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die Umwechslung der Naturalsteuer in Geld, der Geldsteuer zuerst in Silber, dann wieder in Kupfer und nochmals in Silber, zu wechselnden Kursen, deren Bestimmung der Steuereinnehmer sich vorbehielt[154]. Vor allen Dingen aber ist zu bedenken, daß jegliche Amtshandlung eines Beamten, nach patrimonialen Grundsätzen, durch »Geschenke« zu entgelten war und gesetzliche Gebührentarife nicht existierten. Mit Einschluß dieser Extraverdienste war die Gesamtbruttoeinnahme des Beamten dazu da, zunächst die sachlichen Unkosten seines Amtes und die diesem obliegenden Verwaltungsaufgaben vorab zu bestreiten. Der Bruchteil, den diese eigentlichen »Staats«-Ausgaben der inneren Verwaltung ausmachten, war aber meist überaus gering. Demnächst und namentlich aber war dies Bruttoeinkommen des auf der untersten Staffel, unmittelbar an der Steuerquelle selbst, stehenden Beamten nun der Fonds, aus welchem die über ihm stehenden Beamten ihre Einnahmen schöpften. Er hatte an seinen Vorgesetzten abzuführen nicht nur den vergleichsweise recht oft nicht großen Betrag, den nach dem überkommenen Kataster beizubringen ihm oblag. Sondern außerdem und vor allem hatte er ihm beim Amtsantritt und sodann in regelmäßigen Fristen »Geschenke« zu machen, so hoch wie nur irgend möglich, um dessen für sein eigenes Schicksal maßgebendes Wohlwollen zu erhalten[155]. Und er hatte dabei dessen unoffizielle Berater und Subalternbeamte, soweit sie von Einfluß auf sein Schicksal sein konnten (bis zum Türhüter herab, wenn er eine Audienz wünschte) mit reichlichen Trinkgeldern zu versehen. Dies setzte sich von Staffel zu Staffel bis zu dem Palasteunuchen fort, der auch von den allerhöchsten Beamten seinen Tribut nahm. Das Verhältnis zwischen offiziell bekanntgegebenem und tatsächlichem Steueraufkommen aus der Grundsteuer allein wird von guten Kennern[156] wie 1: 4 geschätzt. Das Kompromiß von 1712/13 zwischen der Zentralregierung und den Provinzial-beamten entsprach in geldwirtschaftlicher Form etwa der naturalwirtschaftlichen Fixierung der Feudalpflichten im Okzident. Mit dem Unterschiede zunächst: daß es sich in China, wie in allen spezifischen Patrimonialstaaten, nicht um Lehen, sondern um Pfründen handelte, und nicht um Militärdienstleistungen sich selbst ausrüstender Ritter, auf deren Heeresdienst der Fürst angewiesen war, sondern um Natural- und, vor allem, Geldtribute der für Patrimonialstaaten typischen Gebühren- und Steu erpfründner, auf deren Verwaltungsleistungen die Zentralgewalt angewiesen war. Und noch ein weiterer wichtiger Unterschied gegenüber dem Okzident lag vor. Dort kannte man die Pfründe, auch die Gebühren- und Steuerpfründe ja auch. Am frühesten auf kirchlichem, später, nach dem kirchlichen Muster, auf dem Gebiet der Patrimonialstaaten. Aber sie war dann entweder lebenslänglich (außer bei Entsetzung auf Grund eines förmlichen Verfahrens) oder auch erblich appropriiert, wie das Lehen auch, oft sogar durch Kauf übertragbar. Und die Gebühren, Zölle, Steuern, auf denen sie ruhte, waren durch Privileg oder feste Gewohnheit fixiert. In China war, sahen wir, gerade der »etatsmäßige« Beamte frei absetzbar und versetzbar, ja: mußte er in kurzen Fristen versetzt werden. Teils (und vor allem) im Interesse der Erhaltung der politischen Macht der Zentralverwaltung; daneben aber auch – wie gelegentlich hervortritt: – damit auch andere Anwärter die Chance hätten, einmal an die Reihe zu kommen[157]. Das Beamtentum als Ganzes war im Genuß des gewaltigen Pfründeneinkommens gesichert, der einzelne Beamte dagegen gänzlich prekär gestellt und daher, da der Erwerb des Amts (Studien, Kauf, Geschenke und »Gebühren«) ihm gewaltige Kosten gemacht und ihn oft in Schulden gestürzt hatte, genötigt, in der kurzen Amtszeit soviel als möglich aus dem Amt herauszuwirtschaften. Er war infolge des Fehlens fester Taxen und Garantien dazu auch in der Lage. Daß das Amt dazu da sei, ein Vermögen zu erwerben, verstand sich durchaus von selbst, und nur das Uebermaß galt als tadelnswert[158].

      Aber noch andere und weiter reichende Wirkungen gingen auf diesen Zustand zurück. Zunächst: die Machtstellung der Zentralverwaltung gegenüber den Personen der Beamten wurde allerdings durch das System der Versetzungen auf das wirksamste gesichert. Jeder Beamte war infolge dieser fortwährenden Umschichtungen und des steten Wechsels seiner Chancen der Konkurrent jedes anderen um die Pfründe. Ihre Lage war infolge dieser Unmöglichkeit, ihre persönlichen Interessen zu vereinigen, gänzlich prekär nach oben: die ganze autoritäre innere Gebundenheit dieses Beamtentums hing damit zusammen. Zwar gab es unter den Beamten »Parteien«. Zunächst nach Landsmannschaften und, damit zusammenhängend, nach der überkommenen Eigenart der Schulen, die sie erzogen hatten. Der »konservativen« Schule der nördlichen Provinzen stand in den letzten Jahrzehnten die »fortschrittliche« der mittleren Provinzen und die »radikale« der Kantonesen gegenüber; von dem Gegensatz der Anhänger der Erziehung nach der Methode der Sung gegen die der Han innerhalb eines und desselben Yamen sprachen kaiserliche Edikte noch in dieser Zeit. Indessen infolge des Grundsatzes der Fremdbürtigkeit der Beamten und der steten Versetzung von Provinz zu Provinz und weil überdies die Anstellungsbehörde sorgsam auch darauf hielt, die rivalisierenden Schulen und Landsmannschaften in einem und demselben Amtsbezirk und derselben Aemterstaffelung möglichst zu mischen, konnte sich wenigstens auf dieser Basis kein landsmannschaftlicher Partikularismus entwickeln, der die Einheit des Reichs gefährdet hätte: – dieser hatte ganz andere Grundlagen, wie gleich zu erwähnen ist. Auf der anderen Seite war aber die Schwäche der Beamten nach oben mit ihrer schon erörterten ebenso großen Schwäche nach unten erkauft. Und eine noch weit wichtigere Folge der Struktur dieses Pfründentums war der extreme administrative und wirtschaftspolitische Traditionalismus, den sie mit sich führte. Soweit dieser gesinnungs mäßig begründet war, ist später von ihm zu sprechen. Aber er hatte daneben auch höchst »rationale« Gründe.

      Jeglicher Eingriff irgendwelcher Art in die überkommene Wirtschafts- und Verwaltungsform griff in unabsehbar viele Sportelund Pfründeninteressen der ausschlaggebenden Schicht ein. Und da jeder Beamte einmal in die mit Verkürzung der Einnahmechancen bedrohte Stellung versetzt werden konnte, so stand die Beamtenschaft in solchen Fällen wie ein Mann zusammen und obstruierte mindestens ebenso stark wie die Steuerträger gegen den Versuch, Aenderungen des Sportel- oder Zoll- oder Steuersystems durchzuführen. Die okzidentale Art der dauernden Appropriation von Zoll-, Geleit-, Brücken- und Wegegeld-, Stapel- und Straßenzwang-, Sportel- und anderen Einnahmechancen machte dagegen die im Spiel befindlichen Interessen übersehbar und ermöglichte es in aller Regel, bestimmte Interessentengruppen zusammenzuschließen und mit Gewalt oder durch Kompromiß oder Privileg die einzelnen Verkehrsobstruktionen abzulösen. Aber davon war in China keine Rede. Diese Einnahmechancen waren ja dort, soweit die Interessen der obersten, ausschlaggebenden, Beamtenschicht in Betracht kamen, nicht individuell appropriiert, sondern: dem Stande dieser versetzbaren Beamten als Ganzem. Geschlossen stand er daher jedem Eingriff entgegen und verfolgte die einzelnen rationalistischen Ideologen, welche nach »Reform« riefen, solidarisch mit tödlichem Haß. Nur eine gewaltsame Revolution, sei es von unten, sei es von oben, hätte hier Wandel schaffen können. Die Beseitigung des Tributtransports auf dem Kaiserkanal mit Kähnen zugunsten des um ein Vielfaches billigeren Dampfertransports zur See, die Aenderung der überkommenen Arten der Zollerhebung, Personenbeförderung, Erledigung von Petitionen und Prozessen, alle und jede Neuerungen überhaupt konnten die Sportel??interessen jedes einzelnen, gegenwärtige oder künftig mögliche, gefährden. Wenn man etwa die Reihe der Reformprojekte des Kaisers aus dem Jahre 1898 überblickt und sich klar macht, welche ungeheuren Umwälzungen der Einkommensverhältnisse der Beamten sie bei auch nur teilweiser Durchführung herbeigeführt hätten, so kann man ermessen, welche ungeheuren materiellen Interessen gegen sie engagiert waren und wie völlig aussichtslos sie, in Ermangelung irgendwelcher außerhalb der Interessenten selbst stehenden Organe der Durchführung, sein mußten. In diesem Traditionalismus lag auch die Quelle des »Partikularismus« der Provinzen. Er war in erster Linie Finanzpartikularismus und dadurch bedingt, daß die Pfründen der Provinzialbeamten und ihres unoffiziellen Anhangs durch jede Zentralisierung der Verwaltung auf das schwerste gefährdet werden mußten. Hier lag das absolute Hemmnis einer Rationalisierung der Verwaltung des Reichs vom Zentrum aus ebenso wie einer einheitlichen Wirtschaftspolitik.

      Es war aber ferner – und dies zu erkennen ist prinzipiell wichtig – das allgemeine Schicksal rein patrimonialer Staatsgebilde, wie die Mehrzahl der orientalischen es waren: daß gerade die Durchführung der Geld wirtschaft den Traditionalismus stärkte, statt ihn zu schwächen, wie wir erwarten würden. Deshalb, weil gerade

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<p>154</p>

Einflußreiche Leute zogen daher stets die Zahlung in Naturalien vor und setzten sie durch.

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Es erinnert dies etwa an die Besteuerung der von dem gewählten Haupt der obsiegenden Partei ernannten Beamten durch die Bosses für sich und die Parteikassen in den Vereinigten Staaten, nur daß diese im ganzen fest bestimmt war.

<p>156</p>

Jamieson, Parker. S. die Berechnungen und Schätzungen des letzteren in »Trade and Administration of the Chinese Empire« p. 85 ff.

<p>157</p>

Diese Auffassung tritt besonders deutlich in dem in der Peking Gazette vom 11. 1. 95 abgedruckten Reskript hervor. Es wird getadelt, daß gewisse (Unter-) Beamte die Pfründen länger als 3 Jahre behalten, so daß andere Anwärter nicht »drankommen«.

<p>158</p>

Dies geht aus mannigfachen Reskripten hervor. So etwa in der Peking Gazette vom 23. 3. 1882: ein Beamter in Kanton hat in wenigen Monaten 100 000 Taëls mehr als gewöhnlich (NB.!) zusammengebracht. Ein gemieteter Schreiber in Fuh kien konnte sich die Präfektenstelle in Kiangsu kaufen. Zollbeamte hatten Einnahmen von 100-150 000 Taëls jährlich.