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bei Doktor Maletta.“

      „Bei Maletta? Wirklich?! – Hören Sie, das ist ja hochinteressant.“

      Schippel nickte. „Sehr interessant – auch für mich! – Wir haben dienstlich noch nicht zusammengearbeitet, Herr Kommissar. Jetzt werden wir häufiger uns verabreden müssen, da Ihnen ja der Fall Scharfer übertragen ist, und ich Ihnen so manchen Wink geben kann. – Ich sah den Baron und Bellinger das Klubhaus betreten. Haben Sie von den Herren in der Sache Scharfer Neues erfahren?“

      „Freilich. Sehr wichtiges sogar, und zwar von dem Assessor, der ja bei Rechtsanwalt Kinkel uns so etwas ins Handwerk pfuscht.“

      „Auch über den Mordversuch an Maletta etwas?“

      „Ah – Sie wissen?! – Ja, Bellinger hat mir die ganze Geschichte mitgeteilt – diese geradezu unglaubliche Geschichte.“

      „Bitte, erzählen Sie mir sie wieder, Herr Kommissar. Ich möchte vergleichen. Maletta hat mir ebenfalls seinen … Selbstmordversuch geschildert.“

      Als Sakschinski mit seinem Bericht zu Ende war, meinte Schippel nachdenklich:

      „Bellingers und Malettas Angaben ergänzen sich. Scharfer scheint also den Chemiker dem maskierten Henker wirklich unter dem Vorwand in die Hände gespielt zu haben, daß der Assessor ihn – Maletta – zu sprechen wünsche.“

      „Natürlich ist es so – natürlich!“ erklärte der Kommissar eifrig. „Und der Verdacht liegt unter diesen Umständen sehr nahe, daß Maletta der Mörder des Kommerzienrates ist. Grund genug zu dieser Tat wird er wohl gehabt haben. Ich werde daher auch …“

      „Der Chemiker ist der Mörder nicht“, unterbrach Schippel den Kommissar mit Nachdruck. „Als ich ihm heute nachmittag den Tod Scharfers mitteilte, benahm er sich so, wie sich nur ein Mensch benehmen kann, dem eine solche Kunde völlig überraschend kommt. Außerdem hat Malettas Diener Wilhelm, der, nebenbei bemerkt, früher Schutzmann war und ganz auf meiner Seite steht, wie immer im Nebengemach von Malettas Schlafzimmer bei offener Tür geschlafen. Der Chemiker kam kurz nach zwölf Uhr im Auto nach Hause und legte sich sofort zu Bett, nachdem ihm Wilhelm noch eine Kompresse gegen … Halsschmerzen hatte zurecht machen müssen. Er hat sein Schlafzimmer dann erst heute gegen zwei Uhr nachmittags verlassen.“

      Sakschinski schüttelte ärgerlich den Kopf.

      „Also auch mit Maletta ist es nichts!! Wo nehme ich nur den Mörder her, Schippel? Helfen Sie mir! Ich tappe völlig im Dunkeln.“

      „Ich werde helfen. Verlassen Sie sich ganz auf mich. Sie können es ruhig tun, Herr Kommissar. Der Täter wird ermittelt werden!“

      „Hören Sie, das klingt ja so, als ob …“

      „Dringen Sie bitte nicht weiter in mich. Ich würde doch nichts sagen. Über eine erst halbfertige Sache rede ich nie.“

      „Ich weiß, – Kollege Werner hat mir von Ihnen erzählt. Man nennt Sie den „kleinen Schweiger“, im Gegensatz zu Moltke, dem „großen Schweiger“. Selbst Werner ahnt ja auch nicht im geringsten, weshalb Sie bei Maletta Chauffeur geworden sind. Er meint, der Ehrgeiz spiele da mit. Sie wollen sich auszeichnen, um es weiterzubringen. Stimmt das?“

      „Ganz im Vertrauen: es stimmt teilweise. – Kennen Sie meine Lebensgeschichte, Herr Kommissar?“

      „Ich besinne mich so etwas, daß …“

      „Sie sollen sie erfahren! Wir fechten ja jetzt Schulter an Schulter, und zwar gegen außerordentlich gefährliche Gesellen! Da ist Offenheit am Platze! Außerdem wird es ja nicht mehr lange dauern, bis alle Welt wissen darf, weshalb Thomas Schippel als Chauffeur auftrat.“

      Der Kriminalwachtmeister tat erst einen langen Schluck aus seinem Glase, bevor er begann:

      „Ich stamme aus guter Familie. Mein Vater war Landgerichtsdirektor. Ich sollte später auch mal Jurist werden. Aber ich war zu träge auf der Schule, blieb auf Prima sitzen und machte dann noch dumme, wenn auch harmlose Streiche, so daß ich das Gymnasium verlassen mußte. Da starb mein Vater. Vermögen war nicht vorhanden, und meine Mutter ließ mich Justizanwärter werden. Ich hätte es so bis zum Gerichtssekretär bringen können. Aber es kam anders. Ich hatte gerade mein Jahr abgedient, als ich in meiner damaligen Stellung einem Herrn einen Dienst erwies – rein aus Gefälligkeit. Ich gestattete ihm Einsicht in Akten. Das war streng verboten, und – die Folgen blieben nicht aus. Es handelte sich um einen Prozeß, den jener Herr gewann, weil ich mir jene dienstliche Verfehlung aus Gutmütigkeit hatte zuschulden kommen lassen. Die Gegenpartei erhielt Kenntnis von jener Einsichtnahme in die Akten, und ich wurde nicht nur disziplinarisch bestraft, das heißt mußte aus dem Justizdienst ausscheiden, sondern wanderte noch für acht Tage ins Gefängnis. Mein Leben war damit verpfuscht. Ich versuchte bald dieses, bald jenes, bis ich in ein Detektivinstitut eintrat. Hier zeichnete ich mich aus, die Polizei wurde auf mich aufmerksam, und trotz meiner Vorstrafe wurde ich als Kriminalbeamter wieder in den Staatsdienst übernommen. Ich brachte es bis zum Wachtmeister. Mein Gönner, der Leiter der Berliner Kriminalpolizei, wollte mich nun gern zum Kommissar befördern. Aber dazu war nötig, daß ich mich besonders hervortat. – So standen die Sachen vor etwa zwei Jahren. Da begegnete ich im Trubel unserer Millionenstadt zufällig dem Manne wieder, der an meiner Verurteilung allein schuld war, der seinerzeit kaltherzig einen jungen, unerfahrenen Menschen aus persönlichen Gründen ins Gefängnis gebracht hatte. Und eine Verkettung besonderer Umstände ließen nun in mir die Hoffnung aufleben, durch denselben Mann in die Höhe zu kommen, der mich einst gestürzt hatte. – Mehr kann ich heute noch nicht sagen. Sie werden aber wohl nicht lange zu warten brauchen, Herr Kommissar, bis ich Ihnen auch den Namen dieses Mannes nennen darf. Heute noch nicht. Sie wissen …: der kleine Schweiger …!“

      „Schicksalswalten!“ meinte Sakschinski, indem er Schippel etwas scheu von der Seite ansah. Er hatte schon viel von diesem stillen, ruhigen Menschen gehört, der zahlreiche Erfolge aufzuweisen hatte, aber stets bescheiden sich im Hintergrunde hielt.

      Schippel trug jetzt als Dienstmann einen rötlichen, kurzen Vollbart. Auch dieser konnte nicht den Ausdruck unbeugsamer Entschlossenheit verhüllen, der sich auf dem Gesicht des unscheinbaren Mannes ausprägte.

      Jedenfalls wußte der Kommissar seine Sache in guten Händen. Und daher scheute er sich auch nicht, sich nun an seinen Untergebenen mit der Frage zu wenden:

      „Sagen Sie mir, Schippel, – was soll ich jetzt zunächst tun? – Sie sind doch der von uns beiden, der den Fall Scharfer besser überschaut.“

      „Verhaften Sie den Rentier Oltendorf“, erwiderte Schippel ohne Zögern. „Mit diesem Streich wollen wir den Kampf beginnen. Es muß aber ganz unauffällig geschehen, und niemand darf davon außer unseren Beamten etwas erfahren.“

      Sakschinski hatte diese Antwort nie erwartet.

      „Oltendorf?“ meinte er erstaunt. „Ja – was hat der denn mit dem Falle Scharfer zu tun?“

      „Er war heute nachmittag bei Maletta, ist ein alter Bekannter von ihm. Und seine Tochter will ihn durch Bellinger suchen lassen, da er seit vorgestern verschwunden ist. Ich glaube, er will flüchten. Er hat sich seinen ehrwürdigen, langen Vollbart abrasieren lassen, trägt jetzt vor ganz gesunden Augen eine dunkle Brille und sieht wie einer aus, der vom Leben nichts mehr erhofft. – Ich werde Ihnen den Kriminalschutzmann Mischke aufs Präsidium schicken. Der ist nämlich hinter Oltendorf her und wird wohl dessen Schlupfwinkel herausfinden. Haben Sie den Rentier fest, so telephonieren Sie mich an. Moabit 612.“

      „Gut. Auf Ihrer Verantwortung hin. – Noch etwas?“

      „Nein. – Ich muß jetzt auch aufbrechen. Maletta kommt um sieben Uhr aus der Fabrik zurück. Er soll mich nicht vermissen.“

      Gleich darauf verließ Schippel die Weißbierstube. Sakschinski aber blieb noch eine Weile sitzen und dachte angestrengt über alles das nach, was er heute in der neuesten Mordsache festgestellt oder aber von dem kleinen Wachtmeister erfahren hatte. Doch die ganzen Zusammenhänge waren dunkel wie eine schwüle Gewitternacht. – –

      Zwei

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