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von meinem Vater, nichts – nichts! Nur einen jener Unglücksbriefe, graublauer Umschlag mit Maschinenschrift, fand ich vor.“

      Erst jetzt regte sich Bellinger.

      „Haben Sie den Brief geöffnet?“ fragte er schnell. Und es schien Lossen so, als ob die Stimme des Assessors etwas beunruhigt klang.

      „Nein, das wagte ich nicht“, erwiderte Charlotte Oltendorf seufzend. „Aber ich habe ihn mitgebracht, um Sie, Herr Assessor, um Rat zu bitten, ob ich mir Kenntnis von seinem Inhalt verschaffen soll.“

      Bellinger überlegte. „Warten Sie noch bis morgen früh, gnädiges Fräulein“, sagte er dann. „Ist Ihr Herr Vater dann noch nicht heimgekehrt, so dürfen Sie das Schreiben mit gutem Gewissen lesen und auch mir es zur Verfügung stellen. Vielleicht gibt es uns Anhaltspunkte, was wir in dieser Sache unternehmen können. – Wollen Sie mir den Brief bitte einmal zeigen?“

      Es war jetzt so dunkel geworden und der Lichtschein der Gartenbeleuchtung drang nur so schwach bis zu dem abseits stehenden Tische hin, daß Lossen sich nicht recht erklären konnte, was es für Bellinger an dem geschlossenen Umschlag zu sehen gab, dessen Aufschrift er doch kaum hätte entziffern können.

      Der Assessor nahm den Brief, stand auf und ging ein paar Schritte nach der nächsten Laterne hin. Und jetzt bemerkte der junge Maler etwas, wofür er keinerlei Erklärung fand: nur weil er so scharf auf Bellinger achtgab, sah er genau, wie dieser den Brief blitzschnell unter den Aufschlag seines Jacketts schob und die Hand dann wieder hervorzog. Und in dieser Hand hielt er zwar einem dem ersten äußerlich völlig ähnlichen Brief, trotzdem hätte Lossen aber schwören mögen, daß der Assessor soeben das an Oltendorf gerichtete Schreiben gegen ein anderes vertauscht hatte, – ein Verdacht, der gleich darauf bei dem Maler noch verstärkt wurde. Der Assessor kehrte jetzt nämlich, nachdem er anscheinend die Aufschrift sich angesehen hatte, an den Tisch zurück und sagte zu Charlotte Oltendorf:

      „Gnädiges Fräulein, ich habe mir die Sache anders überlegt. Vielleicht ist es doch besser, wir öffnen diesen Brief sofort. – Sind Sie einverstanden?“

      Dabei übergab er dem jungen Mädchen das Schreiben. – Charlotte antwortete mit einem Kopfnicken. Blendel reichte ihr sein Taschenmesser und Lossen holte seine Fünfminutenbrenner hervor, von denen er einen entzündete. Der Lichtlein genügte.

      „Das Schreiben enttäuscht mich sehr“, erklärte Charlotte jetzt, indem sie es vor Bellinger auf den Tisch legte. „Es ist nur eine Offerte eines Möbelgeschäfts. Da – sehen Sie selbst!“

      „Allerdings“, erklärte der Assessor gedehnt. „Schade – auch ich hatte mir von dem Briefe mehr versprochen. – Nun – dann muß ich der Angelegenheit auch so zu Leibe gehen“, fügte er hinzu. „Es dürfte zweckdienlich sein, daß ich gleich morgen die Bekanntschaft des Herrn Weinreich zu machen suche. Vielleicht läßt sich von dem etwas erfahren. – Wo wohnt der Professor, dieser ehemalige Freund Ihres Herrn Vaters?“

      Charlotte nannte Straße und Hausnummer, die Bellinger sich auf seine Manschette aufschrieb, dann entschuldigte er sich. Er wolle nur einmal einen Bekannten antelephonieren. Beinahe hätte er dies vergessen. – Er ging in das Restaurant hinein und kam erst nach etwa zehn Minuten zurück.

      Inzwischen hatte aber zwischen dem jungen Mädchen und dem Baron folgendes Gespräch stattgefunden. Blendel war es, der Charlotte fragte:

      „War es vielleicht Absicht von Ihnen, daß Sie Bellinger einiges von dem verschwiegen, was Sie mir heute früh erzählt haben? Oder ist es Ihnen nur entfallen, daß sie einmal einen jener heftigen Auftritte zwischen Ihrem Vater und seinen heimlichen Besuchern belauschten und dabei die Stimme des Professors erkannt zu haben glaubten? – Ich wollte Sie in des Assessors Gegenwart nicht daran erinnern, da ich eben nicht wußte, ob Sie nicht Ihre Gründe für …“

      „Ja, ich habe meine Gründe hierfür“, hatte Charlotte etwas unsicher erwiderte. Und nach einer Pause hatte sie hinzugefügt: „Herr Baron, und auch Sie, Herr Lossen, ich muß sie beide bitten, Herrn Bellinger gegenüber nichts von dieser meiner beschränkten Offenheit zu erwähnen. Überhaupt, – ob der Assessor der geeignete Berater für mich ist, möchte ich bezweifeln.“

      Sie war sichtlich erregt, und daß nervöse Spiel ihrer Hände wollte nicht aufhören.

      Blendel wußte mit der letzten Bemerkung seines Schützlings nichts anzufangen.

      „Wieso „bezweifeln“?“ meinte er erstaunt. „Bellinger ist eine anerkannte, erstklassige Kraft als Privatdetektiv.“

      Da mischte sich Lossen ein.

      „Schnell, gnädiges Fräulein, – beantworten Sie mir eine Frage: Kannten Sie Bellinger schon, bevor Blendel ihn Ihnen heute vorstellte?“

      „Ja“, erklärte sie tief aufatmend. „Ja – von Ansehen! – Zu Ihnen beiden, meine Herren, will ich ganz ehrlich sein. Ich muß ja jemanden haben, der mir hilft …: Bellinger und Weinreich kennen sich! Ich habe den Assessor, ohne daß er es weiß, hier in Wannsee zweimal abends im Garten unserer Villa beobachtet, wo er fraglos auf Weinreich wartete, der sicherlich oben bei meinem Vater war. Und – beachten Sie dies sehr: Bellinger hat doch vorhin so getan, als sei ihm der Professor ganz fremd!“

      Der Baron konnte nur verständnislos den Kopf schütteln. Werner Lossen dagegen sagte sofort:

      „Bellingers Verhalten erscheint auch mir nicht ganz einwandfrei. Aber lassen wir ihn nichts merken. Ich bringe Ihnen morgen früh einen anderen Berater, gnädiges Fräulein. – Der Assessor taucht da hinten auf. Tun wir ganz harmlos.“

      Bellinger trat an den Tisch.

      „So, das Telephongespräch wäre erledigt. – Wir können dann wohl aufbrechen. Ich habe noch in Berlin zu tun. Was aber Ihre Sache anbetrifft, gnädiges Fräulein, so ruht sie in guten Händen. Wollen sehen, ob Weinreich nicht über Ihren Vater mehr weiß als Sie selbst. Ich bin sehr gespannt auf diesen Herrn Musikprofessor.“

      Die drei Herren begleiteten das junge Mädchen noch bis nach Hause und fuhren dann mit der Stadtbahn nach Berlin hinein.

      13. Kapitel

       Auf Cesar Bellingers Fährte

       Inhaltsverzeichnis

      Im Zuge sprach man von gleichgültigen Dingen. Erst auf dem Bahnhof Friedrichstraße, wo die drei ausstiegen, fragte Blendel den Assessor, wie er eigentlich über die Angelegenheit Oltendorf denke. Bellinger erwiderte, er könne jetzt noch gar nichts darüber sagen.

      Es war mittlerweile elf Uhr geworden. An der Ecke Linden-Friedrichstraße verabschiedete Bellinger sich dann. Er hätte noch eine Verabredung. – Als Blendel dem Maler vorschlug, in den Klub zu gehen, erklärte Bellinger, er würde sich dort vielleicht auch noch einfinden.

      Hierauf trennte man sich. Der Baron und Lossen nahmen ein Auto und waren zehn Minuten später vor dem Klubhause angelangt. Während Blendel den Chauffeur bezahlte, strich an dem jungen Maler ganz dicht ein kleiner Herr vorbei, der ihm leise zuraunte: „Achtung – Schippel!!“ und ihm sehr gewandt einen Zettel in die Hand drückte.

      Lossen fand denn auch gleich darauf in der Garderobe des Klubs Gelegenheit, den Zettel zu lesen, ohne daß der Baron auf ihn aufmerksam wurde.

      „Ich erwarte Sie draußen. Schützen Sie Müdigkeit vor“

      stand auf dem aus einem Notizbuch herausgerissenem Blatt.

      Nichts kam Lossen gelegener als diese Nachricht. Ja, er mußte Schippel sprechen, und zwar recht bald. Der Kriminalbeamte sollte ungesäumt erfahren, was sich draußen im Schultheiß-Restaurant in Wannsee abgespielt hatte.

      Der Baron nahm den Freund jetzt, nachdem sie Überzieher und Hüte in der Garderobe untergebracht hatten, unter den Arm und sagte:

      „Alter Patroklus, Du sollst jetzt also hier „Stimmprüfer“ spielen, sollst versuchen, den Mann mit dem hellen, energischen Organ

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