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des Besitzes führte natürlich immer wieder zur Fesselung der Bauern an ihre Scholle oder vielmehr: an die Haftungsverbände. Formell führten diese wesentlich nur fronfiskalisch bedingten Eingriffe unter der östlichen Tsin-Dynastie (nach einigen älteren Anfängen) im 4. Jahrhundert zuerst zur Erklärung des staatlichen Bodenregals. Es ist aus den Nachrichten offensichtlich, daß eine entscheidende Absicht auch dabei die Ermöglichung universeller Fronregulierung war. Der erwähnte Gedanke des gleichen »Seelen«-Anteils (für jeden im Alter von 15-60 Jahren Stehenden) mit – in der Theorie! – jährlicher Neuumteilung trat in den Teilreichen des 3. Jahrhunderts, – nachdem das ziemlich rohe System der Kombination von Kopfsteuer (von jeder ting-Seele) und Bodenbesitzsteuer (zunächst einfach: von jedem Hof) zu ganz unbefriedigenden Ergebnissen geführt hatte –, 485 n. Chr. und erneut unter den Tang (7. Jahrh.) auf und wurde (in der Theorie) mehrfach »sozialpolitisch« abgewandelt (Fürsorge für gesondert wohnende Alte, Kriegsverletzte und ähnliche Personenkategorien). Erblicher und nach Art etwa von badischen Allmendäckern wechselnder oder durch Rang bedingter Besitz konnten dabei in verschiedener Weise miteinander verbunden werden. 624 z.B. wurde im Tang-Staat ein bestimmtes Grundmaß als erblicher Besitz für jeden Hof zugelassen und je nach der Seelenzahl ein Landzuschlag gestattet. Von der so geschaffenen Steuereinheit wurden Kornabgaben und Fronden teils kumulativ, teils alternativ erhoben. Anfang des 11. Jahrhunderts wurde der zulässige Bodenbesitz nach dem Rang abgestuft. Bei Landmangel war Uebersiedelung gestattet: es war damals viel Siedelungsland im Norden vorhanden und dies erklärt wohl die wenigstens zeitweise Möglichkeit einer Durchführung. Im Fall der Uebersiedelung oder des Landüberschusses über die Norm sollte freihändiger Verkauf, sonst nur im Fall »echter Not« (Fehlen der Mittel zur Beerdigung) nach Vorangebot an die Sippe gestattet sein. Tatsächlich aber herrschte alsbald wieder ein sehr freier Bodenverkehr und mißlang der Versuch, Besitzgleichheit herzustellen, besonders nachdem das neue Steuersystem von 780 das Interesse der Verwaltung an der Militär- und Fronprästationsfähigkeit wieder abgeschwächt hatte. Mit den fiskalischen und militärischen Bedürfnissen hingen eben, wie wir sahen, all diese Maßregeln zusammen. Nach dem Scheitern des Bodenbesitzausgleichs begnügte sich die Verwaltung mit Eingriffen in die Pachtrentenbildung im Interesse des Bauernschutzes. Auch mußte das Verbot, Fronden, besonders Kurier- und Vorspanndienste, für privaten Nutzen zu beanspruchen, mehrfach eingeschärft werden (10. Jahrh.). Die Beamten, welche vom Frondienst befreit waren, nutzten diese Möglichkeit zur Bereicherung und Akkumulation von Boden, weshalb 1022 für sie speziell ein Bodenbesitzmaximum festgesetzt wurde. Der außerordentlich prekäre Charakter des Bodenbesitzes gegenüber allen diesen Eingriffen und die leiturgischen Vorbelastungen des Besitzes hinderten – nach der Annalistik – in hohem Maße jede Bodenmelioration. Der Leiturgiestaat drohte immer wieder finanziell und militärisch zu versagen, und diese Schwierigkeiten waren es, welche für die zahlreichen Bodenreformversuche den Anlaß und die richtunggebenden Interessen schufen. Dafür war der berühmte Reformversuch Wang-An-Shi's im 11. Jahrhundert ein Beispiel, der primär durchaus militärfiskalisch orientiert war. Sehen wir uns seine Bedingtheit etwas an.

      Die Entwaffnung des Landes unter Schi Hoang Ti (die Tradition behauptet: die von den Beamten in 36 dazu gebildeten Bezirken gesammelten Waffen seien in Glocken umgeschmolzen worden) sollte dauernde Befriedung des Landes bedeuten (wie der Kaiser in seinen Edikten immer wieder verkündete). Aber die Festungen an der Grenze mußten besetzt werden und daher wurde die Bevölkerung zum Dienst abwechselnd in den Grenzsiedelungen und in der Robott für die kaiserlichen Bauten (je 1 Jahr) gepreßt. Zwar dies Ausmaß blieb rein theoretisch. Die Schaffung des Einheitsreichs ging aber, wie schon erwähnt, mit einer riesigen Anspannung der Fronlasten der Zivilbevölkerung für Bauzwecke Hand in Hand. Dabei war das Heer dennoch wesentlich ein Berufsheer geblieben. Dies Prätorianerheer brachte chronisch en Bürgerkrieg. Unter den Han wurde daher der Versuch gemacht, das stehende Berufsheer durch eine gepreßte Armee zu ersetz en (oder doch: zu ergänzen). Jeder 23 jährige sollte 1 Jahr im stehenden Heer (Wei Schi, »Herde«) dienen, dann 2 Jahre in der Miliz (zai huang schi); Uebungen im Bogenschießen, Reiten, Wagenlenken waren vorgesehen, die mit dem 55. Jahr aufhörten. Die Fronpflicht sollte 1 Monat im Jahr betragen. Stellvertreter zu mieten war gestattet. In welchem Maße aus diesen Plänen, eine riesige Militärmacht zu schaffen, je Wirklichkeit wurde, steht wohl dahin. Jedenfalls war im 6. Jahrhundert n. Chr. die Fronpflicht stark angespannt: offiziell je nach der Ernte theoretisch 1-3 Dekaden im Jahr für je einen Arbeiter auf die Familie. Dazu traten die militärischen Uebungen und die auch in der chinesischen Poesie besonders schwer beklagten Grenzerdienste im fernen Westen, welche die Familien für Jahre auseinanderrissen. Die Fronden steigerten sich: bei der oben erwähnten Bodenbesitz-»Reform« der Tang für Nichtsteuerzahler bis zu 5 Dekaden. Für die großen Flußbauten sollen zuweilen über 1 Million Seelen gleichzeitig aufgeboten worden sein. Die formelle allgemeine Wehrpflicht (Milizpflicht) aber blieb offensichtlich toter Buchstabe und hinderte nur die Entstehung eines technisch brauchbaren Heeres. Unter der San-Dynastie bestand die »Garde« als stehende Truppe, neben zwei Formationen örtlicher Truppen und Milizen, die miteinander verschmolzen und verfielen. Die Rekruten für die »Garde« wurden damals gepreßt und (wenigstens in einigen Provinzen) nach vorderasiatischer Art gebrandmarkt (1042). Den Kern des Heeres bildeten aber, wie aus allen zugänglichen Nachrichten hervorgeht, immer wieder nur die Söldner, deren Verläßlichkeit stets fraglich und insbesondere an regelmäßige Soldzahlung gebunden war. Die chronischen Finanznöte zwangen 1049 zu einer Einschränkung des Heeres in einer Zeit beständig drohender Ueberfälle der nordwestlichen Barbaren. In dieser Lage versuchte Wang-An-Schi durch eine rationale Reform die Mittel für die Aufstellung einer zureichenden und brauchbaren nationalen Armee zu schaffen. Wenn man diesen Reformversuch »staatssozialistisch« genannt hat, so trifft dieser Ausdruck nur etwa im gleichen sehr engen Sinne (wenn auch nicht ganz in gleicher Art) zu, wie für die monopolistische Bank- und Getreidespeicherpolitik der Ptolemäer, die auf einem sehr entwickelten geldwirtschaftlichen Fundament ruhte.

      In Wahrheit[180] handelte es sich um den Versuch, durch planmäßige Unterstützung und Regulierung des Anbaus und Monopolisierung und planmäßige Ordnung des Absatzes von Getreide in den Händen der Zentralgewalt, unter gleichzeitigem Ersatz der Fronden und Naturalabgaben durch Geldsteuern (tsian-schu-fa-System) Geld einnahmen zu schaffen und so die Mittel zu gewinnen, ein diszipliniertes und geschultes, unbedingt zur Verfügung des Kaisers stehendes großes nationales Heer zu schaffen. Der Theorie nach sollte von je 2 Erwachsenen einer zum Heer eingezogen werden können und wurden zu diesem Behufe Volkslisten vorgeschrieben und in Verbindung damit das System der Zehntschaften (bao tsja fa) unter gewählten Aeltesten, mit Rügepflicht und schichtweisem Nachtwachtdienst erneuert. Es sollten ferner Waffen (Bogen) von Staats wegen an die zur örtlichen Miliz reihum Eingezogenen verteilt, Pferde vom Staat gekauft, in Nutzung und Pflege der zum Reiterdienst Gemusterten gegeben und jährlich – unter Haftbarkeit des Uebernehmers und, eventuell, Zahlung von Prämien – gemustert werden. Die staatliche Magazinverwaltung, bisher durch die Naturalabgaben gespeist und leiturgisch von den Besitzenden versehen: – eine für diese ruinöse Last, die zugleich zu allen denkbaren Erpressungen führte, – sollte fortan in die Hände bezahlter Beamter gelegt, auf geldwirtschaftliche Grundlage gestellt und in den Dienst systematischer Wirtschaftspflege gestellt werden. Die Verwaltung gab Saatgutvorschüsse (Kin Miau: »Grüne Saat«), und Darlehen in natura oder in Geld: gegen 20 % Zinsen. Der Landbesitz sollte neu bonitiert und darnach, je nach der Klasse, Steuer, Fron (Mo zi) und Seelenanteil bestimmt werden. Statt der in Geld ablösbaren Fronden wollte man aus den Geldsteuererträgen Arbeiter dingen. Neben der Geldsteuerdurchführung war die Monopolisierung des Getreidehandels der seitdem in verschiedenen Formen immer wieder auftauchende Kernpunkt der Reformvorschläge. Die Regierung sollte in der billigen Zeit (Ernte) kaufen, magazinieren und aus diesen Vorräten die erwähnten Darlehen geben, außerdem aber Spekulationsgewinnste machen. Die Schaffung eines Fach beamtentums, insbesondere: geschulter Juristen, sollte die Reform technisch, die jährliche Aufstellung und Vorlage von Budgets durch sämtliche lokale Behörden die Einheit der Finanzverwaltung ökonomisch ermöglichen.

      Die (konfuzianischen) Gegner Wang-An-Shi's beanstandeten, neben 1) dem militaristischen Charakter des Systems als solchem, besonders: 2) die für die Autorität der Beamten gefährliche, weil zu Aufständen reizende Volksbewaffnung und 3) die für die Steuerkraft bedenkliche Ausschaltung des Handels, vor allem: 4) den »Kornwucher«

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<p>180</p>

S. die Denkschrift Wang-An-Schi's bei Iwanoff p. 51 f.