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Erna“, sprach der Kriminalbeamte leise in das Fensterchen hinein.

      Dann erst tat sich die Tür auf, die ein dicker Herr mit mächtiger Glatze den Besuchern geöffnet hatte.

      Schippel nickte dem Dicken zu und ging dann ohne weiteres den matt erleuchteten Flur entlang, klopfte hier abermals an eine Tür zur Rechten sechsmal an und verschaffte sich so, ohne von den beiden Türhüter durch Fragen belästigt zu werden, Zutritt zu den drei Zimmern, die der dicke Kahlköpfige als Mieter der Villa hier einen geheimen Spielklub zur Verfügung gestellt hatte. Im ersten Zimmer wurde abgelegt. Hier befand sich auch ein reichhaltiges kaltes Büffet.

      Lossen und Fritz Pelzer handelten zunächst wie die Automaten. Sie taten, was Schippel tat, hingen ihre Sachen an den langen Garderobenständer, tranken gemeinsam am Büfett einen Likör, der ihnen von der für jung zurechtgeschminkten Frau des Dicken gereicht wurde, und betraten dann das zweite Zimmer.

      Hier sowohl als in dem dritten Raume waren um zwei große Tische einige dreißig Herren versammelt. Es wurde hauptsächlich Roulette gespielt, auch getempelt. Zigarrenqualm hing in schweren Schwaden in der Luft. Gesprochen wurde nicht viel. Goldgeld klimperte, Papiergeld raschelte. Dazwischen knallte ein Sektpfropfen, stieß einer der Spieler eine Verwünschung aus … Und die kleine, weiße, satanische Elfenbeinkugel des Roulettes sprang, hopste, wirbelte wie ein richtiger übermütig-höhnisch hüpfender Teufel, der all die Männer hier in den Krallen hielt …

      Lossen war dieses Bild so neu, daß er verwundert bald hierhin bald dorthin blickte. Niemand kümmerte sich um die neuen Gäste.

      Schippel warf einen Hundertmarkschein auf den Roulettetisch – über die Schulter eines Herrn hinweg, der vor ihm saß, den Kopf in die Hand gestützt.

      Der junge Maler staunte über die Sicherheit, mit der der Kriminalbeamte sich benahm.

      Da schlug jemand Lossen leicht auf die Schulter. Er fuhr erschreckt herum und sah in … Bellingers vergnügt grinsendes Gesicht.

      „Wie kommen Sie hierher?“ fragte der Assessor. „Ei, ei …!! Auch auf Abwegen! Das sollte Blendel wissen!!“

      Lossen beeilte sich, daß ihm von Schippel Eingepaukte herunterzustammeln.

      Zwei neue Besucher betraten das Zimmer. In dem einen erkannte Lossen sofort den Professor Weinreich, dessen hohe, kräftige Gestalt mit dem verwitterten Gesicht und dem gefärbten Bart ihm noch von Oltendorfs her – von jenem Unglücksabend – in der Erinnerung geblieben war. Der andere war zweifellos ein Schauspieler. Dieser hatte Bellinger kaum erblickt, als er mit ausgebreiteten Armen auf ihn zukam.

      „Freund meiner Seele – acht Tage haben wir uns nicht gesehen, seit damals, als wir dem aus einer Horde Geheimpolizisten bestehenden Arme der sogenannten Staatsgewalt noch glücklich entwischten, leider aber unsere Mäntel und Hüte den „Greifern“ überlassen mußten …! Mein Paletot war ja nicht mehr viel wert, aber der Deine …!! Oh, der war ein Meisterstück der Schneiderkunst, und das Seidenfutter ein Gedicht …!!“

      Bellinger drückte dem Bekannten lachen die Hand.

      „Ihre Vergleiche sind kühn, Orfano, weiß Gott! – Ja – um meinen Paletot tut es mir leid – sehr leid sogar.“

      Schippel hatte diese Begrüßung mitangehört – jedes Wort … In sein Gesicht war mit einemmal ein Ausdruck höchster Spannung getreten.

      Dann fuhr Bellinger auch schon fort:

      „Na – ich hoffe zuversichtlich, daß die Polizei die nicht abgeholten Kleidungsstücke, deren Besitzer sie zu ihrer Trauer nicht ermitteln konnte, versteigern läßt. Dann werde ich einen Mann hinschicken, der auf meinen Sportpaletot bieten muß – und wenn es tausend Mark wären!“

      Schippel gegenüber am Fenster lehnte der jugendliche Fritz Pelzer, eine Zigarette im Mundwinkel. Der Beamte beobachtete auch diesen Herrn unauffällig. Pelzers lebhafte Augen waren mit besonderem Ausdruck auf Bellinger gerichtet. Haß und erbitterte Feindseligkeit glaubte Schippel darin zu bemerken.

      Als Bellinger jetzt wieder an den Spieltisch trat – er hatte von Weinreich keinerlei Notiz genommen – kam Pelzer langsam auf ihn zu, stellte sich dicht hinter ihn und flüsterte ihm etwas zu.

      Der Assessor erbleichte. In demselben Augenblick passierte zweierlei.

      Weinreich hatte den jungen Pelzer eben erst bemerkt, war zusammengezuckt und dann auf den Fremden zugeeilt – mit verzerrtem Gesicht, offenbar in höchster Wut.

      Da schrillte eine an der Wand angebrachte elektrische Glocke. Es war ein Alarmsignal für die Spieler, daß Gefahr im Anzuge sei. Wildeste Aufregung entstand. Einer der Herren stürzte nach dem Einschalter des elektrischen Lichtes. Aber Schippel hatte sich davor aufgepflanzt und stieß ihn zurück.

      Kriminalbeamte drangen ins Zimmer, allen voran Kommissar Sakschinski, der sofort rief:

      „Ich erkläre Sie sämtlich für verhaftet! Das Haus ist umstellt!“

      Lossen war neben Schippel getreten.

      „Eine nette Bescherung“, flüsterte er bestürzt.

      „So?! – Im Gegenteil, – alles klappt, wie ich es mit Sakschinski verabredet habe. Nur etwas später hätte der Kommissar erscheinen können.“

      Schippels Augen wanderten eilfertig hin und her.

      Ah – Bellinger warf sein zusammengeballtes Taschentuch heimlich unter den Tisch … Und dort – – wahrhaftig – dort saß Fritz Pelzer und … weinte … weinte ganz verzweifelt …

      Schippel lächelte und machte Lossen auf das unmännlich Benehmen des jungen Stutzers aufmerksam. Dann fuhr er fort:

      „Wir gehen ruhig mit zur Polizeiwache …“

      Diejenigen der Anwesenden, die sich genügend ausweisen konnten, wurden entlassen. Nur Bellinger, Weinreich und drei andere mußten außer Schippel, Lossen und Pelzer den Beamten folgen.

      Der Assessor und Weinreich protestierten laut gegen diese Maßregel. Pelzer schluchzte und flehte Sakschinski an, ihn laufen zu lassen. Inzwischen hatte Schippel unauffällig das Taschentuch Bellingers aufgehoben und zu sich gesteckt.

      Vor der Villa hielten zwei Autos. In dem einen wurden Bellinger, der Professor, Pelzer und Schippel untergebracht. Das andere benutzten Sakschinski, Lossen und jener Schauspieler Orfano, der von des Assessors elegantem Paletot gesprochen hatte.

      Beide Kraftwagen fuhren jedoch nicht zur nächsten Polizeiwache, sondern nach dem Polizeipräsidium am Alexanderplatz.

      Dort wurden vier der Mitgenommenen in ein Zimmer geführt und von einem Kriminalbeamten überwacht. Sie durften kein Wort miteinander sprechen.

      Der Nebenraum war das Dienstzimmer Sakschinskis. Hier befanden sich außer dem Kommissar noch Schippel und Lossen.

      „Sind Sie mit mir zufrieden, Schippel?“ fragte Sakschinski.

      „Sehr! – Jetzt können wir wohl beginnen. Es wird sicher sehr dramatisch zugehen, zumal ich selbst noch besondere Überraschungen in dieser Nacht erlebt habe, – nein, nicht eine, – mehrere sogar! – Also dann zunächst Herr Fritz Pelzer, – eine sehr interessante Persönlichkeit!!“

      Pelzer mußte vor dem grünverhangenen, großen Tische Platz nehmen. Er machte einen vollständig gebrochenen Eindruck. Und jetzt sah auch Lossen, daß der kleine Anflug von Schnurrbart auf Pelzers Oberlippe fraglos mit einem Farbstift hervorgezaubert worden war. Die Tränen hatten die Farbe in zwei dunklen Strichen bis zum Kinn herablaufen lassen.

      Schippel begann das Verhör.

      „Sie weigern sich also, Herr Pelzer, Ihre Wohnung anzugeben. Ausweispapiere besitzen Sie nicht. – Ziehen Sie sich aus. Ich muß eine Körpervisitation bei Ihnen vornehmen.“

      Pelzer schnellte empor, wurde erst blaß, dann feuerrot, sank plötzlich in die Knie und rief:

      „Alles – alles: nur das nicht! Haben Sie Erbarmen mit mir …!!“

      Schippel

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