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ihm sprach. In Schippels Stimme war so ein besonderer, warmer Unterton. Aber der Maler, durch die Schicksalsschläge mißtrauisch gemacht, wollte doch nicht sofort an die Aufrichtigkeit dieser freundschaftlichen Teilnahme glauben. Er fürchtete, Schippel könnte ihn vielleicht lediglich ausforschen wollen. Und daher sagte er jetzt schnell und mit feinem Spott:

      „So – also halb und halb hatten Sie die Überzeugung gewonnen …!! Immerhin etwas! Es wäre mir aber lieber, Sie besäßen die Beweise, die dazu genügten, um ein Wiederaufnahmeverfahren für mich durchzusetzen.“

      „Seien Sie doch nicht so bitter!“ meinte Schippel wiederum kopfschüttelnd. „Es wird schon alles noch gut werden. Nur Geduld …!!“

      Lossen horchte hoch auf.

      „Erwecken Sie nicht Hoffnungen in mir, die ja zu schön sind, um in Erfüllung gehen zu können“, sagte er in steigender Erregung. „Es wäre bodenlos schlecht von Ihnen, wenn Sie mich täuschen würden. Sie wissen ja nicht, was es heißt, vorbestraft zu sein – unschuldig hinter den grauen Mauern gesessen zu haben!!“

      „Meinen Sie …?! – Vielleicht weiß ich es doch!!“ erwiderte der Kriminalwachtmeister langsam. „Doch – das ist eine besondere Geschichte. Vielleicht erzähle ich sie Ihnen gelegentlich. – Zurück zu Ihnen! Sie haben recht: es wäre eine bodenlose Schlechtigkeit, wenn ich trügerische Hoffnungen in Ihnen wecken wollte. Das würde ich nie fertig bekommen. – Nein: Sie dürfen wirklich hoffen!! Sehen Sie einmal her. Was ist dies hier?“

      Auf Schippels flacher Hand glänzten fünf wasserklare Diamanten, sprühten und gleißten, strahlten ganze Lichtbüschel in allen Farben aus …

      „Mein Gott … etwas Steine aus Oltendorfs Sammlung?“ entfuhr es Lossen.

      Ein paar Vorübergehende wurden aufmerksam, blieben stehen und schauten neugierig auf die beiden Männer, die die Umwelt ganz vergessen zu haben schienen.

      „Kommen Sie!“ sagte Schippel leise, „Kommen Sie! Man beobachtet uns…“ Dann schob er die Hand mit den Edelsteinen wieder in die Tasche.

      „Es sind Diamanten aus Oltendorfs Sammlung“, fuhr er fort. „Die Steine hatten sämtlich einen besonderen Schliff und kleine Kennzeichen. Der Rentier weiß jedoch nichts davon, daß bereits acht seiner Lieblinge wieder aufgetaucht sind. Die Polizei will erst die ganze Sammlung zusammen haben. Jedenfalls beweisen diese fünf Steine, die Sie eben sahen, Ihre Schuldlosigkeit vollständig.“

      Lossen stand wie angewurzelt da. In seinen Augen strahlte ein helles Licht auf.

      „Endlich – endlich!!“ jubelte er, indem er Schippels Arm mit hartem Griff drückte. „Wie soll ich Ihnen nur danken …!! Wie soll ich …“

      „Beruhigen sollen Sie sich“, lächelte der kleine Mann gütig.

      „Ah – mag meine Arbeit heute auf mich warten!“ sprudelte Lossen hervor. „Ich feiere heute …! Gehen wir in ein kleines Kaffeehaus, Herr Schippel, wo wir uns ungestört aussprechen können. Sie müssen mir sagen, auf welche Weise …“

      „Gut – gehen wir!“ unterbrach der andere ihn. „Ich kenne hier in der Nähe ein Lokal, wo es vorzüglichen Kuchen gibt. Ich liebe Süßigkeiten und … Hunde.“

      In der kleinen Konditorei fanden sie einen Fensterplatz, wo sie wirklich ganz ungestört waren.

      Die Besitzerin, eine dralle, rosige Witwe, behandelte Schippel wie einen regierenden Fürsten.

      „Man nennt mich hier nur den Millionenrentier“, lachte er vergnügt. „Was ich wirklich bin, ahnt niemand.“

      Nachdem der lieblich und kräftig duftende Kaffee vor ihnen stand, begann der Beamte mit gedämpfter Stimme:

      „Die fünf Diamanten sind auf eine recht seltsame Art in meinen Besitz gelangt. Ich war vor einer Woche dabei, als eine heimliche Spielhölle – von dieser Sorte Zerstreuungsstätten gibt es in Berlin ja leider eine Unzahl – ausgehoben wurde. Wir überraschten die Jeubrüder denn auch bei der besten Arbeit. Aber die Bande hatte ihre Vorsichtsmaßregeln getroffen. Die Hälfte entwischte uns durch eine geheime Tür, und wir behielten als Andenken an sie nur ihre Mäntel, Überzieher, Stöcke, Schirme und Hüte in den Händen. In einem seidegefütterten Sportpaletot eines der Entflohenen fand ich dann nichts weiter als die fünf Diamanten – eingenäht in das Futter der rechten Achselhöhle. – Ein feines Versteck, nicht wahr?! – Aber Thomas Schippel hat es doch ausbaldowert. Leider aber nichts weiter. Ich hätte zu gern gewußt, wem der Paletot gehörte. Aber – darüber war nichts zu erfahren – nichts, trotz all meiner Bemühungen! Trotzdem freute ich mich über den Fund. Wußte ich doch, daß Sie, Herr Lossen, die Steine als zu der Diebesbeute gehörige Stücke nicht weitergegeben haben konnten. – Ich will Ihnen das näher erklären. Damals bei der Gerichtsverhandlung gegen Sie hat der Staatsanwalt sehr fein ausgeführt, Sie hätten ohne Frage einen Komplicen gehabt, der Ihnen sofort in der Diebstahlsnacht den Raub abnahm und ihn in Sicherheit brachte. Sie wurden ja gleich am nächsten Vormittag verhaftet, und Ihre Wirtin in Wannsee hatte beschworen, daß Sie gegen zwölf Uhr nachts heimgekehrt wären und Ihr Zimmer nicht mehr verlassen hätten. Falls Sie die Edelsteine also nicht irgendwo in Wannsee vergraben hatten, mußten Sie notwendig einen Freund gehabt haben, der die Beute gleich nach Berlin schaffte, wo sie ja am leichtesten in Geld umzusetzen war. Die Polizei hatte dann mit Hunden die ganze Umgebung Wannsees abgesucht. Und der Polizeihund Cesar, eine wahre Perle seiner Art, war es, der Ihre Spuren von der Oltendorfschen Villa bis nach Ihrer Wohnung verfolgte und so bewies, daß Sie offenbar tatsächlich auf dem kürzesten Wege in der Nacht vorher heimgekehrt waren, mithin den Raub nicht gut irgendwo verscharrt haben konnten. Deshalb hatte dann auch der Staatsanwalt bei seiner Anklagerede von dem Komplicen gesprochen. – Nun, wenn es einen solchen gegeben hätte, dann war ja auch eine Erklärung dafür gefunden, daß drei der gestohlenen Diamanten auftauchten, während Sie noch im Gefängnis saßen. Dann hatte eben Ihr Mitwisser die Steine zu veräußern gesucht. So dachte auch ich. Aber als ich Ihnen in Ihrer Zelle gegenübertrat, als ich diesen völlig gebrochenen, verbitterten Gefangenen vor mir sah, der mir mit Tränen in den Augen beteuerte, er wäre unschuldig, der beim Andenken seiner aus Gram gestorbenen Eltern schwor, nichts mit dem Diebstahl zu tun zu haben, da ging in meinem Innern eine Wandlung vor sich. Ich begann an Ihrer Schuld zu zweifeln – sogar sehr ernstlich. Und ich faßte den Entschluß, es mich etwas kosten zu lassen, den Fall Lossen völlig aufzuklären. Nicht als Beamter, sondern als Privatmann ließ ich Sie ständig durch Leute, die ich bezahlte, überwachen. Auch nicht eine Minute in diesen zwei Jahren seit Ihrer Entlassung aus der Strafanstalt sind Sie unbeobachtet geblieben. Gewiß, – es war eine harte Geduldsprobe für mich. Anderseits machte es nicht viel Schwierigkeiten, die Leute, mit denen Sie gelegentlich zusammenkamen – nähere Bekannte hatten Sie ja nicht! – auf Herz und Nieren zu prüfen, ob vielleicht dieser Komplice darunter war, von dem ich doch annehmen mußte, daß Sie mal mit ihm zusammentreffen würden. Ihr Tun und Treiben lag also wie ein offenes Buch vor mir. Und diese Ihre Lebensführung war derart, daß ich mir sagte: Lossen muß ein ehrlicher Mensch sein! – Dann vor sechs Tagen die Diamanten im Sportpaletot …! Die gaben den Ausschlag!“

      Schippel trank seine Tasse leer. Und der junge Maler fragte nun gespannt, da es ihm zu lange dauerte, bis der kleine Herr weitersprach:

      „Inwiefern den Ausschlag? – So reden Sie doch!“

      „Es ist schon häufiger vorgekommen, daß ein Bestohlener gar nicht bestohlen worden ist. Ich habe, als ich erst an Ihrer Schuld zu zweifeln begann, die Möglichkeit ins Auge gefaßt, Oltendorf könnte vielleicht gewußt haben, daß das Stubenmädchen Sie in seinem Schlafzimmer beobachtet hat, und unter schlauer Ausnutzung dieses Sie belastenden Umstandes den ganzen Diebstahl nur erfunden und die bisher beschlagnahmten acht Steine selbst in Verkehr gebracht haben.“

      Lossen saß ganz sprachlos da. An diese Möglichkeit hatte er überhaupt noch nicht gedacht. Aber sofort fielen ihm auch verschiedene Tatsachen ein, die diese Annahme Schippels nur zu sehr widerlegten.

      Er schüttelte den Kopf und sagte zu dem ihn erwartungsvoll anblickenden Beamten:

      „Nein – ich glaube Oltendorf doch besser

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