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die Kontakt zu den Putzleuten haben. Und dann natürlich diejenigen, die am meisten Überstunden machen. Sie haben zumindest die größte Gelegenheit, jemanden von den Reinigungskräften kennenzulernen. Wie viele sind das?«

      »Ein Verwaltungsdirektor, ein Finanzdirektor, ein Kreativdirektor, der ich bin, und ein Produktionschef. Den täglichen Kontakt mit der Reinigungsfirma hat die Frau am Empfang und hin und wieder sicher auch die Direktionssekretärin.« Er runzelte die Stirn. »Und dann die Mitarbeiter, die Überstunden machen. Aus dem Bereich Verwaltung und Buchhaltung kannst du alle vergessen, also die ganzen Büroassistenten, Mediaplaner, Koordinatoren, Analysten und Trainees. Die sind nach 18.00 Uhr nur selten noch da. Wenn sie Überstunden machen, dann in der Regel zu Hause mit ihrem Notebook. Aber die meisten Kreativen arbeiten häufig bis in den späten Abend, besonders wenn es um eine Präsentation geht: Es gibt drei Artdirectors, zwei Texter, einen fest angestellten Regisseur und einen IT-Chef. Und dann noch die Grafiker und Reinzeichner oder wie immer du sie nennen willst. Davon gibt es drei.

      Wie viele sind das insgesamt?«

      »Fünfzehn. Wenn man dich nicht mit dazuzählt. Verdammt viele!«

      »Tja, aber es ist nicht unüberschaubar, wenn wir sie in Stichworten durchgehen. Wir können immer noch weitere dazunehmen, wenn du weißt, wer sich im Laufe des Abends wo aufgehalten hat. Zum Beispiel weißt du nicht, wer gerade Urlaub hat oder bei einem Kundenbesuch im Ausland ist, nicht wahr?«

      »Fang einfach an«, forderte ihn Flemming auf.

      »Wollen wir uns nicht ins Wohnzimmer setzen? Mein Rücken verknotet sich, wenn ich zu lange auf diesen Stühlen sitze.«

      Dan ging voraus, während Flemming den Aschenbecher ausspülte und das Fenster kippte. Als er ins Wohnzimmer kam, sah er, dass Dan ziemlich unbequem saß, um Luffe Platz zu lassen, der fast das gesamte Sofa für sich einnahm. »Ich müsste jetzt brutal sein und ihn auf den Boden jagen«, entschuldigte sich Dan grinsend. »Aber ich bringe es einfach nicht fertig.«

      Flemming lächelte höflich und setzte sich in einen Sessel. Er hatte Dans und Mariannes stürmische Liebe für diesen übel riechenden gelben Hund nie verstanden. Wenn jemand ihm vor fünfundzwanzig Jahren gesagt hätte, sein alter Freund Dan würde eines Tages sonderbare Sitzhaltungen einnehmen, um seinen übergewichtigen Hund nicht zu stören, tja, dann hätte er sich vermutlich erkundigt, was dieser jemand wohl geraucht hatte. Dan war immerhin einmal der arroganteste, attraktivste und schlagfertigste Bursche unter den Kopenhagener Jugendlichen gewesen. Damals hatte er dichtes, hellbraunes Haar, das er immer perfekt in genau der Frisur trug, die gerade angesagt war. Jetzt hatte er eine Glatze. Beim ersten Anzeichen seines schütter werdenden Haaransatzes hatte er zum Rasierapparat gegriffen und kurzen Prozess gemacht. Das fehlende Haupthaar war allerdings nur ein Meilenstein einer langen Entwicklung, die Dan durchlaufen hatte. Als er Anfang der Achtzigerjahre mit Marianne zusammenzog, hatte er bereits eine Menge hinter sich; er benahm sich zielorientierter und gesetzter, obwohl er auch weiterhin kein Kostverächter war, wenn es um Schnaps, Koks und Feten ging, die zu diesem Zeitpunkt in der Werbebranche reichlich veranstaltet wurden. Erst als Dan den Job in seiner Heimatstadt übernahm, hatte er seine ungesunden Angewohnheiten abgelegt und offensichtlich seriös daran gearbeitet, ein verantwortungsbewusster Ehemann und Chef zu werden. Soweit Flemming wusste, war Dan seit Jahren nicht mehr betrunken, high oder untreu gewesen. Die Rolle als solide Stütze der Gesellschaft war dem alten rebellischen Dan nicht leichtgefallen – außerdem hatte sie in den letzten Jahren den Veränderungsprozess erheblich beschleunigt.

      Mit anzusehen, wie der früher so muntere und selbstsichere Mann sich langsam, aber sicher in sich selbst verkroch, wie er sich seiner Frau gegenüber immer gereizter benahm und wie die Glut in seinen Augen allmählich erlosch, war kaum zu ertragen gewesen. Als vor sieben Wochen der Zusammenbruch kam, waren weder Marianne noch Flemming überrascht. Bei Dans Depression hatte es sich um eine Katastrophe mit Ansage gehandelt.

      Jetzt, sieben Wochen später, ging es ihm wesentlich besser, aber er war noch weit davon entfernt, wieder der Alte zu sein. Und die Sorge war noch immer unüberhörbar, wenn sich seine engsten Vertrauten über ihn unterhielten. Nicht zuletzt diese Besorgnis hatte Flemming nach Rücksprache mit Marianne dazu bewogen, Dan in die Ermittlungen im Mordfall bei Kurt & Ko ein wenig miteinzubeziehen – als eine Art Therapie, bei der er sich zur Welt außerhalb der Gørtlergade 8 im Allgemeinen und zu seinem Arbeitsplatz im Besonderen verhalten musste.

      »Flemming?« Dan wedelte mit der Hand, um Flemmings Gedankenkette zu unterbrechen. »Bist du noch da?«

      »Ja, ja, entschuldige.« Flemming richtete sich in seinem Sessel auf und setzte den Kugelschreiber aufs Papier. »Fang ganz oben an. Sebastian Kurt?«

      »Niemand nennt ihn anders als Kurt«, begann Dan. »Er ist einige Jahre älter als wir, vielleicht Ende vierzig. Jedenfalls ist er noch keine fünfzig – an das Fest würde ich mich erinnern.« Er lächelte. »Bevor er mich einstellte, hatte ich nie mit ihm gearbeitet, aber wir hatten natürlich voneinander gehört und uns auch ein paarmal getroffen, bei Preisverleihungen und so. Kurt ist verdammt gut. Diplomkaufmann, soweit ich weiß. Er war jahrelang Verwaltungsdirektor der dänischen Abteilung einer der größten internationalen Agenturen, bis er vor gut zehn Jahren Kurt & Ko gründete und ein paar der größten Kunden mitnahm.«

      »Danke für den Lebenslauf. Aber wie ist er?«

      »Als Mensch? Ach so, ziemlich in Ordnung, aber auch ziemlich von sich eingenommen. Er mag keine Gespräche, bei denen es nicht wenigstens am Rande um ihn geht.« Dan machte eine Pause, bevor er fortfuhr: »Das Personal verabscheut ihn. Jedenfalls die Kreativen. Wenn du die Leute in meiner Abteilung fragst, dann ist er ein kleingeistiger Fliegenficker, ein auf die Umsatzkurve fixierter, unkultivierter, gefühlloser Kerl ohne jeden Anflug von Fantasie, geschweige denn von Ästhetik«

      »Und was denkst du?« Flemming kam mit dem Mitschreiben kaum nach.

      »Was ich von ihm halte? Ich kenne ihn auch von einer etwas anderen Seite, also nein, ehrlich gesagt, stimme ich in vielerlei Hinsicht mit den anderen überein«, sagte Dan. »Er hat wirklich keine Fantasie, und er geht wirklich sehr in seiner Buchführung auf. Aber das ist ja auch sein Job, oder? Immerhin sorgt er dafür, dass zweiundfünfzig Leute eine fette Heuer bei ihm beziehen; und wir können sicher sein, dass das Geld jeden Monat auf unseren Konten eingeht.«

      »Ist er verheiratet?«

      »Sogar gut verheiratet. Zum zweiten Mal. Sie heißt Henriette und ist Mitte dreißig. Soweit ich weiß, hat sie eine Ausbildung als Maklerin, aber ich glaube nicht, dass sie sehr viel mehr macht, als sich um ihr eigenes Haus zu kümmern. Du kennst es, das weiße riesengroße Palais am Ende des Bøgebakken, oben am Wald.«

      Flemming nickte. »Ah ja, das – ein gewaltiger Kasten. Haben sie Kinder?«

      »Zwillinge, zwei Mädchen im Alter von sechs oder sieben Jahren.«

      »Seht ihr euch privat?«

      »Eigentlich nicht.« Dan lachte auf. »Es gab mal ein Abendessen. Marianne und Henriette haben sich sofort in die Haare gekriegt, in aller Höflichkeit und mit nur leicht erhobenen Stimmen natürlich, aber danach hatte keine mehr Lust, diesen Erfolg zu wiederholen. Und wenn die Frauen nicht wollen …«

      »So kenne ich Marianne ja gar nicht. Worum ging’s bei dem Streit denn?«

      »Ich weiß es nicht mehr. Irgendwas mit Au-pair-Mädchen und Ausländerrechten. Du weißt ja, wie Marianne ist, wenn es um Ausländer geht.«

      Flemming nickte.

      »Das war es schon, was mir zu Kurt einfällt«, sagte Dan. »Lass uns mit Sara Kellerup weitermachen, sie ist die Finanzdirektorin, obwohl ich nie begriffen habe, was dieser Titel soll. Über alles, was mit den Finanzen der Firma zu tun hat, bestimmt eigentlich allein Kurt. In jedem anderen Laden wäre die Kellerup ganz einfach die Leiterin der Buchhaltung, aber es soll ja nach was klingen.«

      »Bildet sie sich etwas darauf ein, Finanzdirektorin zu sein?«

      »Nein, so meine ich das nicht. Wenn jemand eingebildet ist, dann Kurt. Je mehr Mitarbeiter er mit tollen Titeln hat, desto beeindruckter ist er von

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