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href="#n_159" type="note">[159] stärkten, sondern die Erhaltung der bestehenden, für den Gewinnertrag der Pfründen ausschlaggebenden wirtschaftlichen Bedingungen zu einem alles beherrschenden Interesse der daran partizipierenden Schicht machte. Gerade mit Fortschreiten der Geldwirtschaft und gleichmäßig damit zunehmender Verpfründung der Staatseinnahmen sehen wir deshalb in Aegypten, in den Islamstaaten und in China, nach kurzen Zwischenperioden, die nur dauerten, solange die Pfründenappropriation noch nicht vollzogen war, jene Erscheinung eintreten, welche man als »Erstarrung« zu werten pflegt. Es war daher eine allgemeine Folge des orientalischen Patrimonialismus und seiner Geldpfründen: daß regelmäßig nur militärische Eroberungen des Landes oder erfolgreiche Militär- oder religiöse Revolutionen das feste Gehäuse der Pfründnerinteressen sprengten, ganz neue Machtverteilungen und damit neue ökonomische Bedingungen schaffen konnten, jeder Versuch einer Neugestaltung von innen aber an jenen Widerständen scheiterte. Die große historische Ausnahme bildet, wie gesagt, der moderne europäische Okzident. Zunächst deshalb, weil er der Befriedung in einem einheitlichen Reich entbehrte. Wir erinnern uns, daß die gleiche Staatspfründnerschicht, welche im Weltreich die Rationalisierung der Verwaltung hemmte, dereinst in den Teilstaaten ihr mächtigster Förderer gewesen war. Aber der Anreiz war nun fortgefallen. Wie die Konkurrenz um den Markt die Rationalisierung der privatwirtschaftlichen Betriebe erzwang, so erzwang bei uns und in dem China der Teilstaatenzeit die Konkurrenz um die politische Macht die Rationalisierung der staatlichen Wirtschaft und Wirtschaftspolitik. Und wie andererseits in der Privatwirtschaft jede Kartellierung die rationale Kalkulation, die Seele der kapitalistischen Wirtschaft, abschwächt, so ließ das Aufhören der machtpolitischen Konkurrenz der Staaten miteinander die Rationalisierung des Verwaltungsbetriebs, der Finanzwirtschaft und der Wirtschaftspolitik kollabieren. Das Weltreich enthielt dazu keinen Antrieb mehr, wie er einst bei der Konkurrenz der Teilstaaten bestanden hatte. Aber dies war nicht der einzige Grund. Auch in der Epoche der Staatenkonkurrenz war in China die Rationalisierung der Verwaltung und Wirtschaft in engere Schranken gebannt als im Okzident. Deshalb, weil im Okzident – abgesehen von den schon erwähnten Unterschieden der Appropriation – starke, auf eigenen Füßen stehende Mächte vorhanden waren, mit welchen entweder die Fürstenmacht sich verbinden und die traditionellen Schranken zerbrechen konnte, oder welche, unter sehr besonderen Bedingungen, ihrerseits aus eigener militärischer Macht heraus die Bindungen durch die Patrimonialmacht abwerfen konnten, wie die fünf großen, für das Schicksal des Okzidents entscheidenden Revolutionen, die italienische des 12. und 13., die niederländische des 16., die englische des 17., die amerikanische und französische des 18. Jahrhunderts es getan haben. Gab es diese Mächte in China nicht? –

      III. Soziologische Grundlagen. C. Verwaltung und Agrarverfassung.

      Die ganz außerordentliche Entwicklung und Intensität des chinesischen Erwerbstriebs schon seit langer Zeit unterliegt nicht dem allergeringsten Zweifel. Seine Vehemenz und – soweit Nicht-Sippengenossen in Betracht kamen – Skrupellosigkeitwar, von den Ausnahmen der durch die Monopolgilden im Geschäftsinteresse ethisch stark temperierten Groß- und (besonders) Außenhändler abgesehen, jeder Konkurrenz anderer Völker gewachsen. Der Fleiß und die Arbeitsfähigkeit der Chinesen galt immer als unerreicht. Die Organisationen der Handelsinteressenten in ihren Gilden waren, sahen wir, so machtvoll wie in keinem Lande der Erde, ihre Autonomie faktisch fast unbeschränkt. Bei einer so riesigen Bevölkerungszunahme, wie sie China seit Anfang des 18. Jahrhunderts erlebte, in Verbindung mit stetiger Vermehrung der Edelmetallvorräte, müßte man nach europäischen Begriffen eine sehr günstige Chance für die Entwicklung von Kapitalismus annehmen. Immer wieder gelangen wir zu dem Problem zurück, welches an die Spitze dieser Erörterungen gestellt wurde. Einige Erklärungsgründe für die Tatsache, daß trotzdem die kapitalistische Entwicklung ausblieb, sind vorstehend schon beigebracht. Aber damit können wir uns noch nicht begnügen. – Die auffallendste und im schroffsten Gegensatz gegen den Okzident stehende Erscheinung in der Entwicklung Chinas ist: daß nicht, wie in England, eine (relative) Abnahme, sondern eine ungeheure Zunahme der ländlichen, bäuerlichen Bevölkerung die Epoche seit Beginn des 18. Jahrhunderts kennzeichnet, daß auch nicht, wie im deutschen Osten, landwirtschaftliche Großbetriebe, sondern bäuerliche Parzellenbetriebe zunehmend das Gesicht des Landes bestimmten, daß schließlich, damit zusammenhängend, der Rindviehstand ganz gering, das Schlachten von Rindern selten (eigentlich nur zu Opferzwecken) war, Milchgenuß fehlte und »Fleisch essen« soviel hieß wie »vornehm sein« (weil es Teilnahme am Opferfleischgenuß, der den Beamten zukam, bedeutete). Woher das Alles?

      Die Entwicklung der chinesischen Agrarverfassung[160] zu schildern wäre für den Nicht-Sinologen nach dem Stand der ihm zugänglichen Quellen durchaus unmöglich. Sie ist für unseren Zusammenhang auch nur soweit zu berücksichtigen, als sich in der Problematik der chinesischen Agrarpolitik die Eigenart des Staatswesens aussprach. Denn jedenfalls dies ist auf den ersten Blick unverkennbar: daß die tiefgehendsten Wandlungen der Agrarverfassung durch die Umgestaltung der Militär- und Fiskalpolitik der Regierung bedingt wurden. Die chinesische Agrargeschichte zeigt aus eben diesem Grunde ein monotones Hin und Her zwischen verschiedenen gleich möglichen Prinzipien der Besteuerung und der aus ihr folgenden Behandlung des Bodenbesitzes, die mit innerer »Entwicklung« keinerlei Verwandtschaft hat, seitdem der Feudalismus zerschlagen war.

      Im Feudalzeitalter waren die Bauern zweifellos, mindestens zum Teil – wennschon keineswegs notwendiger- oder nur wahrscheinlicherweise alle[161] –, Hintersassen der Feudalherren, denen sie Abgaben und zweifellos auch Dienste leisteten. Der von der Annalistik mit kien ping bezeichnete Zustand, daß sich die Bauern infolge kriegerischer Bedrohung und Unsicherheit oder infolge von Steuer- oder Darlehensüberschuldung um die Höfe der besitzenden Schichten »zusammengedrängt«, d.h. sich ihnen als Klienten (tien ke) kommendiert hatten, wurde von der Regierung in aller Regel scharf bekämpft. Man suchte die Immediatsteuerpflicht der Bauern aufrecht zu erhalten, vor allem aber das Aufkommen einer politisch gefährlichen Grundherrenkaste zu hindern. Immerhin bestand unter den Han nach ausdrücklichen Berichten[162] mindestens zeitweise der Zustand: daß die Grundherren die Steuer für ihre Kolonen zahlten. Ebenso wie der Militärmonarch Schi Hoang Ti, suchte auch der Militär-»Usurpator« Wang Mang diese Stellung der Grundherren durch Einführung des kaiserlichen Bodenregals zu vernichten, – aber anscheinend vergeblich. Inwieweit es Anfänge einer Fronhofswirtschaft okzidentaler Art gegeben hat, wissen wir nicht. Doch ist es jedenfalls unwahrscheinlich, daß sie – soweit sie nachweisbar sein sollte – als typische Erscheinung anzusehen wäre, und erst recht: daß sie als Folge des Feudalismus zu gelten hätte. Denn die Art der rechtlichen Behandlung der Lehen macht es unsicher, ob sie die Grundlage für eigentliche Grundherrschaften okzidentalen Gepräges darstellen konnten. Die einem Nichtfachmann zugänglichen Quellen lassen auch nichts. Sicheres über die Art der Feldgemeinschaft erkennen und es muß zweifelhaft bleiben, ob und eventuell wie sie mit dem Feudalsystem – wie es in typischer Art der Fall zu sein pflegt[163]– im Zusammenhang stand oder vielmehr – wie so oft – fiskalischen Ursprungs war. Dies wäre an sich wohl möglich. Unter der Tang-Dynastie z.B. wurden 624 zu Steuerzwecken die Bauern nach kleinen Verwaltungsbezirken (hiang) gegliedert und innerhalb dieser ihnen bestimmte Besitzeinheiten garantiert und eventuell aus Staatsland zugewiesen[164]. Der Austritt und – in diesem Fall – der Verkauf des Landes war zwar gestattet, setzte aber den Einkauf in eine andere Steuergemeinschaft voraus. Bei dieser nur relativen Geschlossenheit der Grundbesitzerverbände ist es aber ganz unzweifelhaft oft nicht geblieben. Die höchst radikalen Umgruppierungen der Bevölkerung in solidarisch haftende Steuer-, Fron- und Aushebungs-Verbände läßt es als ganz sicher erscheinen, daß die, von der Annalistik auch ausdrücklich erwähnte, Pflicht zur Bodenbestellung (im fiskalischen Interesse) stets erneut als das Primäre, das entsprechende »Recht« auf Land als das daraus Abgeleitete galt. Es scheint nun aber nicht, daß daraus eine, sei es den germanischen, sei es den russischen, sei es den indischen Verhältnissen entsprechende Kommunionwirtschaft der Dörfer entstanden ist. Die Existenz von Dorfallmenden im Sinn der okzidentalen Verhältnisse kann nur als eine Erscheinung der fernen Vergangenheit aus gelegentlichen Andeutungen erschlossen

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Auf die Vorgeschichte, insbesondere das von den Sinologen behauptete ursprüngliche Nomadentum der Chinesen, kann hier unmöglich eingegangen werden. Natürlich haben auch in vorgeschichtlicher Zeit stets neue Einbrüche der innerasiatischen Nomadenvölker immer erneut das Niederungsland unterworfen. Aber nur die Mongolen haben zeitweise ernsthaft Miene gemacht, sich gegen die überlegene Kultur der Ackerbauer als Nomaden zu behaupten (durch Verbot des Bodenanbaus in einem bestimmten Umkreis der Hauptstadt). Den Chinesen ihrerseits aber war – und das spricht deutlicher als alle Ueberlieferung für die Kontinuität der uralten Hack- und Gartenkultur – der Milch genuß fremd geblieben und zu den Ritualakten des kaiserlichen Oberpontifex gehörte die Führung des Pflugs als Zeremonie. Demgegenüber dürfte für die Kulturkontinuität die Abstammung eines Teils oder selbst der ganzen alten Herrenschicht von Nomaden doch bedeutungslos sein. Die Existenz des »Männerhauses« (s. o.) hat natürlich nichts mit »Nomadentum« zu tun, sondern bedeutet, daß Krieg und Jagd von diesen Gemeinschaften, die Bodenkultur aber von den Frauen gepflegt wird. Das Fehlen des Milchgenusses ist in China doch offenbar recht alt und widerspricht der »Nomaden«-Hypothese. Großvieh war Arbeitsvieh oder Opfertiere, dem normalen Fleischgenuß diente nur Kleinvieh.

Zur Geschichte der Agrarverfassung im Zusammenhang mit dem Fiskalsystem: N. J. Kochanowskij, Semljewladjenie i semljedjelje w Kitaje (Wladiwostok 1909, in den Iswjestija Wostotschnawo Instituta d. g. isd. 1907/8 tom. XXIII w. 2) und A. J. Iwanoff, Wang-An-Schi i jewo reformy (S. Petersburg 1906). Leider war mir die sonstige russische Literatur nicht zugänglich. (Auch A. M. Fielde, Land Tenure in China, Journal of the China Branch of the R. Asiat. Soc. 1888 vol. 23 p. 110 konnte ich mir – ebenso wie fast alle Publikationen dieser Zeitschrift – zurzeit nicht zugänglich machen.) – Einige andere Literatur weiterhin.

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Denn es scheint, daß sie zur Zeit Schi Hoang Ti's ein gewisses Maß von Wehrhaftigkeit bewahrt hatten. Auch wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, war damit nicht notwendig eine »grundherrschaftliche Hörigkeit« gegenüber den Feudalherren in unserem Sinn des Worts gegeben, sondern: politische und durch die Stromregulierung bedingte Unterwerfung unter die Macht der Fürsten nach ägyptisch-vorderasiatischer Art.

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Wiedergegeben bei Biot a.a.O.

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Vgl. dazu die (nicht in allen Punkten, insbesondere nicht für die Antike, wohl aber in diesem Punkt zutreffenden) Ausführungen von R. Leonhard in Schmollers Jahrbuch (Anzeige des wertvollen, aber freilich etwas einseitigen Buchs von Lacombe, L'évolution de la propriété foncière).

<p>164</p>

An der Realität ist nicht zu zweifeln, da Japan die Institution übernommen hat. S. später.