Скачать книгу

wiederholte seine Bitte …

      „Ich möchte Sie nämlich um Rat fragen, Fräulein Link. Sie sind mir empfohlen worden.“

      „Das ist nicht wahr!“ entgegnete sie ruhig, indem sie mit im Schoß gefalteten Händen dasaß und auf die gestickte Tischdecke blickte.

      Ich mußte mir das Lachen verkneifen. Tory war verlegen geworden – ausgerechnet Tory!!

      „Nun gut – es ist nicht wahr,“ meinte er. „Trotzdem werden Sie mir hoffentlich einen Beweis Ihrer Fähigkeit geben, aus den Karten mehr herauslesen zu können als andere.“

      Sie behielt dieselbe Haltung bei, schüttelte nur den Kopf.

      „Nein, das werde ich nicht! Herren, wie Sie beide kommen nur zu mir, um sich über mich lustig zu machen.“

      „So?! – Dann sind Sie eine miserable Menschenkennerin, Fräulein Link. Wir sind keine herzlosen Patrone. Mein Freund ist Schriftsteller, und er wollte mit eigenen Augen sich mal überzeugen, wie es bei einer Kartenlegerin, deren Kundschaft auch die besseren Stände umfaßt, hergeht.“

      „Auch das ist nicht wahr,“ sagte sie mit ihrem feinen Stimmchen ganz gleichmütig.

      „Wenn Sie alles besser wissen, dann klären Sie uns doch mal bitte über den Zweck dieses Besuches auf,“ meinte Tory sehr höflich, indem er mir verstohlen zuzwinkerte.

      Das alte Fräulein blickte noch immer nicht auf. Vielleicht war das bewußte Eigenart, die die Neugierigen verwirren sollte.

      „Ich werde die Karten befragen,“ lautete die Antwort.

      Und mit einem Mal hatte sie – wo hatte sie sie nur herbekommen?! – ein Spiel ganz neue Karten in der Hand, riß jetzt die Umhüllung ab und begann sehr geschickt zu mischen.

      Ich stellte fest, daß sie sehr gepflegte Hände hatte und ein paar altertümliche Brillantringe trug.

      Sie ließ dann durch Tory die Karten zu drei Häufchen aufschichten und aus jedem vier beliebige Karten ziehen, also zwölf im ganzen. Die dreizehnte zog sie selbst aus dem mittelsten Häufchen.

      Die dreizehn Karten mußte Tory mischen und mit der Bildseite nach oben nebeneinander legen. Ein Zufall wollte es, daß sehr viel rot darunter war, auch die Herzdame. Links neben dieser lag die Treffsieben.

      Die Wahrsagerin stand jetzt auf, verließ wortlos das Zimmer und kam nach kaum zwei Minuten zurück.

      Inzwischen hatte Tory sich in dem wohnlichen Raum genau umgesehen. –

      Das dürre Weiblein trat an den Tisch, schob die dreizehn Karten zusammen und legte sie bei Seite, indem sie sagte: „Ich danke den Herren!“

      „Na nu ?!“ entfuhr es Tory. „Sie wollten doch …“

      „Der Spruch wird zur Zeit da sein,“ fiel sie ihm ins Wort. „Ich danke den Herren.“

      Das war ein besseres Hinausgeworfenwerden!

      Wir erhoben uns recht enttäuscht. Und Tory fragte kurz: „Was bin ich schuldig?“

      „Nichts! Nur für die Karten, die ich stets nur einmal benutze, bitte ich den Preis zu erstatten – drei Mark.“

      Teure Karten!!

      Tory bezahlte und sagte, während er das Geld auf den Tisch legte:

      „Haben Sie letztens mal ein Schriftstück verloren, Fräulein Link?“

      Die dunklen Mausaugen schauten auf. Ich merkte, diese Frage überraschte die Kartenlegerin doch.

      „Weshalb wollen Sie das wissen?“ meinte sie etwas zögernd.

      „Weil man von diesem Schriftstück einen gesetzwidrigen Gebrauch gemacht hat,“ erklärte Tory gelassen.

      Fräulein Link wurde unruhig.

      „Ich habe allerdings etwas verloren – gestern morgen,“ sagte sie unsicher. „Nicht eigentlich verloren. Ich ließ ein an mich gerichtetes Schreiben der Steuerbehörde auf einem der Pulte des Schalterraumes am Hauptpostamt aus Versehen liegen.“

      „Ist das die Wahrheit?“ fragte Tory jetzt gedehnt.

      „Ja!“ Das klang aufrichtig. „Aber – Sie sprachen von einem Mißbrauch diese Schriftstückes,“ fügte sie schnell hinzu. „Wie soll ich das verstehen?“

      „Darüber darf ich Ihnen vorläufig leider keine Auskunft geben, Fräulein Link. Aber Sie werden dadurch keine Unannehmlichkeiten haben – bestimmt nicht!“

      Sie schien erleichtert aufzuatmen.

      Tory wandte sich zur Tür.

      „Bitte – die Karten dürfen Sie nicht hier lassen,“ sagte die Link ziemlich energisch. „Nehmen Sie sie mit und – beachten Sie stets die Herzdame und die Treffsieben.“

      Tory steckte das Spiel in die Tasche. Und gleich darauf gingen wir wieder im hellen Mittagsonnenschein durch die Straßen, beide schweigsam, beide darüber nachgrübelnd, ob die Link uns wohl angelogen habe, als sie die Geschichte von dem liegen gelassenen Schreiben erzählte.

      Erst während des Mittagessens im Restaurant ‚Deutsches Haus‘ sagte Tory: „Ich habe den Eindruck gehabt, als wenn sie nicht log.“

      Ich erklärte, mir sei es ebenso ergangen.

      „Was sie nur damit gemeint haben mag, ‚Der Spruch wird zurzeit da sein‘?“ fragte er dann.

      Ich zuckte die Achseln. –

      Nachher schenkte er dem Kellner, der uns bediente, die Karten. – „Da – das Spiel bringt Glück, Ober! Es stammt von einer Wahrsagerin!“

      Der Kellner bedankte sich. Als er uns gleich darauf den Braten brachte, legte er die Karten mit der Treffsieben oben vor Tory hin und sagte:

      „Ich glaube den Herrn darauf aufmerksam machen zu müssen, daß hier,“ – er deutete auf die Treffsieben – „eine Bleistiftnotiz steht.“

      Tory griff sehr hastig nach der Treffsieben, reichte sie mir dann mit bedeutungsvollem Blick.

      Mit zierlicher Schrift stand zwischen den schwarzen Kreuzen:

      Spruch: Du suchst der Schönheit zu schaden. Daher wirst du sie nie finden. – –

      Tory gab dem Kellner zwei Mark und behielt die Karten. –

      Während wir uns den vorzüglichen Emmentaler als Nachtisch schmecken ließen, sagte er dann zu mir:

      „Karl, begreifst du das? – Die Link spielt in ihrem Spruch doch fraglos auf die Madonna an.“

      „Das meine ich auch.“

      „Die Treffsieben hat sie natürlich heimlich mitgenommen, als sie das Zimmer verließ,“ fuhr er fort. „Aber – sie hat’s geschickt gemacht! Auf Dumme wirkt so etwas! – Deshalb also sollte ich die Herzdame und die Treffsieben ‚stets beachten‘! Ich sollte auf das Geschriebene aufmerksam werden!!“

      „Natürlich! – – Immerhin, – woher nur wußte sie etwas von der Madonna?!“

      Er trank erst seinen Rotwein aus und erwiderte dann:

      „Die Geschichte ist wahrscheinlich sehr einfach. Soeben ist mir ein Licht aufgegangen: der Schneidermeister im Erdgeschoß!!“

      „Ah – du meinst …?!“

      „Ja – er muß mit der Link im Bunde stehen, muß!! Obwohl er sehr abfällig über sie sprach. Aber gerade das ist verdächtig! Ich beschrieb ihm doch die Madonna, die ich anstatt der Link suchte.“

      „Hm – unmöglich wär’s nicht!“

      „Im Gegenteil! – Denk’ mal, – wie viele Leute, die die Link konsultieren wollen, werden sich zuerst vielleicht noch bei Meister Bunke nach ihr erkundigen. Und er ist ein so freundliches, geschwätziges Männchen. Ich werde mal die Probe aufs

Скачать книгу