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bei ländlichen Grundstücken (die Hypothek, ti-ya, war nur bei städtischem Boden üblich).

      Alle anderen Erscheinungen der Agrarverfassung weisen in die gleiche Richtung: den Kampf der alten Sippengebundenheit des Bodens mit der Geldmacht der Bodenaufkäufer und das temperierende, aber doch wesentlich fiskalisch interessierte Eingreifen der patrimonialpolitischen Gewalt. Die offizielle Terminologie schon des Schi-king und der Annalen der Han-Dynastie unterscheidet, ebenso wie das römische Recht, nur Privatbesitz und öffentlichen Besitz: Staatspächter auf dem Königsland, Steuerzahler auf dem Privatland (»Volksland«, mien ti). Von diesem blieb das unteilbare und unveräußerliche Ahnenland (die Grabstätten und das Land für die Unterhaltung der Ahnenopfer) Familieneigentum[189]; in den Rang des Erblassers sukzedierte der älteste Sohn der Hauptfrau und dessen Nachfahren; dagegen das Vermögen einschließlich des Bodens unterlag seit dem Siege des Patrimonialismus rechtlich der Naturalteilung unter alle Kinder, wobei Verfügungen des Erblassers nur als ethisch verpflichtend (als »Fideikommisse« in diesem eigentlichen Sinne des Begriffs) galten. Als Pachtformen fanden sich zuletzt Teilpacht, Natural-und Geldpacht nebeneinander, wobei der Pächter durch Leistung einer »Kaution« Unkündbarkeit erlangen konnte. Die üblichen Schemata von Pachtkontrakten über ländlichen Boden aber[190] zeigen auf das deutlichste, daß der Pächter als ein »Colon« im Sinn des antiken und südeuropäischen Parzellenpachtverhältnisses zu denken war, welcher neben dem Recht auch die Verpflichtung zur Bebauung des Bodens übernahm und in aller Regel dem Verpächter verschuldet blieb. Als typischer Verpächter aber war – ganz entsprechend dem früher Gesagten – ein Bodenmagnat gedacht, der Streubesitz durch Verpachtung verwertete. Und zwar offenbar besonders oft die Familienkommunion einer Sippe, welche zahlreiche Landparzellen ererbt und erkauft hatte, die Erwerbsurkunden dieser Streugrundherrschaft in besonderen Akten und Inventarienbüchern verwahrte und registrierte[191], im Kataster mit einem besonderen Kommunionsnamen[192] wie unter einer Firma für alle Parzellen verzeichnet war[193]: dem gleichen Namen, der in der Familienhalle auf einer Tafel angeschlagen war. Durch ihren Aeltesten regierte sie die Kolonen ähnlich, auch dem Ton nach, patriarchalisch, wie ein antiker oder südeuropäischer Grundherr oder ein englischer Squire. Die großen alten Familien sowohl wie die durch Handel und politischen Erwerb reich gewordenen Parvenus hielten, wie überall, so auch hier ihr Vermögen fest in Kommunionen zusammen, um ihre Machtstellung erblich zu sichern. Es ist klar, daß dies die ökonomische Surrogatform für die vom Patrimonialismus gebrochene ständische Vorzugsstellung des alten Adels war.

      Das bis in die Gegenwart in teilweise beachtenswertem (z.Z. leider nicht statistisch feststellbaren) Umfang[194] bestehende Bodenmagnatentum war also nur zum Teil alten Datums, und es war ferner offenbar in starkem Umfang Streubesitz. Immerhin bestand es doch noch bis jetzt und vermutlich früher in noch höherem Grade, und mit ihm der in Patrimonialstaaten typische Kolonat. Aber auf die Macht der Grundherren sehr stark temperierend wirkten nun jene beiden China eigentümlichen Umstände ein: die bald näher zu besprechende Macht der Sippen auf der einen Seite, die Extensität und Ohnmacht der staatlichen Verwaltung und Justiz auf der anderen Seite. Der Grundherr, der seine Macht rücksichtslos gebrauchen wollte, hätte wenig Chance gehabt, durch eine prompte Justiz sein formales Recht durchgesetzt zu finden, außer wenn er über persönliche Verbindungen verfügte oder durch den immerhin kostspieligen Weg der Bestechung die Machtmittel der Verwaltung für sich in Bewegung setzte. Und auch dann mußte der staatliche Beamte ebensolche Rücksichten bei dem Versuch der Erpressung von Grundrenten für den Grundherren wie bei der Erpressung von Steuern für sich selbst nehmen. Alle Unruhen erregten, als Symptome drohender magischer Uebel, die Sorge der Zentralregierung und konnten ihm das Amt kosten. Höchst bezeichnende Gepflogenheiten der Verpächter und Vermieter zeigen, daß diese Lage für sie den Uebergang zu intensiver Ausnutzung ihrer Kolonen ausschloß. Die ungeheure Arbeitsintensität[195] der Kleinbetriebe und deren ökonomische Ueberlegenheit trat in den gewaltigen Bodenpreisen[196] und dem relativ niedrigen Zinssatz des landwirtschaftlichen Kredits[197] greifbar zutage. Irgendwelche anderen technischen Verbesserungen waren bei der weitgehenden Parzellierung fast ausgeschlossen: die Tradition herrschte, trotz der weitgehenden Geldwirtschaft.

      Der patrimonialistischen Bureaukratisierung entsprach also auch hier die Tendenz zur sozialen Nivellierung. Die Produktion blieb in der Landwirtschaft, der arbeitsintensiven Technik des Reisbaues entsprechend, fast ausschließlich kleinbäuerlich, im Gewerbe handwerksmäßig. Die Naturalteilung im Erbgang hatte den Grundbesitz auf die Dauer doch ziemlich stark demokratisiert, so sehr auch die Erbengemeinschaft im Einzelfall den Prozeß verlangsamte. Wenige Hektar Land galten als ein erheblicher Besitz, weniger als ein Hektar (15 Mou = 85 Ar) als auskömmlich bei nicht gartenmäßiger Bestellung für 5 Köpfe. Die feudalen Bestandteile der Sozialverfassung waren, wenigstens dem Recht nach, ihres ständischen Charakters entkleidet. Noch in den letzten Jahrzehnten sprachen amtliche Berichte zwar stets von »Notabeln« des Landes als der sozial ausschlaggebenden Schicht. Eine staatlich garantierte Stellung gegenüber den Unterschichten hatte aber diese ländliche »Gentry« der Dorfhonoratioren (s.u.) nicht. Sondern dem Recht nach stand über dem Kleinbürger und Kleinbauern unmittelbar der patrimonialbureaukratische Mechanismus. Es fehlte dem Recht und im wesentlichen auch der Sache nach die feudale Zwischenschicht des mittelalterlichen Okzidents.

      Kapitalistische Abhängigkeitsverhältnisse okzidentalen Charakters andererseits brachte in typischen Formen erst die neueste Zeit unter europäischem Einfluß. Warum?

      IV. Soziologische Grundlagen: D. Selbstverwaltung, Recht und Kapitalismus.

      In der Zeit der Konkurrenz der Einzelstaaten um die politische Macht scheint wohl der in Patrimonialstaaten übliche politisch bedingte Kapitalismus der Geldgeber und Lieferanten der Fürsten hier wie überall unter gleichen Umständen erhebliche Bedeutung gehabt und mit hohen Profitraten gearbeitet zu haben. Daneben werden Bergwerke und Handel als Quellen der Vermögensakkumulation angeführt. Unter der Han-Dynastie soll es, in Kupfer gerechnet, Multimillionäre gegeben haben. Aber die politische Vereinheitlichung zum Weltreich hat hier, wie im kaiserlich römischen geeinigten orbis terrarum, offenbar einen Rückgang dieses ganz wesentlich am Staat und seiner Konkurrenz mit anderen Staaten verankerten Kapitalismus zur Folge gehabt. Die Entwicklung des rein marktmäßigen, am freien Tausch orientierten, Kapitalismus andererseits hielt sich in keimhaften Grenzen. Innerhalb des Gewerbes war natürlich überall, auch in den gleich zu besprechenden genossenschaftlichen Unternehmungsformen, hier wie sonst die Ueberlegenheit des Kaufmanns über den Techniker augenfällig. Sie trat schon in den üblichen Gewinnverteilungsschlüsseln bei Assoziationen deutlich hervor. Und auch die interlokalen Gewerbe brachten offenbar oft erheblichen spekulativen Gewinn. Die alte klassische Hochwertung des Ackerbaues als des eigentlich heiligen Berufs hinderte daher nicht, daß schon im 1. Jahrhundert v. Chr. (ähnlich wie im Talmud) die Gewinnchancen des Gewerbes höher als die der Landwirtschaft und die des Handels am höchsten eingeschätzt wurden.

      Aber das bedeutete keinen Ansatz zur Entwicklung eines modernen Kapitalismus. Gerade jene charakteristischen Institutionen, welche schon das in den mittelalterlichen Städten des Okzidents aufblühende Bürgertum entwickelte, fehlten bis in die Gegenwart entweder ganz oder zeigten eine sehr charakteristisch verschiedene Physiognomie. Es fehlten in China die Rechtsformen und auch die soziologischen Unterlagen des kapitalistischen »Betriebs« mit seiner rationalen Versachlichung der Wirtschaft, wie sie in dem Handelsrecht der italienischen Städte schon früh in unverkennbaren Ansätzen vorhanden waren. Was dort in ferner Vergangenheit als Entwicklungsansatz für die Personalkreditentwicklung zurücklag: die Haftung der Sippe für ihre Mitglieder, blieb nur im Steuer- und politischen Kriminalrecht erhalten. Weitere Entwicklungsstufen fehlten. Zwar hatte die auf den Hausgemeinschaften ruhende Assoziation der Erben zu einer Erwerbsgemeinschaft gerade in den besitzenden Schichten eine, jenen okzidentalen Hausassoziationen, aus denen später (wenigstens in Italien) unsre »offene Handelsgesellschaft« hervorging, verwandte Rolle

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<p>189</p>

Das Ahnenland wird in der Peking Gazette häufig erwähnt.

<p>190</p>

Bei Hoang a.a.O., z.B. Appendix XXIII p. 119. Daß Pacht relativ nicht sehr häufig ist, wurde schon erwähnt. Außer dem allgemeinen Verbot des Kolonats von 1205 ist vor allem wohl die Schwierigkeit, die Pacht einzutreiben, dafür maßgeb nd.

<p>191</p>

Hoang a.a.O. p. 12, Nr. 31 p. 152, 157 f.

<p>192</p>

Z.B. »Familie des ewigen Friedens«.

<p>193</p>

Das Schema des Kataster- und Grundbuchsystems wurde in diesem Zusammenhang zuerst durch eine Notiz (von Bumbaillif) in der China Review 1890/1 (Land Tenure in China) aufgeklärt. Die Katastereinheit war ein nach dem zur Zeit der Katasteraufstellung als Sippenhaupt fungierenden Ahnen einer Sippe bezeichneter Sippenbesitz (oder, falls damals schon eine Teilung stattgefunden hatte: die damaligen Teilbesitzstände). Auch bei Besitzteilung oder Besitzwechsel blieb diese ursprüngliche Katasternummer mit ihrer Bezeichnung bestehen und es wurde lediglich vermerkt: von wem (welcher Familie) nunmehr die Steuer bzw. ein Teil der Steuer, und welcher, zu erheben war. 10 (oder ungefähr diese Zahl) Sippenhäupter bildeten eine Zehnschaft, welche noch jetzt nach altem Recht solidarisch für Steuern hafteten und denen die Friedensbürgschaft auferlegt war. Diese Zehnschaft besaß auch Gemeinschaftsland, welches die Häupter abwechselnd bewirtschafteten (oder verpachteten). Jedes Sippenhaupt sammelte die Steuern seiner Sippe ein. Wer bis zum 16. November seine Steuerquittung nicht vorlegen konnte, dem konnte die Zehnschaft seinen Landbesitz entziehen. Konnten die Haushaltungen einer Sippe die Steuer nicht aufbringen, so mußte auf das Ahnenland der Sippe gegriffen werden. Veränderlich waren die Zehnschaften in ihrer Zusammensetzung: die erwähnte Notiz berichtet von dem Antrag eines Sippenhauptes (bzw. Sippenteilhauptes) in Gemeinschaft mit 9 anderen, sie zu einer neuen Zehnschaft zusammenzufassen. Die Größe der Sippenbesitzstände war sehr verschieden. Eine verschieden große Anzahl von Zehnschaften war zu einer Hundertschaft zusammengefaßt, ebenfalls für bestimmte, ursprünglich militärische und leiturgische, Lasten. Ueber die Sippen siehe im übrigen weiterhin im Text.

<p>194</p>

Es wird behauptet, daß einigermaßen zusammenhängende Besitzungen vcn 3co ha zwar vorkamen, daß jedoch wesentlich darüber hinausgehende zusammenliegende Besitzeinheiten einzelner Grundherren nicht häufig seien. Die mir im letzten Augenblick zu Gesicht kommende (Frankfurter) Dissertation von Wen Hsian Liu (Die Vorteile des ländlichen Grund und Bodens und seine Bewirtschaftung in China, Berlin 1920) bringt auch keine Zahlen.

<p>195</p>

Es fehlte ja, bis auf etwa 15 offizielle Feiertage, jede Art von »Sonntagsruhe«.

<p>196</p>

In den Ebenen mit Gartenkultur vor ca. 11/2 Jahrzehnten 3-4000 M. pro ha (wobei die gegenüber dem Okzident um das Vielfache größere Kaufkraft des Geldes in Rechnung zu stellen ist). Rentabilität angeblich dabei ca. 7-9% (richtiger: »Arbeitsertrag« denn mit steigender Bodengüte sank, nach den vorliegenden Angaben, der Prozentsatz dieser »Rente«).

<p>197</p>

8-9%, gegen 12-30% im kleinen und mittleren Handel und Gewerbe.