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weiter zu bezahlen, damit er seine Studien nicht unterbrechen mußte. Und doch besaß Esther nur das kleine mütterliche Vermögen, welches gerade für ihre eigenen bescheidnen Bedürfnisse ausreichte. Aber sie blickte mit frohem Muthe all' diesen Schwierigkeiten in das Antlitz. Sie hatte versprochen, für Bertel und dessen Mutter zu sorgen, und nun mußte sie auch die Mittel dazu finden.

      »Ich bin gesund und kann arbeiten, Tante,« sagte sie entschlossen zu Frau Booland, als diese bedenklich hin und her überlegte, wie man sich einzurichten habe. »Bis jetzt habe ich dir und andern überlassen, für mich zu arbeiten, nun will ich selbst mit angreifen, dadurch ersparen wir gewiß manche Ausgabe. Für fremde Hülfe dürfen wir jetzt nichts mehr bezahlen, denn du sollst sehen, deine faule, kleine Esther wird die Hände besser rühren als bisher.«

      Wirklich fing das junge Mädchen jetzt mit energischem Entschlusse an, sich des Hauswesens und aller sonstigen Geschäfte anzunehmen. Nur die groben Arbeiten in Haus, Hof und Garten überließ sie einer jungen Magd, bei allen andern Geschäften in Küche und Haus aber und allen Arbeiten der Nadel stand sie der fleißigen Frau Booland jetzt unermüdlich zur Seite. Die frühe Morgenstunde fand Esther schon in voller Thätigkeit; denn früh müßte sie anfangen, wollte sie mit allem fertig werden, was sie übernommen hatte. Mit wahrhaftem Heroismus griff sie in den vor ihr stehenden hochaufgepackten Korb, in dem die Wäsche Bertels und seiner Mutter ihrer ausbessernden Hand wartete, und wenn die ungewohnte Arbeit sie auch manchen Seufzer und manchen Schweistropfen kostete, das brave Kind verlor die Ausdauer nicht. Sie hatte die Pflichten einmal übernommen, so wollte sie auch nicht als Feigling der Fahne wieder entfliehen, der sie Treue gelobt. Die sorglose Esther früherer Tage, welche leichtsinnig alle Mühe des Ordnens und Aufräumens ihrer nachsichtigen Pflegemutter überließ, sie trippelte schon von früh ab geschäftig im Hause herum, für Tante Ihlefeld alles fertig zu machen, was diese bedurfte. Mit dem Morgenkaffee erschien Esthers lachendes Gesichtchen in dem stillen Zimmer ihres Gastes und verscheuchte die traurigen Gedanken, welche auf der gebeugten Frau lasteten. Geschäftig räumte sie die beiden Zimmer auf, welche Frau von Ihlefeld bewohnte; denn es war ihr Stolz, dies selbst zu machen; niemand durfte ihr das abnehmen. Dann half sie derselben bei ihrem Anzuge, kämmte ihr das schöne blonde Haar, das Bertel von der Mutter geerbt, und verrichtete freiwillig und eifrig alle Dienste einer Kammerjungfer bei der verwöhnten Frau, welche nie im Leben selbst dergleichen Dinge gethan hatte. Was Frau Booland einst mit Zorn und Unwillen erfüllte, der Gedanke, daß ihr Goldkind Esther eine dienende Stellung bei Frau von Ihlefeld einnehmen könnte, das war jetzt etwas so Selbstverständliches geworden, daß auch Tante Booland es nur loben konnte. Aber freilich, unter wie andern Verhältnissen geschah es jetzt!

      »Es ist wirklich ein Prachtmädel, die Esther!« dachte Frau Booland eines Tages und blickte voll Stolz in das frische, bräunliche Gesicht ihres Lieblings, das von Eifer und Freudigkeit glühte, während es sich über einen feinen Kuchenteig bückte, zu dessen Bereitung ihre Pflegemutter sie angeleitet hatte.

      »Wenn sie etwas ordentlich will, dann kann sie es auch. Für sich selbst hätte sie nie einen Finger gerührt und lieber nie einen Bissen Kuchen gegessen, wenn sie ihn hätte selbst backen sollen. Aber wen sie lieb hat, für den thut sie alles und ginge durch's Feuer.«

      »Tante Ihlefeld wird einmal staunen, wenn ich ihr morgen früh mit dem Kaffee diesen Lieblingskuchen bringe!« rief Esther fröhlich. »Dem Bertel möchte ich auch davon schicken, er ißt ihn auch so gern, und eine kleine Freude würde ihm jetzt so gut thun, dem armen Jungen. Meinst du nicht auch, Tante?«

      »Gewiß, mein Goldkind, thue es nur!« entgegnete Frau Booland. »Aber streiche die Butter nicht gar zu dick darauf, mein Schatz, es ist unnütz und Butter ist theuer.«

      Esther blickte betroffen auf. »Da ist wohl eigentlich mein ganzer Gedanke unklug gewesen, Tante,« sagte sie nachdenklich. »Kuchenbacken kostet Geld, daran dachte ich nicht, wir müssen ja sparsam sein.«

      »Laß nur, Kind,« beruhigte Frau Booland, »du wolltest der gnädigen Frau eine Freude machen und sie mit etwas aufheitern, da sind die paar Groschen keine Verschwendung. Wir wollen sie schon anderweitig wieder ersparen.«

      »Tante, was meinst du!« rief Esther, »ich werde mir den Kaffee abgewöhnen, er erhitzt mich doch nur und das ist gleich eine Ersparniß. Was ich bisher an Kaffee und Zucker verbrauchte, bringe ich jetzt Tante Ihlefeld, da kostet es nicht mehr als bisher. Und meine Weißbrodchen können wir auch sparen. Ich trinke ein Glas Milch, wenn's hoch kommt, und dazu schmeckt Schwarzbrod vortrefflich. Besinne dich einmal, was könnte man denn noch weiter sparen. Du hast mich so verwöhnt, liebste Tante, daß ich gar nicht weiß, was entbehren heißt. Und doch wäre es mir eine so große Wonne, für Tante Ihlefeld und Bertel mir recht große Entbehrungen aufzuerlegen.«

      In dieser Opferfreudigkeit fand sie denn noch tausend kleine Dinge, welche sie als unnütz aufgab; bald die Butter auf dem Vesperbrode, bald Obst oder Honnig oder Fleischwerk. Dann opferte sie auch allerlei überflüssige Kleinigkeiten an ihrer Kleidung, um Ersparungen zu machen: das farbige Band ihres schwarzen Haares und die bunte Schleife am Kragen wurden für festliche Gelegenheiten in den Kasten gelegt, und die seidene Schürze ersetzte jetzt eine von Kattun oder Wolle. Wo sie in ihrer Lebendigkeit sich bisher wenig darum gesorgt hatte, wenn ein Riß ihr Kleid verdarb, oder Schmutzflecke es unbrauchbar machten, da wachte sie jetzt mit ängstlicher Sorgfalt darüber, ihren Anzug zu schonen, damit er um so länger hielt und die Ausgaben für neue Sachen erspart blieben. Was sie aber Schönes oder Zierliches besaß und geschenkt bekam, das trug sie hinauf zu ihrer lieben Tante Ihlefeld, um dieser ein Lächeln oder einen freundlichen Blick zu entlocken. Jeden Morgen stellte sie frische Blumen auf den Tisch des Wohnzimmers, brachte die blühenden Pflanzen, welche ihr Fenster schmückten, hinauf in das Stübchen der Wittwe, und immer fand sie irgend eine kleine Gabe, welche sie mit dem Frühstück auf den Tisch stellte. Den weichen Lehnstuhl ihrer verstorbenen Mutter setzte sie in Frau von Ihlefelds Fenster, und ihren eigenen zierlichen Nähtisch davor. Gestickte Kissen und Fußbänke, ihren kleinen Teppich und ihre feinsten Gardinen, alles brachte sie herbei, die Wohnung freundlich auszuschmücken, und selbst ihr zahmer Kanarienvogel erhielt dort am Fenster sein Plätzchen und zwitscherte der traurigen Frau seine fröhlichen Lieder zu, als wollte er auch helfen ihre trüben Gedanken zu verscheuchen.

      Frau von Ihlefeld dankte Esther für diese liebende Sorge mit wehmüthigem Lächeln und thränendem Auge. In der ersten Zeit, welche ihrem Unglück folgte, war sie wie betäubt von dem entsetzlichen Schlage und unfähig, für sich selbst zu denken und zu sorgen. So wurde Esthers Liebe für sie ein doppelter Segen. Nach und nach aber begann sie, selbst zu sorgen und zu überlegen, in welcher Weise sich ihre und ihres Sohnes Zukunft gestalten sollte. Ihr Gatte hatte ihr stets alles fern gehalten, was die Sorge für das tägliche Leben betraf, und hatte der zarten Frau nie Einblick in seine Geschäfte und Unternehmungen gestattet, um sie nicht zu beunruhigen. So stand sie denn doppelt hülflos ihrem Schicksale gegenüber. Nahe Verwandte besaß sie selbst nicht, und denen ihres Gatten hatte sie stets ziemlich fern gestanden. Jetzt jedoch wandte sie sich an dieselben, Hülfe und Rath von ihnen erbittend. Nun aber erfuhr sie erst, daß auch diese Verwandten durch den Ruin ihres Gatten bedeutende Verluste erlitten hatten und in Folge davon wenig geneigt waren, noch weitere Opfer zu bringen. Frau von Ihlefelds Stolz sträubte sich unter diesen Verhältnissen auch dagegen, von denen Hülfe anzunehmen, welche ihrem Gatten zürnen mußten, und so legte sie allein Gott ihre und ihres Sohnes Zukunft an das Herz. Von Esther Opfer anzunehmen, kränkte sie nicht; denn sie fühlte nur zu sehr, daß es einzig Liebe und Dankbarkeit war, welche diese zu allem antrieb, und so war und blieb das junge Mädchen nach wie vor die einzige Versorgerin der einst so stolzen Frau.

      Das Verhältniß zwischen Esther und Frau von Ihlefeld gestaltete sich mehr und mehr so herzlich und innig, als es unter den früheren Umständen nie der Fall gewesen wäre, und auch die brave Frau Booland hatte jetzt keinen Grund mehr, sich über den Stolz der gnädigen Frau zu beklagen.

      Um Esther doch auch etwas Freundliches zu erzeigen, unterwies Frau von Ihlefeld dieselbe jetzt im Französischen, was Esther bei ihrem Vater nicht gelernt hatte. »Man kann nicht wissen, wozu du es im Leben noch brauchst, mein Kind,« sagte sie, und Esther lernte mit Freuden, schon um ihrer Lehrerin willen.

      So ging die Zeit hin und auch diese Wunden schlossen sich nach und nach. Bertel

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