer hätte denn so viel gegen sie haben können, dass er sie auf so widerliche Art umbringen musste.«

      »Ich habe sie gesehen«, erzählte Dan. »Also ihre Leiche, heute Nacht.«

      Fionas Augen wurden groß. »Das ist nicht wahr!«

      »Flemming Torp war zufällig gestern Abend bei uns zum Essen, als er angerufen wurde. Du weißt, er ist bei der Kripo. Und er hat mich gefragt, ob ich mitkomme.«

      »Kanntest du sie denn?«

      »Nur so gut wie du auch. Ich wusste, wie sie heißt und wie sie aussah. Gibt es denn in diesem Laden wirklich niemanden, der ein bisschen mehr über sie weiß?«

      Fiona schüttelte den Kopf. »Aber sie werden doch mit Benjamin reden?«

      »Er hat sich offenbar auch nicht groß mit ihr unterhalten«, sagte Dan.

      »Hat die Polizei mit ihrer Freundin gesprochen?«, unterbrach sie Christoffer Bidstrup erneut.

      »Welcher Freundin?« Fiona putzte sich die Nase und warf das Papiertaschentuch in einen Papierkorb. »Ich habe sie immer nur mit Benjamin gesehen.«

      »Ich habe sie mehrfach in Begleitung einer Frau getroffen, ungefähr in ihrem Alter«, sagte Christoffer. »Ich glaube,

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