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heute doch lieber zu verzichten?“ meinte er. „Ich bin müde zum Umsinken – wirklich! Ich fühle es jetzt erst. Ich möchte nach Hause mich ausschlafen.“

      Blendel ließ sich wirklich überzeugen, daß Lossen heute doch nicht mehr dazu imstande war, die Suche nach dem Herrn mit der hellen Stimme zu beginnen. – Die Freunde verabredeten morgen gemeinsam zu Mittag zu essen, und der Baron geleitete Lossen dann noch bis an die Haustür.

      „Das haben Sie gut gemacht“, begrüßte Schippel den jungen Maler draußen auf der Straße in einiger Entfernung von dem Klubhause. „Wir wollen durch den Tiergarten gehen. – Erzählen Sie – wie ist denn die große Besprechung in Wannsee verlaufen? Sie hat doch stattgefunden, da Oltendorf noch nicht wieder heimgekehrt sein kann. – Ich sage … „nicht kann“! Er ist nämlich verhaftet worden.“

      Lossen blieb stehen. „Verhaftet …? Ja – wie … wie …“

      „Hübsche Neuigkeit, nicht wahr?“ unterbrach Schippel ihn. „Gehen wir weiter. – Also: erzählen Sie! Nachher berichte ich so einiges über Oltendorf.“

      Als der Maler dann von seinem Verdacht sprach, daß Bellinger den Brief vertauscht haben könnte, nickte Schippel und meinte:

      „Gut beobachtet, lieber Freund, – sehr gut. – Fahren Sie fort …!“

      Und Lossen berichtete nun weiter von dem Gespräch, das zwischen Charlotte Oltendorf, Blendel und ihm geführt worden war, während Bellinger telephonierte.

      „Ich wollte erst Fräulein Oltendorf gegenüber sehr vorsichtig und zurückhaltend sein“, erklärte er. „Als ich aber sah, wie schwer sie litt, wie sehr sie um ihren Vater in Sorge war, da konnte ich mir nicht denken, daß Sie eine Ahnung davon hätte, was es mit dem Diamantendiebstahl eigentlich auf sich hat. Sie ist zweifellos ein durchaus aufrichtiger Charakter. Und deshalb nahm ich sozusagen ihre Partei und bestätigte, daß auch ich Bellinger nicht so ganz traue. Ich weiß nicht – ich bin heute abend an ihm wirklich irre geworden.“

      „Was sagte denn eigentlich Blendel dazu, daß Bellinger nicht nur den Professor Weinreich kennt, sondern sogar auf diesen im Garten der Oltendorfschen Villa gewartet hat?“ fragte Schippel gespannt.

      „– „Vielleicht ist dieser Quartalssäufer gar ein Schuft, der ein doppeltes Spiel treibt. Dann hätte ich den Bock zum Gärtner gemacht!“ – Das waren Blendels Worte.“

      Der Kriminalwachtmeister schwieg eine Weile.

      „Wie leicht man doch jemanden verkennt!“ sagte er dann.

      Lossen merkte nicht die Zweideutigkeit dieser Redewendung. – Und der Beamte fuhr fort: „Ihre Mitteilungen sind für mich außerordentlich wichtig. – Wollen Sie mal eine Nacht opfern, um eine Berliner Spielhölle kennenzulernen?“

      Der junge Maler war schon an allerlei Überraschungen von Seiten Schippels gewöhnt. Erst wußte er nicht recht, was er dort sollte. Dann fiel ihm plötzlich ein, daß der Beamte ja in einer solchen Spielhölle in einem zurückgelassenen Sportpaletot die Diamanten gefunden hatte. Und so erwiderte er denn bereitwilligst:

      „Sehr gern. – Aber – Sie wollten mich noch über Oltendorfs Verhaftung etwas aufklären. Was liegt denn gegen ihn vor?“

      „Vorläufig nur, daß er unter falschem Namen sich hier in Berlin eingemietet hat, daß er keinerlei Ausweispapiere besitzt und sich hartnäckig weigert einzugestehen, wer er ist. Jedenfalls ahnt er noch nicht, daß die Polizei genau weiß, wen sie vor sich hat.“

      Lossen schob sich plötzlich den Hut mehr nach hinten, so daß die Stirn freilag.

      „Mir wird von alledem so dumm, als ginge mir ein Mühlenrad im Kopf herum“, deklamierte er mit einem tiefen Seufzer. „Tatsächlich – ich finde mich aus all diesen seltsamen Vorgängen nicht mehr heraus. Insbesondere habe ich so gar keine Ahnung davon, was Sie eigentlich beabsichtigen, Herr Schippel. Ich tappe völlig im Dunkeln umher. Und das Gefühl ist nicht gerade angenehm. Außerdem möchte ich noch hervorheben, daß ich Sie vielleicht auch so etwas unterstützen könnte, wenn Sie den Schleier ein wenig lüften wollten.“

      „Hm – eigentlich haben Sie nicht so ganz unrecht“, erklärte der Beamte. „Uns bleibt noch reichlich Zeit, ehe wir nach der Spielhölle aufbrechen können. Ich muß vorher außerdem auch noch so einige kleine Veränderungen an meinem Äußeren vornehmen. Wenn ich Sie nun also zunächst in meinen Schlupfwinkel führe, so rechne ich natürlich auf Ihre Verschwiegenheit. Überhaupt: trauen Sie niemanden, schweigen Sie nach Möglichkeit oder – reden Sie um die Sache herum, nach der man Sie fragt.“

      Mit der elektrischen Straßenbahn fuhren sie dann nach Moabit, – nach Schippels „Theatergarderobe“, wie er das bescheidene Erdgeschoßzimmer in der Nähe der chemischen Fabrik Malettas nannte.

      Während er sich hier in einen jüngeren Herrn mit aufgedrehtem dunklen Schnurrbart verwandelte, gab er dem gespannt lauschenden Maler zunächst einen Überblick über seine Vergangenheit. Er erzählte dasselbe, was er auch dem Kommissar Sakschinski mitgeteilt hatte.

      „Sie sehen also, lieber Freund, – auch ich habe bereits Bekanntschaft mit dem Gefängnis gemacht. Wir sind also sozusagen Leidensgefährten“, fügte er ernst hinzu.

      „Und – wer ist jener Mann, der Sie so mitleidslos anzeigte?“ fragte Lossen schnell. „Darf ich es erfahren?“

      „Jener Mann war damals Gerichtsreferendar. Eine Weibergeschichte spielte mit. Er haßte mich als den begünstigten Nebenbuhler. Das Gefängnis wäre mir erspart geblieben. Bellinger sorgte dafür, daß ich auch gerichtlich bestraft wurde.“

      „Ah – Bellinger!! Dieser Bellinger!! – Jetzt glaube ich schon so mancherlei zu verstehen, was mir noch unklar war.“

      „Meinen Sie?!“ Schippels Stimme klang leicht ironisch. „Was denn zum Beispiel?“ fuhr er fort, indem er eine Scheitelperücke vor dem hohen Stehspiegel über den Kopf zog.

      „Nun – das der Assessor eine fragwürdige Persönlichkeit und vielleicht gar der Mörder Scharfers ist.“

      Schippel lachte. „Sie gehen gleich ordentlich ins Zeug! Ebenso gut könnten Sie behaupten, ich hätte dies Verbrechen auf dem Gewissen. Bisher besteht auch nicht der geringste Beweis für diese Ihre Annahme. Und, offen gestanden, ich glaube auch nicht, daß Bellinger irgend einen Grund gehabt hat, sich der Gefahr auszusetzen, einen Kopf kürzer gemacht zu werden. Im Gegenteil: niemand schlachtet die Henne, die goldene Eier legt. – Der Assessor wird wohl den Kommerzienrat ebenso ergiebig angepumpt haben wie zum Beispiel Ihren Freund Blendel. Und da wir nun schon einmal auf Bellingers pekuniäre Verhältnisse gekommen sind, will ich Ihnen auch gleich mitteilen, weshalb mir der Assessor so etwas als stark dunkle Existenz erschienen ist. Ich begegnete ihm zufällig hier in Berlin auf der Straße. Das war so ungefähr zu derselben Zeit, als Sie, Herr Lossen, Ihre Strafe verbüßt hatten. Er sah rosig, jung und heiter wie immer aus und war äußerlich fast gar nicht verändert. Da ich gerade nichts Besseres vorhatte, folgte ich ihm. Er ging zu Rechtsanwalt Kinkel ins Bureau. Bald hatte ich dann festgestellt, wo er wohnte, daß er so etwas wie ein studierter Privatdetektiv war und sehr flott lebte – sehr!! Überall wo etwas los war, fand man Cesar Bellinger. Auch in Spielhöllen. Sogar sehr oft. Und er hatte zumeist Pech, der arme Assessor, verspielte erhebliche Summen, obwohl er von seinem Anwalt nur 300 Mark monatliches Gehalt bezog und sonst keinerlei Zuschüsse hatte. – Ja, lieber Freund, – diese Spielverluste und sein sonstiger nicht gerade billiger Lebenswandel machten mir ihn ein wenig interessant, um mich ganz harmlos auszudrücken. Ich wollte doch zu gern herausbekommen, aus welchen Nebenquellen er all das Geld schöpfte, das er mit leichter Hand ausgab. Leider ist ja nun die freie Zeit eines Kriminalbeamten recht karg bemessen, und Monate vergingen, bevor ich eine Beobachtung machte, die mir auffiel. In den Kreisen, in denen Bellinger nach Mitternacht verkehrte, war ich auch auf einen Herrn aufmerksam geworden, der stets mit „Herr Professor“ angeredet wurde. Es war ein sehr großer, stattlicher Mann, und eigentlich sah er gar nicht wie ein Musiklehrer aus. Und doch verdiente er durch Klavierstunden einen Teil des Geldes, das er und die Seinen zum Lebensunterhalt brauchten, – einen Teil!! Wo das übrige herkam,

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